William McIlvanney – Die Suche nach Tony Veitch (Buch)


Die Suche nach Tony Veitch
© Kunstmann

Die Anfänge des Tartan Noir

Detective Inspector Jack Laidlaw, Leiter der Crime Squad in Glasgow, wird ins Krankenhaus gerufen, wo der bekannte Stadtstreicher Eck Adamson um sein Leben kämpft. Dieser wollte noch einmal mit Laidlaw sprechen, doch fehlt ihm hierfür bereits die Kraft. Auf einem Zettel notiert er unter anderem den Namen von Paddy Collins, ein Gangster, der von mehreren Messerstichen niedergestochen in einem anderen Krankenhaus ebenfalls im Sterben liegt. Kurz darauf sind beide tot und Laidlaw ist der einzige Polizist, der einen Zusammenhang vermutet, zumal er glaubt, dass Eck vergiftet wurde. Hartnäckig nimmt er die Ermittlungen auf, die bei seinen Kollegen auf Unverständnis stoßen. Während Laidlaw und sein Partner Brian Harkness sich die Hacken ablaufen, ermittelt Laidlaws Intimfeind „Big Ernie“ Milligan von der North Division im Fall Collins.

Zwangsläufig führen die Ermittlungen in die Niederungen der Glasgower Unterwelt, wo sich die beiden führenden Gangsterbosse Cam Colvin und John Rhodes unversöhnlich gegenüberstehen.  

Weißt du, wer er war?“ „Paddy Collins.“ „Klar. Und Hitler war Anstreicher. Ich meine, ob du weißt, mit wem er verwandt war? Cam Colvin ist sein Schwager. Und weißt du, was das bedeutet?“ „Paddy Collins bleibt vielleicht nicht der einzige Tote.

Bei den beiden Morden scheint es einen Zusammenhang zu geben, denn die größte Spur führt zu einem jungen Studenten namens Tony Veitch, der jedoch unauffindbar scheint. Die Zeit drängt für Laidlaw und Milligan, denn auch Colvin und Rhodes sind auf der Jagd. Derweil schweigen mögliche Zeugen über Veitchs Zufluchtsort.

Fall zwei der legendären Jack-Laidlaw-Reihe

William McIlvanney (1936-2015) ist in Großbritannien eine Berühmtheit, gilt als Vater des Tartan Noir und der Preis für den besten schottischen Kriminalroman trägt seit 2012 seinen Namen. Angeblich verdankt kein Geringerer als Ian Rankin dem Werk von McIlvanney seine Karriere, welches ihn antrieb, selber Krimiautor zu werden. Dass ihm zu Lebzeiten der große (finanzielle) Erfolg verwehrt blieb hat hingegen andere Gründe. Er schrieb die Jack-Laidlaw-Reihe, die lediglich aus drei Romanen besteht, in einem Abstand von rund fünfundzwanzig Jahren. „Laidlaw“ erschien 1977, es folgten „Die Suche nach Tony Veitch“ (1983) und „Falsche Treue“ (1991).

Im zweiten Teil, der zeitlich ein Jahr nach „Laidlaw“ spielt, also Ende der 1970er-Jahre, gibt es ein Wiedersehen mit vielen bekannten Figuren. Nicht nur, dass sein Partner Harkness einmal mehr an Laidlaws Dickköpfigkeit und Starrsinn verzweifelt und es erneut ein Duell mit Ernie Milligan gibt; auch der Unterweltboss John Rhodes ist wieder am Start. Der Roman ist ein Hardboiled, dessen Sprache ebenso hart wie brillant ist. Die Sätze sind sprachlich wie inhaltlich Volltreffer, drücken die Adressaten oft zu Boden und die Leser in den Sessel. Auf den ersten Blick mag der Schreibstil sperrig wirken, aber ist man in die Geschichte nach wenigen Seiten eingetaucht, entfaltet sich deren (brutale) Schönheit.

Wie eine alteingesessene Familienfirma, die von einem rücksichtslosen Unternehmen aufgekauft wurde, hatte sich John Rhodes etwas bewahrt, das sein Überleben garantierte: Er hatte ein reines, unverfälschtes Produkt anzubieten – hundert Prozent reine Gewalt.

McIlvanney führt seine Ermittler in die Glasgower Unterwelt, wo Gewalt zum Berufsethos gehört. Die Handlung besteht aus einer großangelegten Suche, an deren Ende es einen weiteren Toten gibt und für Milligan der Fall gelöst ist. Für Laidlaw zählt jedoch nicht die Statistik, nicht der schnelle Erfolg, sondern die Wahrheit. Auch ein Penner und Alkoholiker wie Eck Adamson, der sich zeitlebens selbst den größten Schaden zufügte, hat ein Anrecht auf eine seriöse Ermittlung. Eine empathische Einstellung, die Laidlaw wohlwollend von Milligan und anderen Polizisten unterscheidet und gleichzeitig überrascht, da der raubeinige Ermittler nicht selten andere Menschen mit seiner verbalen Härte verletzt. Dass seine Ehe schon lange ein Trümmerfeld ist, verwundert daher nicht.

Wie kommst du dann auf Mord? Eck hat nicht mal vor Pferdepisse haltgemacht, wenn er Durst hatte. Der war wählerisch wie ein öffentliches Pissoir. Hat getrunken, was ihm in die Quere kam. Fertig. Wieso willst du behaupten, dass es Mord war?“ “Er hat so eine Bemerkung gemacht.“ „Jack! Du hast Eck doch gekannt. Pat the Liar ist George Washington dagegen. Das darf nicht dein Ernst sein. Du kannst solchen Bemerkungen kein Gewicht beimessen.“ „Doch, ich denke schon.

Neben diversen Gewalteruptionen bietet die Jack-Laidlaw-Reihe letztlich auch einen unverstellten Blick auf Glasgow. Eine schmutzige, gewalttätige Stadt, in der wenige Menschen sehr viel und viele Menschen sehr wenig haben.

Alle drei Jack-Laidlaw-Romane sind problemlos erhältlich. Eine Neu- oder Wiederentdeckung lohnt! Empfohlen sei an dieser Stelle auch „Ein frommer Mörder“, der im Juli 2021 in Deutschland veröffentlicht wurde und von McIlvanneys Sohn Liam geschrieben und bereits 2018 (Originaltitel „The Quaker“) mit dem McIlvanney Prize ausgezeichnet wurde.

  • Autor: William McIlvanney
  • Titel: Die Suche nach Tony Veitch
  • Originaltitel: The Papers of Tony Veitch. Aus dem Englischen von Conny Lösch
  • Verlag: Kunstmann
  • Umfang: 317 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen:  2015
  • ISBN: 978-3-95614-022-8
  • Produktseite 


Wertung: 12/15 dpt


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