Es war im Jänner diesen Jahres, einer Zeit in der die Lichtspielhäuser noch geöffnet waren und packende Filme veröffentlicht wurden, die man entweder gleich zweimal sehen musste oder vergass, die gekauften Nachos zu essen. Beides geschehen bei “1917”.
Eins vorweg: Ich bin kein Fan von Kriegsfilmen. Das hat seine Gründe, welche ich hier nicht erläutern will. Von daher haben es diese Art von Filmen immer schwer mich zu überzeugen. Sam Mendes, unter anderem bekannt durch die beiden Bond-Filme “Skyfall” und “Spectre”, gelang das jedoch durchwegs.
Der erste Weltkrieg
Bis dato gab es eher weniger Filme über den ersten Weltkrieg. Die Nazis und deren Gräueltaten boten hollywoodtechnisch einfach bessere Aufhänger. Der erste Weltkrieg wütete von 1914-1918 hauptsächlich in Kontinentaleuropa und mit weiteren Verlauf unter anderem auch in Afrika und dem Nahen Osten. An manchen Fronten handelte es sich um einen jahrelangen, zermürbenden Stellungskrieg. So auch im vorliegenden Film, dem der Regisseur seinen Großvater widmete, der als Lance Corporal der britischen Armee im Einsatz war.
So werden also nun zwei junge Soldaten am 6. April 1917 losgeschickt um das II. Bataillon der Briten zu warnen. Die Deutschen planen einen Hinterhalt und 1.600 Leben stehen auf dem Spiel, unter anderem jenes des Bruders von Lance Corporal Tom Blake (Dean-Charles Chapman). Somit wird man gleich emotional darauf eingestimmt, dass hier persönliche Schicksale im Vordergrund stehen. Nachdem nun Blake und sein Kompagnon William Schofield (George MacKay) den Befehl erhalten haben, beginnt auch schon die wahnwitzige Mission. Nur zu zweit, kilometerweit durch feindliches Gebiet, gleicht dieser Auftrag einem Selbstmordkommando. Dieses Gefühl wird gerade durch die sensationelle Kameraführung von Roger Deakins erzeugt. Während Regisseur Sam Mendes zu Beginn von “James Bond: Spectre” schon einen One-Shot vorzeigte (bzw. vortäuschte), also eine ungeschnittene einzelne Kamerafahrt, wird dies bei “1917” 110 Minuten lang durchgezogen. Natürlich wurde der Film nicht mit einer einzigen Kamerafahrt gedreht, doch die Schnitte sind einerseits unmerkbar und andererseits bewusst gesetzt um die Handlung voranzutreiben.
Die Kamera klebt förmlich an den beiden Soldaten und als Zuseher ist man hautnah dabei, wenn durch schlammige und metertiefe Krater gerobbt wird, Tierkadaver den Weg ebnen oder verlassene Stellungen durchquert werden. Der Unterschied zwischen britische und deutsche Schützengräben ist übrigens durchaus sehenswert.
Teilweise bekommt man das Gefühl Gast eines Computerspiels zu sein, wenn minutenlanges Schweigen der Protagonisten herrscht und nur die eindringliche und dennoch passende Musik das Geschehen begleitet. Ein verlassener Schlafsaal der Deutschen wird untersucht – plötzlich eine Explosion! Ein völlig zerstörter Bauernhof liegt am Weg, kurze Erfrischung und auf einmal stürzt ein deutsches Flugzeug ab. Hier wird vor allem die Zerrissenheit und Verzweiflung von Blake und Schofield deutlich. Der feindliche Pilot hat überlebt, was macht man nun mit ihm? Helfen oder doch Töten? Die Entscheidung wird vom Deutschen abgenommen und aus dem Zweispieler- wird ein Single Player Event.
Schofield will seinen Auftrag alleine fortsetzen und muss noch weitere brenzlige Situationen überstehen, bis er schließlich Colonel Mackenzie erreicht.
Mittendrin statt nur dabei
Gerade die gewählte Kameraführung, der perfekt abgemischte Ton und die gezeigten Szenen vermitteln ein unglaubliches, bisher einzigartiges Gefühl des “Mittendrin”-Seins. Nicht, dass dies jetzt unbedingt ein großer Wunsch meinerseits war, aber die Verzweiflung der Soldaten ebenso die Kaltblütigkeit und Hass eben dieser, gepaart mit der technischen Entwicklung zu dieser Zeit, erzeugt ein beklemmendes und bedrückendes Gefühl im dunklen Kinosaal. Jeder Kugeleinschlag, jeder Schrei hallt nach. So wie der Film an sich.
Zu Recht wurde er mit zwei Golden Globes (Beste Regie, Bestes Drama) und drei Academy Awards, also Oscars, für Beste Kamera, Besten Ton, und Beste visuelle Effekte ausgezeichnet.
Fazit:
Hautnah und mitreißend zeigt “1917” die Gräuel des ersten Weltkrieges in einer beeindruckenden Inszenierung.
- Titel: 1917
- Originaltitel: 1917
- Produktionsland und -jahr: USA, Großbritannien 2019
- Genre: Kriegsfilm, Drama
- Erschienen: 16.01.2020
- Label: Universal Pictures
- Spielzeit: 110 Minuten im Kino
- Darsteller:
Dean-Charles Chapman
George MacKay
Benedict Cumberbatch - Regie: Sam Mendes
- Drehbuch: Sam Mendes, Krysty Wilson-Cairns
- Kamera: Roger Deakins
- Schnitt: Lee Smith
- Musik: Thomas Newman
- FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 14/15 dpt
Bilder © Universal
Schöne Rezension! Finde bei Filmen mit einem Technischen “Kniff” ist es immer ein Problem wenn dieser um seiner selbst willen genutzt wird. Bei 1917 ist das aber nicht so. Durch die kaum vorhandenen Schnitte und die Kameraführung ist man eben noch näher dabei. Guter Film!