Satire über Trump
Als der hochverehrte Kapitän die „Glory“ verlässt, um seinen Lebensabend zu genießen, gibt es prompt Spekulationen unter den zahlreichen Passagieren, welcher seiner erfahrenen Mitarbeiter fortan das Schiff steuern könnte. Da meldet sich ein Mann mit einer gelben Feder am Kopf. „Lasst mich Kapitän werden!“, ruft er den erstaunten Menschen zu. „Lasst mich Kapitän werden!“
Doch der in Navigationsfragen und dem Schiffswesen völlig unerfahrene Mann hat laustarke Befürworter. Es wäre an der Zeit, dass endlich mal jemand alles umkrempelt. Tatsächlich geschieht das Undenkbare und prompt befiehlt der neue Kapitän seiner gut aussehenden Tochter die Männer auf der Brücke zu entlassen, da er diese nicht selbst eingestellt habe. Auch die zahlreichen Handbücher über das Schiff fliegen über Bord. Etliche Tage später bemerkt der Kapitän, dass das Schiff noch immer im Hafen liegt, woraufhin ihn seine Tochter fragt, ob er denn vergesse habe, dass sie die Mannschaft gefeuert haben? Dann startet das Schiff doch irgendwie und der Irrsinn nimmt seinen Lauf, zumal der Kapitän eine Stimme aus einem Lüftungsschacht vernimmt, welche ihm superkluge Theorien über die großen Zusammenhänge vermittelt.
Im Frühstücksraum hängt nun mehr an einer Wegwischtafel nicht mehr der tägliche Speiseplan, sondern handschriftliche Notizen des Kapitäns. Demnach verursachen Spinnen gefährliche Rektralblutungen und mit seinem Penis sei alles bestens. Die Passagiere nehmen es teils mit Begeisterung, teils mit Apathie auf. Kurz darauf fliegen die ersten Menschen über Bord und Menschen, die sich auf kleinen Schiffen nähern, um aufgenommen zu werden, haben plötzlich Pech. War die Aufnahme dieser armen Menschen immer ein hehres Ziel der Mannschaft, so ist das Boot jetzt voll; laut der Stimme aus dem Lüftungsschacht.
Im weiteren Verlauf begegnet der Kapitän dann anderen, gefährlichen Seeleuten, womit er den Untergang seines Schiffes vorbereitet.
Mit reichlich Verspätung erscheint das Werk
Die Parallelen zu Donald Trump sind nicht nur unübersehbar, sondern natürlich voll beabsichtigt und auch die später hinzukommenden Schurken anderer Schiffe kann man zuordnen, so wie der Helle, ein Mann „mit freiem Oberkörper, und er saß auf einem Pferd.“ Wäre die Realität der Trump Ära nicht so surreal gewesen, man könnte herzlich lachen. So bleibt einem jenes Lachen oftmals im Hals stecken. Dass im Roman bezeichnenderweise nur ein junges Mädchen den ganzen Irrsinn als solchen erkennt, könnte der amerikanischen Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Allerdings erschien das Buch im Original erst 2019, da waren schon einige Autoren vor ihm am Werk. Hätte dieses Buch die amerikanische Öffentlichkeit wachrütteln sollen, hätte es deutlich früher erscheinen müssen. Gleichwohl bietet es einige Spitzen und gute Lacher, bevor es dann zum Schluss konsequent chaotisch dem Ende entgegengeht. Eggers kommentiert das Zeitgeschehen der Trump-Ära, was allerdings nicht selten platt und aufgesetzt wirkt. Will sagen, viel Schatten, wenig Licht.
Wer sich an Donald Trump in Form einer Satire noch einmal abarbeiten möchte, mag dies mit dem vorliegenden Werk versuchen. Eigenwillige Unterhaltung, die mit zunehmender Dauer immer schräger daherkommt, was im vorliegenden Sujet was heißen will.
- Autor: Dave Eggers
- Titel: Der größte Kapitän aller Zeiten
- Originaltitel: The Captain and the Glory. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- Umfang: 127 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: April 2020
- ISBN: 978-3-462-00010-8
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 9/15 dpt