Leonhard Michael Seidl – Schwarzer Regen Rotes Blut (Buch)


Der Krieg ist vorbei, das Morden bleibt

Schwarzer Regen Rotes Blut
© Gmeiner

Mai 1945. Der Krieg ist vorbei, die Folgen noch unübersehbar. Hunger ist weit verbreitet, erste Heimkehrer kommen in ihre Dörfer zurück. So auch nach Schachtenstein, ein kleines Dorf mit gut dreihundert Einwohnern, in der Nähe von Zwiesel. Drei ehemalige Soldaten einer Sturmbrigade kehren heim und sprechen im Gasthaus Pfanzelt stark dem Alkohol zu. Es kommt zu einem Streit mit Elise, Bedienung und Frau des Jungwirts, der, als er ihr zur Hilfe eilen will, von einem der Soldaten erschossen wird. Daraufhin eskaliert die Situation, es gibt weitere Tote.

Kommissär Leo Klemm aus München soll den Fall aufklären. Alt- und Jungwirt sowie Elise und einer der Soldaten sind tot. Der Mörder der Pfanzelts, Michael Dorn, und der dritte Soldat sind auf der Flucht. An der Täterschaft von Dorn gibt es keine Zweifel, denn Josef Schnaitz, der Küchengehilfe, sah alles mit an. Doch die Suche nach dem Mörder gestaltet sich schwierig. Die angrenzenden Wälder sind weitläufig, Klemm ist allein. Verstärkung kommt in Person der jungen, ausgebildeten Krankenschwester Maria Blaubacher aus Passau. Diese ist bitter nötig, denn die Dorfgemeinschaft ist ebenso verschworen wie verschwiegen. Man regelt seine Probleme selber. Dann werden die Kinder der Dorns ermordet und die Lage droht vollends zu eskalieren. Die Amerikaner haben jedenfalls genug und schicken mit Captain Henry Malic ihren eigenen Mann. Dieser hasst die Deutschen, muss aber schnell erkennen, dass er ohne Klemm nicht weiterkommt.

Leben und sterben in einer kleinen Dorfgemeinschaft

Leonhard Michael Seidl beginnt seinen Kriminalroman am 13. Mai 1945, wenige Tage nach der deutschen Kapitulation. Das (fiktive) Schachtenstein ist in der Nähe der bekannten „Glasstadt“ Zwiesel angesiedelt, wo der Quellfluss Schwarzer Regen seinen Ursprung findet; soweit zum ersten Teil des ungewöhnlichen Buchtitels.

Klemm wusste genau, was die Leute über ihn redeten. Wahrscheinlich hatte der einarmige Polizist irgendetwas verbrochen, dass man ihn nach Schachtenstein abgeschoben hatte. Wer wusste schon, was der Mann auf dem Kerbholz hatte? Keiner kannte ihn. Kam ins Dorf geschneit und wollte den Fall lösen. Aber das Dorf brauchte keinen abgehalfterten Krüppel von der Polizei. Das packten sie selbst.

Es kommt wie es kommen muss. Egal ob Pfarrer, Bürgermeister, Rosshändler, Gastwirt oder Kramer, sie alle haben ihre Päckchen aus dem Krieg zu tragen und hüllen sich in Schweigen. Der Kramer trat Ende 1944 aus der Partei aus, der Rosshändler war Ortsgruppenführer und bis vor kurzem Bürgermeister, nachdem er dafür sorgte, dass sein Vorgänger in ein Konzentrationslager kam. Doch Nazis, nein, die gibt es in Schachtenstein nicht.

„Wenn wir schon dabei sind: politische Einstellung?“ „Zum ersten April 1935 Eintritt in die NSDAP, was sich im Nachhinein als Aprilscherz herausgestellt hat. Ab Ende 1944 hab ich mich von der Nazipolitik entfernt, sozusagen, und bin kein Nazi nicht mehr.“ „In ganz Schachtenstein scheint es keinen einzigen Nazi mehr zu geben.“ „Ist aber so, Herr Kommissär. Da können Sie jeden fragen.“

Das teils widerwillige Zusammenleben der kleinen Dorfgemeinschaft in Kombination mit den Folgen des Krieges, ist in dem Roman gut eingefangen. Der Krieg hat nicht nur Menschenleben gekostet, sondern zur Verrohung vieler Überlebender geführt. Obwohl streng verboten, haben noch immer einige Dörfler Schusswaffen. Das weitere Tote folgen ist somit nicht überraschend, denn Klemm kann nicht viel ausrichten, zumal er als deutscher Polizist keine Waffen tragen darf. Zudem fehlt ihm die linke Hand, was sich im Nahkampf mitunter rächt.

„Prima“, sagte Klemm leise. Der amerikanische Geheimdienst in Schachtenstein. Da werden sich die Leut aber freuen! Eine Horde uniformierter Farbiger im Dorf, die den Dreck der vergangenen Jahre aufwühlen und als Morgengabe ein paar Mörder kaltmachen – im Vorübergehen. Wäre es nicht so traurig, man könnte brüllen vor Lachen.

„Schwarzer Regen Rotes Blut“ ist ein düsterer Krimi. Nicht zuletzt der Protagonist leidet unter dem Krieg und unter seinen eigenen Taten, zudem ist er in der Folge jener Ereignisse abhängig von der Droge Pervitin, der berühmten Panzerschokolade. Der (späte) Auftritt des amerikanischen Captains drückt ebenfalls auf die Stimmung, da dieser die Deutschen verabscheut. Deutlich stehen ihm die Bilder von den Gräueltaten der Nazis vor Augen. Lediglich zwei junge Frauen sorgen für positive Lichtblicke in diesen dunklen Tagen, in denen ein bekannter Mörder auf der Flucht ist und ein unbekannter Mörder weiterhin zuschlägt.

  • Autor: Leonhard Michael Seidl
  • Titel: Schwarzer Regen Rotes Blut
  • Verlag: Gmeiner
  • Umfang: 314 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Februar 2021
  • ISBN: 978-3-8392-2857-9
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite 

Wertung12/15 dpt      


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