Verbrecherjagd im Altenstift
Für Fans von historischen sowie Kriminalromanen ist Tessa Korber keine Unbekannte, sondern eine eifrige Vielschreiberin. Mit dem vorliegenden Roman „Noch einmal sterben vor dem Tod“ bereichert sie ihr umfangreiches Gesamtwerk durch einen ungewöhnlichen Plot, denn der Protagonist ist stolze 84 Jahre und lebt in einem Altenstift. Gut, die „Abendhain-Romane“ von Minna Lindgren spielen auch in einem Seniorenheim und der Held der „Agent 0070“-Reihe von Marlies Ferber, der Titel nimmt es vorweg, ist ebenfalls nicht mehr der Jüngste. Dennoch, wer es ausgefallen mag, ist hier richtig.
Mauritius Steinberger, noch nicht lange Witwer, zieht mit 84 Jahren in ein Nürnberger Altenstift, wo ihm sein zukünftiger Tagesablauf klar vor Augen steht. Spaziergänge, Zoobesuche und endlich mal ein paar Bücher lesen. Die Wochentage hierfür hat er schon festgelegt. So glaubt jedenfalls der Ex-Kommissar, der alle seine Fälle löste bis auf jenen Banküberfall, der sich vor langer Zeit im Jahr 1992 ereignete. Die Beute, über einer viertel Million, tauchte nie wieder auf. Doch weit schlimmer; auf der Flucht verursachte der Täter einen Autounfall bei dem ein kleiner Junge tödlich verletzt wurde. Der Bankräuber beging Fahrerflucht, konnte nie gefasst werden. Vielleicht auch, weil man Steinberger damals von dem Fall abzog und ihn beurlaubte. Viel zu verbissen sei er, habe die Distanz verloren, nähme den Fall persönlich und jage zudem einem Phantom hinterher. Dabei wusste Steinberger, dass der gesuchte Bankräuber Peter Quent war oder besser gesagt sein musste. Allein, er konnte es nie beweisen. Jetzt der Schock: Quent ist fast sein Zimmernachbar.
Ruhiger Plot, der dennoch treibt
Zunächst wird Steinberger mit den Angeboten im Altenstift konfrontiert. Kreativkurse, Bridge, Konzerte und vieles mehr. Dazu einige teils schrullige Alte, die den Ermittler im Ruhestand noch herausfordern werden. Unter den Heimbewohnern ist die allgegenwärtige Frau Sörgel, die überall Leichen sieht. Allein Steinberger glaubt ihr zumindest ein bisschen, bietet sich doch vielleicht die Gelegenheit, seinem Widersacher Quent ein aktuelles Verbrechen anzulasten. Auch Isolde Hohoff lebt in dem Stift, die ehemalige Ärztin von Steinberges Frau Brigitte, die vor einigen Monaten an Krebs verstarb und in der Beziehung zwischen ihm und Quendt eine nicht unerhebliche Rolle spielt.
Vom üblichen Tagesablauf abgesehen, passiert im Altenstift schon noch einiges, zumal auch einige Beschäftigte ihre Geheimnisse haben. Ein alter Mann springt von seinem Balkon, eine alte Frau stirbt in ihrem Zimmer. Selbstmord und Herzversagen oder weitere Morde von Quendt? Auch einige Diebstähle sorgen für Steinbergers Aufmerksamkeit. Vielleicht kann man Quendt ja wenigstens dafür belangen. Steinberger ist ein unsympathischer Protagonist, so dass man geneigt ist, vielleicht doch eher seinem Gegner die Daumen zu drücken. Steinberger ist ein Spießer, ein reaktionär denkender Kleingeist, der vor allem sich selber sieht. Obsessiv von der Jagd nach Quendt gefangen, legt er sich sein Weltbild zurecht. Selbst gut gemeinte Hinweise von Frau Hohoff, zu der er sich durchaus hingezogen fühlt, ändern an seiner Einstellung nichts. Völlig besessen klammert er sich an jeden noch so dünnen Strohhalm und verstärkt damit ungewollt die aufkommende Unruhe im Altenstift. Dass dies auf Dauer nicht folgenlos bleibt versteht sich von selbst. Wer es gerne ruhig und blutarm im Krimi angehen lässt, der wird sich mit der leicht, aber konsequent anschwellenden Spannungskurve gewiss anfreunden.
- Autor: Tessa Korber
- Titel: Noch einmal sterben vor dem Tod
- Verlag: ars vivendi
- Umfang: 280 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Oktober 2020
- ISBN: 978-3-7472-0184-8
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 11/15 dpt