Dolls (Film)


Dolls

Charles Band ist so eine Art Videotheken-Roger Corman der 80er, der über das Jahrzehnt hinaus fleißig Stoff fürs Heimkino produzierte. Manche seiner Filme wurden (mindestens) zu kleinen Kultklassikern (“Re-Animator”, “From Beyond”, die “Puppet Master”-Reihe u.a.), andere waren Fließbandware für einen schnellen Dollar wie “Robot Holocaust”, mit einem gewissen Norris Culf in der Hauptrolle, dessen beeindruckende Filmographie gerade einmal drei Werke aus den Jahren 1986/87 umfasst. Oder auch Titelperlen wie “Kannibalinnen im Avocado-Dschungel des Todes” und “Assault of the Killer Bimbos”.


Vergnüglicher Trash saß meistens drin (“Troll”). Was bei mehr als 300 produzierten Filmen, von denen Charles Band gut 60 selbst inszenierte, durchaus als Verdienst (nicht nur materieller Natur) zu werten ist.
Am bekanntesten von Bands Produktionsgesellschaften dürften Empire Pictures und Full Moon sein, unter deren Signet bevorzugt Horror-, Fantasy-, Science Fiction- und Actionfilme entstanden. Ein besonderes Augenmerk warf Band dabei auf Filme, in denen Spielzeug, speziell Puppen, für Grauen sorgte. Ob “Demonic Toys”, “Dollman”, die “DevilDolls” oder die mittlerweile dreizehnteilige “Puppet Master”-Serie, Charles Band und seine Regisseure ließen eine Vielzahl von winzigen, meist händisch bewegten, Fieslingen auf überforderte Opfer los.

Der von Stuart “Re-Animator” Gordon gedrehte “Dolls” ist das Urgebräu dieser Art des Horrors im ganz eigenen Phantasialand. Wobei die dämonischen Puppen hier nicht allen Beteiligten gegenüber mörderisch auftreten. Wer Kind ist, oder sich sein inneres Kind bewahrt hat, darf mit Milde und Zuneigung rechnen.
Die siebenjährige Judy ist mit ihrem lieblosen Vater und der bösen Stiefmutter Rosemary (Regisseurs-Gattin Carolyn Purdy Gordon voll im Cruella De Vil-Style) unterwegs in den Urlaub, als sie eine Panne und ein aufziehendes Unwetter in ein altes Herrenhaus am Wegesrand verschlägt. Dort werden sie vom mysteriösen Puppenmacher Gabriel Hartwicke und seiner Frau Hilary empfangen. Zwei ältere Herrschaften, deren Freundlichkeit von einer Aura des Unheimlichen umflort ist.

Wenig später stolpern noch der unbedarfte Ralph und die beiden Punk-Gören Isabel und Enid ins Gemäuer, das von oben bis unten mit Puppen vollgepfropft ist. Nachdem das Personal vollständig versammelt ist, beginnt die Nacht der lebenden Puppen. Judy bekommt ihren passenden Punch, und wer Arges im Sinn hat, wird von der bunten Spielzeugschar blutig abgestraft. Nicht jede/r Beteiligte reist am nächsten Morgen bei voller Gesundheit ab.

Wer bei “Dolls” angesichts des Namens Stuart Gordon Gore galore erwartet, dürfte sich enttäuscht sehen. Es gibt ein paar blutige, handverlesene Sequenzen, inklusiver kleiner Sam Peckinpah-Hommage (The wild Punk gegen eine Spielzeugarmee), aber das Grauen bleibt familientauglich. Wenig verwunderlich, dass sich Stuart Gordon und Drehbuchautor Ed Naha im Audiokommentar begeistert Bruno Bettelheim (“Kinder brauchen Märchen”) widmen.
“Dolls” ist ein Märchen für Jugendliche und Erwachsene, und wie dort üblich, wird Gewalt nicht ausgespart. Beginnt mit einer Fantasie Judys, die ihren, von Rosemary lieblos entsorgten, Bären überlebensgroß und blutig Rache nehmen lässt und reicht bis zum Aufstand im Marionettentheater. Besitzt eine Menge naiven Charmes. Wie auch die Darstellerleistungen von besonderem Gusto sind.

Ian Patrick Williams und Carolyn Purdy Gordon geben das böse Eltern-/Königspaar mit Wonne, Carrie Lorraine ist schlicht putzig als verhuschte, phantasievolle Judy Bowers. Stephen Lee tapst tollpatschig durch die Szenerie und sieht sich unfairen Vorwürfen ausgesetzt. Die beiden Punk-Girlies chargieren als gäbe es kein Morgen mehr. Was möglicherweise zutrifft. Isabel wird madonnamäßig gespielt von Bunty Bailey, die zur Popkultur-Heroine durch ihre Hauptrolle in a-has wegweisendem “Take On Me”-Video wurde.

Inszenatorisch macht Stuart Gordon eine Menge aus dem beschränkten Budget und erschafft atmosphärische Bilder und Stimmungen. Mimik und Aktivitäten der Puppen sorgen für milden Grusel, ein paar schmunzelige Gags lockern das nächtliche Gewusel auf. Etwas frühe Hollywood Grandezza stellt sich durch den sonoren Guy Rolfe (Gabriel) und die hexenhafte Hilary Johnson (unvergessen als blinde Seherin in “Nicolas Roegs “Wenn die Gondeln Trauer tragen”) ein.

Ergibt 77 Minuten vergnügliche, angesichts der CGI-losen Effekte (unter Mitwirkung John Carl Buechlers), nostalgisch angehauchte Unterhaltung, die man sich gerne auch ein zweites und drittes Mal mit Audiokommentar zu Gemüte führt. Der erste, von Stuart Gordon und Ed Naha, wechselt zwischen unterhaltsamem Geplauder und filmischen Hintergrundbetrachtungen, der zweite Kommentar, mit den etwas maulfaulen Schauspielern Purdy Gordon, Williams, Lee und Lorraine beschränkt sich größtenteils auf Anekdotenhaftes, bietet aber genügend Anreize zuzuhören.

Traurig stimmt, dass sowohl Regisseur Gordon wie Ralph-Darsteller Lee mittlerweile nicht mehr unter den Lebenden weilen. Stuart Gordon verstarb 2020, Stephen Lee bereits 2014.

Bild- und soundtechnisch weiß bereits die DVD zu gefallen. Die Farben sind klar, aber nicht hyperbrillant, und das Tongeschehen kommt ebenfalls sauber aus den Lautsprechern. Wobei natürlich umso mehr auffällt, dass der Soundtrack (leider nicht von Charles‘ Bruder Richard) von quietschigen 80er-Jahre-Synthies mit ziemlich schräppeligen Melodien geprägt ist. Fuzzbee Morse, der Name des Komponisten ist das Beste an der musikalischen Begleitung.

Fazit: Summa summarum eine lohnende Ausgrabung, die verflucht viel Spaß bereitet.
“Dolls” erscheint als Mediabook mit Blu-ray und DVD, zur Besprechung lag lediglich die DVD vor.

Cover + Fotos © Universal, Koch-Media

  • Titel: Dolls
  • Originaltitel: Dolls
  • Produktionsland und -jahr: USA, 1987
  • Genre:
    Horror, Märchen
  • Erschienen: 08.04.2021
  • Label: Koch Media
  • Spielzeit:
    78 Minuten auf 1 DVD
    77 Minuten auf 1 Blu-Ray
  • Darsteller:
    Ian Patrick Williams
    Carolyn Purdy Gordon
    Carrie Lorraine
    Guy Rolfe
    Hilary Mason
    Bunty Bailey
    Cassie Stuart as Enid
    Stephen Lee
  • Regie: Stuart Gordon
  • Drehbuch: Ed Naha
  • Kamera: Mac Ahlberg
  • Schnitt: Lee Percy
  • Musik:
    Fuzzbee Morse, Victor Spiegel
  • Extras:
    Trailer, Dokumentationen, Featurettes, Audiokommentare, Galerien Booklet
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    1,85:1
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB, Dolby Digital 2.0
    Untertitel:
    D
  • Technische Details (Blu-Ray)
    Video:
    1,85:1
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB, DTS-HD Master Audio 2.0
    Untertitel:
    D
  • FSK: 16
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite


    Wertung: 10/15 dpt


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