The Night (Film)
“The Night” ist eine amerikanisch-iranische Koproduktion und der erste Film mit amerikanischer Beteiligung, der seit 1979 im Iran aufgeführt wurde.
Erzählt wird die Geschichte des Paares Babak und Neda, die nach einer Zeit der räumlichen Trennung mitsamt ihrer kleinen Tochter wieder gemeinsam in den USA leben. Nach einem Abend bei Freunden, beschließt die Kleinfamilie nach Hause zu fahren, obwohl Habak Alkohol getrunken hat. Auf der Fahrt zeigt sich, dass die beiden kein besonders harmonisches Paar abgeben. Irgendwann spielt das Navigationssystem verrückt, man streitet sich, und Habak überfährt eine Katze – oder auch nicht. Denn als er nachschaut, gibt es keinerlei Kontaktspuren am Wagen. Als auch noch das Benzin knapp wird, entschließt man sich, die Nacht im Hotel zu verbringen.
Obwohl die Zeichen auf Unbehagen stehen, inklusive mysteriös brabbelndem Faktotum vorm Gebäude und seltsamen Concierge drinnen, wird im Hotel Normandie eingecheckt. An erholsamen Schlaf ist aber nicht zu denken, denn das menschenleere Hotel entwickelt ein Eigenleben, das Babak und Neda erst an ihrer Wahrnehmung, dann an sich selbst zweifeln lässt. Die immer wieder auftauchende Prophezeiung “Es gibt keinen Ausweg” sorgt auch nicht gerade für Entspannung.
Klopfgeräusche, die keinen Ursprung haben, Visionen einer jungen Frau und eines Jungen, der nach seiner Mutter sucht, eine schwarze Katze auf Schrödingers Spuren, Zeit und Raumsprünge, halten die beiden Protagonisten auf Trab. Das Hotel zu verlassen ist scheinbar nicht möglich, eine Lösung nicht in Sicht. Zumindest verweigert sich Habak den Erkenntnissen, die Neda im Laufe der Nacht gewinnt. Wie so oft ist das Hotel mit seinen weitverzweigten Gängen, seiner abseitigen Trostlosigkeit und den unterschiedlichen Erscheinungen nur ein Spiegel dessen, was im Inneren der Menschen im Argen liegt.
Hätte das dezent dysfunktionale Paar auf der Fahrt, anstatt zu disputieren, andächtig “Hotel California” von den EAGLES gelauscht, wäre ihnen möglicherweise eine Nacht (oder ein Leben) in der selbstverschuldeten Hölle erspart geblieben. Den Zuschauenden ist jedenfalls schnell klar, dass “The Night” kein Haunted House-Horror ist, sondern ein Geschlechterkampf, der in phantastische Regionen abdriftet.
Regisseur (und Co-Drehbuchautor) Kourosh Ahari lässt sich Zeit, seine Geschichte zu entwickeln. Die Realität kippt langsam ins Bedrohliche. Leider zu Beginn nicht sonderlich geschickt. Ahari verzichtet (dankenswerterweise) nahezu komplett auf Jump scares, ersetzt diese aber durch fast statische Schuss-Gegenschuss-Aufnahmen, die keinerlei Angstschauder produzieren. Lieber lässt er die Soundkulisse bersten, doch nervt das ständige Klopfen und ohrenbetäubende Tonspurlärmen bei unspektakulären Schockmomenten (der Aufzug ruckelt und stoppt das intendierte Grauen. Ohne, dass der Pulsschlag explodiert.
Die betuliche Gangart führt dazu, dass die Zuschauer viel Zeit dafür haben, das nicht arg so schwer zu durchschauende Handlungsgeflecht zu entschlüsseln. Lange, bevor den Beteiligten ein Licht aufgeht. Die Sünden der Mütter und Väter halt.
“The Night” ist ein Beziehungsdrama mit Mystery-Elementen, kein lupenreiner Horrorfilm. Der Vergleich mit Stanley Kubricks “The Shining” wird zwar wegen des Hotelsettings werbetechnisch bemüht, bekommt dem Film aber nicht. Das ist alles ein paar Nummern kleiner und wird in der ersten Hälfte routiniert, aber wenig aufregend runtergespult. Je mehr bei den Hauptfiguren die Verwirrung und Angst wächst, umso mehr gewinnt auch der Film auf visueller und dramaturgischer Ebene. Der volle Soundeinsatz mit dem Vorschlaghammer tötet die Atmosphäre aber eher als sie zu stützen.
Wie so oft erweist sich die Frau dem Mann überlegen, wenn es um das Einsehen ins eigene Handeln geht. Das ist fein, gerade bei einem Film, der seine Protagonisten mit Vergehen ausstattet, die einem sehr traditionellen (vom Islam geprägten?) Rollenverständnis entsprechen. Nichts, was man nicht auch an zwei Abenden Paartherapie klären könnte. In der filmischen, finsteren Nacht kracht es auf Habak und Neda hernieder, dass sich die Balken biegen.
Insgesamt ist “The Night” ein ansehbarer Film, ordentlich gespielt und technisch solide, wenn auch nicht immer packend umgesetzt. Je weiter die Handlung voranschreitet, umso stimmungsvoller präsentiert sich das Geschehen auf dem Bildschirm (respektive Leinwand), obligatorische Logiklöcher inklusive. Kann man sich abends in Muße anschauen, ohne eine schlaflose Nacht befürchten zu müssen. Selbst dann nicht, wenn man sich den Film in einem menschenleeren Hotel zu Gemüte führt.
Cover, Fotos © Koch-Media
- Titel: The Night
- Originaltitel: The Night
- Produktionsland und -jahr: USA/Iran 2020
- Genre: Mystery, Drama, Horror
- Erschienen: 26.08.2021
- Label: Koch Media
- Spielzeit:
101 Minuten auf 1 DVD
105 Minuten auf 1 Blu-Ray - Darsteller: Shahab Hosseini
Niousha Noor
Leah Oganyan
George Maguire
Michael Graham
Armin Amiri
Elester Latham - Regie: Kourosh Ahari
- Drehbuch: Kourosh Ahari
Milad Jarmooz - Kamera: Maz Makhani
- Schnitt: Kourosh Ahari
- Musik: Nima Fakhrara
- Extras: Trailer, Bildergalerie
- Technische Details (DVD)
Video: 2.40:1 (16:9)
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, Dolby Digital 5.1
Untertitel: Deutsch - Technische Details (Blu-Ray)
Video: 2.40:1 (16:9)
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, DTS-HD Master Audio 5.1
Untertitel: z.B. Deutsch - FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Wertung: 9/15 dpt