Camgirl
Bei Rezensionen zu Titeln ohne Jugendfreigabe bedarf es einer gewissen Vorsicht, um unsere jüngere Leserschaft vor expliziten Inhalten zu schützen. Während “Camgirl – Wahnsinnige Begierde” von der FSK eine Einstufung ab 18 Jahren erhalten hat, findet der Rezensent sowohl im TV als auch im Internet wohl ebenso einschlägig wie leicht zugänglich, vergleichbares Material. Dennoch der nochmalige Hinweis auf den FSK 18-Inhalt.
Jack (Peter Vack) lebt in einem winzigen und heruntergekommenen Apartment in Chinatown, New York City. Anstatt einer Anstellung nachzugehen, zockt er online Blackjack und Roulette mit mäßigem Erfolg. Die Wohnung verlässt er nur, um sich mit Instantnudeln einzudecken oder um sich in einem Massagesalon mit Happy End zu entspannen. Generell ist der gute Mann besessen von Befriedigung. Diese holt er sich ansonsten ebenfalls in den Weiten des Internets auf diversen BDSM-Camseiten. Eine Dame mit dunklen Haaren und noch dunklerem Latexanzug hat es Jack besonders angetan: Scarlet (Julia Fox). Er liebt es, wenn sie den Zigarettenrauch ausatmet und ihre Zigarette (virtuell) auf seiner Zunge ausdämpft. Mit dem Notebook auf einem Bücherstapel platziert, holt er sich nach Bezahlung mehrerer hundert Tokens einen herunter. Ja, das wird gezeigt und zwar durchaus aus der Nähe. Dies mag aber auch der Tatsache geschuldet sein, dass Autor und Regisseur Ben Hozie schon einige Erfahrungen als Dokumentarfilmer gesammelt hat.
Schnell wird klar, dass Jack süchtig ist: nach Zocken und Scarlett. Dies bringt ihn immer mehr Probleme ein. Einerseits weil er sein gesamtes Geld für besagte zwei Vergnügen ausgibt und andererseits die Delogierung bevorsteht. Gleichzeitig gibt er vor, ein erfolgreiches Tech-Start-up zu betreiben.
Als er eines Tages seine Angebetete im Laden ums Eck sieht, verschlimmert sich seine Sehnsucht nur. Dies gipfelt darin, dass er Geld eines Bekannten verspielt und in Scarlets Wohnung einsteigt.
Wenn man jetzt von mancher expliziten Darstellung des männlichen Geschlechtsteils absieht, gelingt dem Frontmann der Art Rockband Bodega, ein unglaublich authentisches Abbild von vermeintlicher Liebe. Sowohl Jack als auch Scarlett laufen einer bestimmten Vorstellung hinterher. Während der eine mit löchrigen Pullover auf der Suche nach Anerkennung in multiplen Formen aus ist, versucht die andere ihren Traum (respektive ihres Freundes) umzusetzen. Der Zweck heiligt quasi die Mittel.
Der Grat zwischen Vergnügen und Abhängigkeit ist ein sehr schmaler. Spiel- und Sexsucht sind weder eine Seltenheit noch rein auf spezifische Geschlechter begrenzt. Die Kamera ist immer ganz nah an den Schauspielern, um alle Emotionen detailliert einfangen zu können. Die Verzweiflung und die Sehnsucht von Jack sind regelrecht spürbar, während Scarlets laszives Spiel die Neugierde des Publikums weckt.
Ohne weitere Details der Handlung verraten zu wollen, ist auch eine Szene im späteren Verlauf des Films bemerkenswert: als die beiden Protagonisten schlussendlich doch ihre reale körperliche Nähe finden, bekommt Jack keinen hoch. Ein meist typisches Zeichen, dass die Fantasie und Distanz eher stimulieren als die Realität.
“Camgirl – Wahnsinnige Begierde” ist weniger ein Ausflug in die BDSM-Szene, sondern erzählt eine Geschichte von Außenseitern in der Großstadt, auf deren Suche nach Anerkennung, Glück und Befriedigung. Dabei ist der Film wohl näher an der Realität als man(n) es sich vielleicht eingestehen will.
- Titel: Camgirl – Wahnsinnige Begierde
- Originaltitel: Pvt Chat
- Produktionsland und -jahr: USA 2020
- Genre: Erotik
- Erschienen: 26.03.2021
- Label: Meteor Film
- Spielzeit: 86 Minuten auf 1 DVD
- Darsteller:
Peter Vack
Julia Fox
Atticus Cain - Regie: Ben Hozie
- Drehbuch: Ben Hozie
- Kamera: Ben Hozie
- Schnitt: Ben Hozie
- Musik: Austin Brown
- Technische Details (DVD)
Video: 2,0:1 (16:9)
Sprachen/Ton: DE, E
Untertitel: DE - FSK: 18
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 12/15 Taschentücher