Murdoch Mysteries – Staffel 1 (Serie, 4 DVD)
Kanada in den 1890er Jahren: Der smarte Detective William Murdoch (Yannick Bisson) ermittelt in 13 mysteriösen Mordfällen in Toronto und bedient sich dabei verschiedener forensischer Methoden, wie Bluttests und Fingerabdrücken, die damals noch in den Kinderschuhen steckten. Sein Boss, der aufbrausende Inspector Brackenreid (Thomas Craig) steht diesen neuen Methoden und Murdochs Experiementierfreude mit spöttischem Lächeln gegenüber, doch seine hohe Aufklärungsrate spricht für sich.
Die erste Episode beginnt mit einem Knall – buchstäblich: Bei einer öffentlichen Demonstration zum Thema Wechselstrom wird die frisch gekrönte „Miss Toronto Electric and Light“ von einem Stromschlag getötet. Eigentlich war dieser für einen Hund gedacht, der als Versuchstier herhalten sollte. Wie es dazu kommen konnte und wer dahintersteckt, ermittelt Detective Murdoch in seinem ersten Fall, der dem missglückten Schauspiel zufällig als wissenschaftlich interessierter Zuschauer beiwohnt. Kein geringerer als Nikolas Tesla persönlich erklärt seinem Bewunderer Murdoch hier den Hintergrund zwischen Wechsel- und Gleichstrom und gibt Einblicke in seine aktuellen Forschungen.
Zugegeben: Die erste Folge der Serie kann einen schon ganz schön überrumpeln. Als wäre die kniffelige Thematik rund um Elektrizität nicht schon genug, fragt man sich im Laufe der Ermittlungen immer wieder, wo der Fokus liegt: Bestechung? Aktienbetrug? Eifersucht und eine geheime Affäre? Ein bisschen mehr Geradlinigkeit wäre schön gewesen, zumal ja auch alle Charaktere der Serie, das Setting und der historische Hintergrund erst eingeführt werden müssen. Zumindest wird beim Zusehen schnell klar, welche wichtige Rolle technische Neuerungen bei Murdochs Ermittlungen einnehmen: In der ersten Episode ist dies zum Beispiel ein Ton-Aufnahmegerät, welches als absurd großer Koffer zum „getarnten“ Einsatz kommt. Aus heutiger Sicht wirkt das ziemlich ulkig.
Aber Dranbleiben lohnt sich: Die Fälle und deren Ermittlungen werden strukturierter und schon bald möchte man auch die anderen Figuren besser kennenlernen. Von Anfang an vermag es zum Beispiel die Pathologin Dr. Julia Ogden (Hélène Joy), die Aufmerksamkeit aufgrund ihrer ruhigen Art und klugen Schlüsse auf sich zu ziehen. Sie bildet mit Murdoch ein eingespieltes und kompetentes Team, das sich brillant ergänzt. Und natürlich knistert es auch hin und wieder mal zwischen den beiden …
Wie sie als Frau in den 1890ern zu ihrem Doktortitel kam und warum sie ganz selbstverständlich für die Polizei in Toronto arbeitet, wird (zumindest in dieser Staffel) jedoch leider nicht näher beleuchtet. Dabei legen die Episoden großen Wert auf historische Genauigkeit, was technische Finessen und gesellschaftliche Phänomene angeht. Schade! Allerdings macht genau dieser historisch-wissenschaftliche Hintergrund den originellen Kern der Serie aus: Im Laufe der Staffel kommen zum Beispiel der Prototyp eines Lügendetektors zum Einsatz, es werden mühselig Gipsabdrücke von Fußspuren genommen und erste Versuche mit Blutproben helfen beim Überführen eines Täters. Gerade die rudimentären Möglichkeiten der Kriminaltechnik zu dieser Zeit und die Begeisterung über neue Technologien machen die Lösung der einzelnen Fälle besonders spannend.
Im Team um Murdoch gewinnt sein Gehilfe, Constable George Crabtree (Jonny Harris), im Laufe der Staffel mehr und mehr Farbe und bringt in vielen amüsante Szenen zum Schmunzeln. Der junge, unbeholfene aber lernwillige Crabtree spielt die Rolle des sympathischen Sidekicks wirklich gut. Eine sinnvolle Ergänzung zum attraktiven Murdoch mit den immer etwas melancholisch dreinblickenden Augen unter Giraffenwimpern, dessen stilvolles und perfektes Auftreten Fans von abgründigen Ermittlern wohl eher nicht zusagen wird.
Ein großer Pluspunkt ist die Vielschichtigkeit der einzelnen Milieus, in denen die insgesamt 13 Episoden spielen: Mord in einem elitären Ruderclub, Ermittlungen im Box-Milieu und bei einem hellsichtig begabten Medium sowie bei einem Erfinder, der sich mit der Entwicklung motorisierter Zweiräder beschäftigt. Gesellschaftliche Themen wie Homosexualität, Diskriminierung von Schwarzen oder das psychologische Thema der Inselbegabung werden aufgegriffen und populär-wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Und auch der Auftritt historischer Persönlichkeiten ist wirklich gelungen – ganz besonders die Episoden mit Sir Arthur Conan Doyle, dem geistigen Vater von Sherlock Holmes, sind originell und unterhaltsam. Die Kostüme wirken authentisch und aufwändig geschneidert, die Stadt-Kulissen hingegen sehen manchmal stark nach Pappmaché aus. Vermutlich kam das Budget hier an seine Grenzen.
Die Serie basiert auf den Büchern der kanadischen Krimiautorin Maureen Jennings. In Kanada existieren bereits 13 Staffeln der dort sehr erfolgreichen Serie, die 14. ist in Arbeit. Die nun erstmals in Deutschland auf DVD erhältliche erste Staffel wurde bereits 2008 in Kanada ausgestrahlt. Allerdings hat die Serie durch die späte Veröffentlichung hierzulande natürlich nichts vom ihrem Charme eingebüßt – „besser spät als nie“ trifft es wohl. Insgesamt eine wirklich unterhaltsame Krimiserie. Wer gern bei anspruchsvollen Mordfällen miträtselt, wird zwar hin und wieder unterfordert sein, das spannende Retro-Setting und die wirklich interessanten Geschichtseinblicke machen das aber allemal wieder wett. Einige gruselige Darstellungen von Leichenfunden und Autopsie-Details rechtfertigen die zunächst überraschende Altersfreigabe ab 16 Jahren, auf Schocker wird verzichtet. Insgesamt bietet „Murdoch Mysteries“ eine willkommene Abwechslung zum Nullachtfünfzehn-Krimi: Statt nie endenden Verfolgungsjagden, Schießereien und High-Tech-Laborausstattung wird hier noch richtig erzählt, und zwar mit Bildungsanspruch, der in unterhaltsamem und meist subtilem Gewand daherkommt. Mehr davon! Hoffentlich endlich auch für ein deutsches Publikum.
Die erste Staffel von “Murdoch Mysteries” wird ebenfalls im Free-TV ausgestrahlt: Seit dem 15. September 2021 sind bei ONE (ARD- Mediathek) nach und nach die einzelnen Folgen verfügbar.
© Cover und Bilder: Edel Motion/Glücksstern
- Titel: Murdoch Mysteries – auf den Spuren mysteriöser Mordfälle / Staffel 1
- Originaltitel: Murdoch Mysteries
- Produktionsland und -jahr: Kanada, 2008
- Genre: Krimiserie, Drama
- Erschienen: 01. Oktober 2021
- Label: Edel Motion
- Spielzeit:
600 Minuten auf 4 DVDs - Darsteller:
Yannick Bisson
Hélène Joy
Thomas Craig
Jonny Harris - Regie: Don McBrearty
- Musik: Robert Carli
- Technische Details (DVD)
Video: Bildverhältnis 16:9
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch
Untertitel: D - FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Streaming in der ARD-Mediathek
Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 12/15 dpt