Eloisa Díaz – 1981
Ein lesenswerter Roman über Argentinien in dunkler Vorzeit
Von 1976 bis 1983 herrschte in Argentinien eine Militärdiktatur, nachdem zuvor bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten. Korruption und Anarchie waren teils allgegenwärtig und wurden von Beginn an durch das Militär mit aller Härte bekämpft. Fünf Jahre später, 1981, organisiert sich Widerstand in Form einer Stadtguerilla, der auch Jorge Rodolfo angehört. Eigentlich Professor, engagiert er sich lautstark für die Gewerkschaft, was ihm eines Tages zum Verhängnis wird. Er und seine Frau Adela „verschwinden“, seinem Bruder, Polizeiinspektor Joaquin Alzada, sind weitgehend die Hände gebunden. Bei der Verhaftung wurde Sorolla, damals der zweijährige Sohn Jorges, übersehen und wuchs seitdem bei seinem Onkel und dessen Frau Paula auf.
2001. Die Zeiten haben sich geändert, Argentinien ist eine Demokratie und doch scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Präsident de la Rúa hat angeordnet, dass nur noch ein kleiner Geldbetrag pro Woche abgehoben werden darf, während die Inflation alles auffrisst. Viele Menschen müssen hungern, es kommt zu Demonstrationen, eine erneute Revolution liegt in der Luft. Fast alle Polizisten werden im Kampf gegen die Demonstranten eingesetzt und so kommt es, dass der seit zwanzig Jahren im Bereich Diebstahl und somit auf ein Abstellgleis abgeschobene Alzada in die Gerichtsmedizin gerufen wird. Hinter dem städtischen Leichenschauhaus wurde eine Frauenleiche in einem Müllcontainer entsorgt. Gemeinsam mit Hilfsinspektor Orestes Estrático, einem Anfänger, der eigentlich nur sicherstellen soll, dass Alzada keine Dummheiten begeht, machen sich die beiden Ermittler an die Arbeit. Kurz darauf erfahren sie, dass eine junge Frau aus einer der reichsten Familien von Buenos Aires verschwunden ist. Eine vielversprechende Spur führt in die Reihen der Kongressabgeordneten, woraufhin der Polizeichef ausdrücklich auf die Einstellung der Ermittlungen drängt.
Der Spannungsbogen des Krimiplots bleibt überschaubar
Eloisa Diaz hat in ihrem Debütroman die bedrohliche Stimmung jener Zeiten beeindruckend eingefangen. Dabei spielt die Handlung an nur drei Tagen des Jahres 1981 und an nur einem Tag im Dezember 2001. Man fühlt sich daher live dabei und wird von der düsteren Gemengelage, die jederzeit zu einem Chaos und Blutvergießen führen kann, eingenommen. In Rückblenden erfährt man Details über das Verschwinden von Jorge Rodolfo und Alzadas Suche nach seinem Bruder.
Der im Jahr 2001 angesiedelte Krimiplot erfüllt die gängigen Kriterien des Genres. Es kommt zu einem Mord, eine Person verschwindet, es wird ermittelt und – letztlich – aufgeklärt. So weit so gut, jedoch dürften alle, denen es primär um einen spannenden Krimi im klassischen Sinne geht, womöglich enttäuscht werden. Die Zahl der Verdächtigen ist nach einiger Zeit klar und beläuft sich exakt auf eine Person. In der Folge ändert sich daran nichts mehr; vielmehr geht es darum zu schildern, wie die Ermittler „von oben“ in ihrer Arbeit behindert werden, wodurch Parallelen zur Militärdiktatur sichtbar werden.
In messerscharfen Sätzen und großartigen Dialogen – Highlights sind oft die eingestreuten Gedankengänge Alzadas – erzählt Diaz ihre Geschichte. Letztlich muss sich Alzada der Frage stellen, ob er damals richtig gehandelt hat? In erster Linie wollte er im System überleben und nicht auffallen. Jetzt, wo sich die Geschichte zu wiederholen scheint, muss er erneut entscheiden, auf welcher Seite er steht und wie er persönlich mit der Situation umgehen will. Eine beeindruckende Geschichte, die zu entdecken lohnt.
- Autorin: Eloisa Diaz
- Titel: 1981
- Originaltitel: Repentance. Aus dem Englischen von Mayela Gerhardt
- Verlag: Hoffmann und Campe
- Umfang: 320 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: Juni 2021
- ISBN: 978-3-455-01094-7
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 12/15 dpt