Rebecca Buxton, Lisa Whiting (Hg.) – Philosophinnen – von Hypatia bis Angela Davis
Dieses Buch fällt auf und das ist auch gut so: “Philosophinnen – von Hypatia bis Angela Davis: Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte” portraitiert zwanzig Denkerinnen, die unsere Geistesgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart maßgeblich beeinflusst haben. Nur wenige Namen der Vorgestellten werden Philosophie-Interessierten bekannt sein, darunter Hannah Arendt, Simone de Beauvoir oder Angela Davis. Die einzelnen Porträts beinhalten biografische Eckdaten, eine Einführung in das Wirken jeder Denkerin sowie weiterführende Literatur. Die Auswahl der Philosophinnen beschränkt sich hierbei nicht auf den westlichen Kulturkreis oder eine bestimmte Religion. Die Porträts wurden von gegenwärtigen Philosophinnen verfasst, darunter auch Beiträge der Herausgeberinnen selbst.
Über die Herausgeberinnen
Die durch Crowdfunding finanzierte Anthologie erschien im Original 2020, herausgegeben von den beiden britischen Philosophinnen Rebecca Buxton und Lisa Whiting. Ihnen ist es mit dieser Anthologie ein Anliegen, den Fokus auf Denkerinnen zu richten, deren Rolle in der Ideengeschichte bisher unterschätzt wurde oder deren Namen im philosophischen Diskurs zu unrecht kaum genannt werden. Es ist „der Versuch, diese Wahrnehmung zu verändern.“
Darüber hinaus engagieren sie sich sich für die Sichtbarkeit von Frauen „in der männlichen Welt der Philosophie“, nicht nur inhaltlich, sondern auch für deren Präsenz auf universitärer Ebene. Denn trotz großer Fortschritte im Lauf der Jahrhunderte, gibt es im Bereich der Gleichberechtigung noch einiges zu tun, worauf sie im Vorwort hinweisen:
Rebecca Buxton arbeitet an der Universität Oxford im Bereich politische Philosophie und befasst sich insbesondere mit den politischen Rechten von Geflüchteten. Lisa Whiting ist Politikwissenschaftlerin und konzentriert sich in ihrer Forschung auf die Schnittstelle von Politik, Ethik und Gleichberechtigung.
Gelungene Zusammenstellung
Auch wenn die Auswahl der Philosophinnen laut Vorwort nicht leicht gefallen ist und sicherlich auch anders hätte lauten können, überzeugen alle Beiträge. Hervorzuheben ist, dass hier keine Beschränkung auf einen bestimmten Kulturkreis vorgenommen wurde und auch Denkerinnen wie Ban Zhao (chinesische Antike) oder Lalla (1320-1392), „die im Nachhinein sowohl von der hinduistischen als auch von der muslimischen Überlieferung für sich beansprucht wurde“ (S. 39), Eingang in die Anthologie fanden. Dieser Versuch der Ganzheitlichkeit und die Zusammenstellung ganz unterschiedlicher Persönlichkeiten macht die Sammlung spannend!
Mary Wollstonecraft beispielsweise engagierte sich für die Bildung von Frauen im 18. Jahrhundert und gab direkt praktische Handlungsanweisungen in ihren Schriften. Harriet Taylor Mill arbeitete unter anderem an einer Reihe von Artikeln über häusliche Gewalt sowie am Buch „On Libetry“ (1859), einer Streitschrift für Redefreiheit, welche später als Stuart Mills „wichtigster Beitrag zur politischen Philosophie“ angesehen wurde. (S. 71) Die wissenschaftlich tätige Frau im Schatten des Mannes: ein Phänomen, das sich in vielen Philosophinnen-Porträts wiederfindet. Edith Stein zum Beispiel, die zweite Frau in Deutschland mit einem Doktortitel in Philosophie, war 1916 Edmund Husserls Assistentin und maßgeblich daran beteiligt, seine Vorlesungen zur Phänomenologie auszuformulieren:
Publiziert wurde das Manuskript dann 1928 in Steins Ausformulierung. Ihre Arbeit wird dabei nur als Randnotiz gewürdigt. Ihren Antrag auf eine Stelle zur Habilitation lehnte Husserl ab, was damals das Ende von Edith Steins wissenschaftlicher Karriere bedeutete. Beeindruckend sind ebenfalls viele der biografischen Eckpunkte der ausgewählten Philosophinnen: Iris Murdoch kämpfte gegen Alzheimer, Mary Midgley begann nach dem Großziehen ihrer drei Söhne erst im Alter von 59 Jahren mit dem Schreiben und verfasste bis zu ihrem 99. Lebensjahr über zweihundert Bücher. Mary Anne Evans, in der Literatur bekannt geworden unter dem Pseudonym George Eliot, übersetzte Spinozas Ethik aus dem Lateinischen und Mary Wollstonecrafts Tochter ist die berühmte Mary Shelley, die „Frankenstein“ schrieb. Die nigerianische Philosophin Sophie Bosede Oluwole (1935-2018) hatte sechs Kinder und zog mit ihrem Mann zunächst nach Moskau, Deutschland und in die USA, bevor sie ihr Studium beginnen konnte, um schließlich als erste nigerianische Frau einen Doktortitel an der Universität von Nigeria zu erlangen.
Die einzelnen Porträts sind klar und verständlich formuliert und richten sich an alle, die ihren Horizont erweitern möchten. Philosophie-Fortgeschrittene kommen auch auf ihre Kosten, da sich die einzelnen Beiträge gut anhand der angeführten Literaturempfehlungen vertiefen lassen. Bei manchen Philosophinnen sind diese allerdings nur auf Englisch verfügbar. Aufgrund seines vertretbaren Umfangs und der knalligen Aufmachung nimmt man dieses Buch sehr gern zur Hand. Aber bitte vorsichtig: Die Bindung bricht leicht. Es punktet als Nachschlagewerk oder lässt sich – häppchenweise – auch von vorn bis hinten durchschmökern, wobei die chronologische Gestaltung nach Geburtsdatum der jeweiligen Philosophin durchaus sinnvoll ist.
Mit Texten über:
Hypatia, Diotima, Ban Zhao, Mary Wollstonecraft, Lalla, Mary Astell, Harriet Taylor Mill, Mary Anne Evans (George Eliot), Edith Stein, Hannah Arendt, Simone de Beauvoir, Iris Murdoch, Mary Midgley, Elizabeth Anscombe, Mary Warnock, Sophie Bosede Oluwole, Angela Davis, Iris Marion Young, Anita L. Allen und Azizah Y. al-Hibri
Mit Beiträgen von:
Anita L. Allen, Minna Salami, Gulzaar Barn, Helen McCabe, Sandrine Bergès, Lisa Whiting, Eva Kit Wah Man, Désirée Lim, Kate Kirkpatrick, Jae Hetterley, Ilhan Dahir, Zoi Aliozi, Shalini Sinha, Simone Webb, Clare Carlisle, Rebecca Buxton, Fay Niker, Ellie Robson, Hannah Carnegy-Arbuthnott und Nima Dahir.
- Autor: Rebecca Buxton & Lisa Whiting (Hg.)
- Titel: Philosophinnen – von Hypatia bis Angela Davis: Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte
- Originaltitel: The Philosopher Queens
- Übersetzer: Roberta Schneider, Daniel Beskos & Nefeli Kavouras
- Verlag: Mairisch Verlag
- Erschienen: 8. März 2021
- Einband: Hardcover
- Seiten: 240
- ISBN: 978-3-948722-03-6
- Sonstige Informationen:
mit Lesebändchen, zweifarbiger Innenteil
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