Eingeschneites Dorf, von der Außenwelt isoliert
Alois „Kauz“ Walpen ist bis Ende des Jahres von der Arbeit als Kriminalpolizist freigestellt, nachdem er von seiner Vorgesetzten beurlaubt wurde. Diese ist selbst inzwischen Vergangenheit und ihr Nachfolger bei der Züricher Kripo bittet Kauz um dessen Rückkehr. Trotz seiner bereits 57 Jahre ist Kauz aber auch bei der Walliser Kripo längst ein Begriff, hier buhlt man ebenfalls um seine Dienste. Die Entscheidung muss warten, jetzt ist Kauz erstmal im Goms, wo er vor allem eins machen möchte: Skilanglaufen.
Kaum am Ferienort angekommen wird die Skilehrerin Fabienne Bacher vermisst. Eher durch Zufall findet Kauz auf seiner Kamera eine Landschaftsaufnahme, die zwei Menschen – undeutlich im Hintergrund – beim Betreten einer Brücke zeigt. Ein weiteres Bild, Minuten später aufgenommen, zeigt nur eine der beiden Personen beim Verlassen der Brücke. Kauz begibt sich zu der Stelle und findet die Leiche der vermissten Fabienne. Kriminalinspektor Alain Gsponer und Polizistin Ria Ritz nehmen die Ermittlungen auf und finden nur fünf Tage später die nächste Leiche. Eine weitere Frau, deren Verletzungen jener von Fabienne auffällig stark ähneln. Treibt ein Frauenmörder im Goms sein Unwesen?
Zweiter Fall für Kauz
Nach „Gommer Sommer“ ermittelt der Kriminalpolizist a. D. in seinem zweiten Fall „Gommer Winter“. Er trifft auf eine Skischule, deren Instruktoren genannte Lehrer, einige Umweltaktivisten und einen Walliser Grossrat, der nicht nur nach bestem Gewissen ein fragwürdiges Großprojekt durchziehen will. Zudem gibt es ein Wiedersehen mit den zuständigen Polizisten, die Kauz sehr offen von ihren Ermittlungen berichten. Der Krimiplot ist ansprechend, versteckt sich allerdings recht häufig hinter der Landschaft und anderen Hauptakteuren.
Die Kapitel des rund fünfhundert Seiten langen Romans sind nach den Kalendertagen des Dezembers benannt und so gibt es jeden Morgen, aber auch zu allen anderen Tageszeiten, die Gommer Landschaft zu bewundern. Blicke auf die herrliche Bergwelt, die frisch gespurten Langlaufloipen und dazu noch Kauz‘ Hund Max, der natürlich seinerseits Bedürfnisse hat. Damit wären denn die eigentlichen Stars des Romans genannt, denn „Gommer Winter“ eignet sich besonders für jene Krimifans, die es gerne behaglich haben. Ausführliche und sich teils wiederholende Landschaftsbeschreibungen sowie zahlreiche Alltagsbanalitäten, der Hund will Gassi gehen, spielen und gefüttert werden, sorgen – je nach Sichtweise – für atmosphärische Dichte oder erhebliche Längen in der Handlung. Wer packende, temporeiche Krimikost sucht, ist hier jedenfalls falsch.
In Güggäls Gommertitsch klang das so: „Wenn de nu mee va dem hüärä Schiissdräck ämbrichä chunnt, bringä mär der värdammt Mischt gar nimme äwäg!
Die Ermittlungen der Polizei laufen teils im Hintergrund, Kauz selber versucht derweil durch gezieltes Befragen seine Neugier zu befriedigen. Beim umfangreichen doorffä, dem Plaudern der Einheimischen, erfährt er so manches. Selbst als Üsserschwiizer, wie die Walliser alle deutschsprechenden Schweizer nennen, die nicht aus ihrem Kanton stammen. Der Dialekt der Einheimischen trägt sehr sympathisch zur Atmosphäre bei, wobei der Autor nicht selten eine „Übersetzung“ gleich mitliefert.
Krimifans, die einen ruhigen Erzählstil bevorzugen, kommen hier auf ihre Kosten. Wer sich zudem für verschneite Winterlandschaften begeistert und für Wintersport, idealerweise Skilanglauf, oder die Schweiz interessiert, darf ebenfalls zugreifen. Das auf dem Buchrücken angekündigte „eingeschneite Dorf“ erlebt man allerdings erst im letzten Drittel. Wenig überraschend sind dann die ermittelnden Polizisten „draußen“ und nur Kauz mittendrin. So soll es sein, denn Kauz ist ein angenehmer Charakter.
Buchcover © Kampa Verlag
Wertung: 11/15 dpt
- Autor: Kaspar Wolfensberger
- Titel: Gommer Winter
- Verlag: Kampa
- Umfang: 490 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: November 2020
- ISBN: 978-3-311-12036-0