Story:
Der seltsame Todesfall eines Mannes, der am Rande des Weinguts Stracker nahe der Mosel gefunden wird, ruft Tobi Winter von der Abteilung für komplexe und diffuse Angelegenheiten des BKA auf den Plan. Statt Urlaub darf er die Ermittlungen aufnehmen und bekommt dafür die junge Beamtin Vanessa Sommer an die Seite gestellt. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach den Hintergründen des Falles und bekommen es nicht nur mit den hiesigen Flussgöttinnen zu tun, immer wieder scheint das Weingut Stracker Dreh- und Angelpunkt der Ereignisse zu sein. Doch es dauert bis es ihnen gelingt, die Hinweise zu einem logischen Puzzle zusammen zu setzen und den Mörder ausfindig zu machen …
Eigene Meinung:
Mit dem Kurzroman „Der Oktobermann“ legt Ben Aaronovitch den ersten Teil deiner Jahreszeiten-Kurzromane vor, die er als eigenständigen Spin-Off seiner „Flüsse von London“-Reihe plant – wo die übrigen Romane spielen, ist noch nicht bekannt. Das Buch umfasst 200 Seiten und ist in sich abgeschlossen.
Die Geschichte spielt erstmals in Deutschland und entführt die Leser in die Moselgegend, genauer gesagt nach Trier, aber auch nach Wiesbaden und Mainz. Hauptfigur ist Tobi Winter, der als deutsches Pendant zu Peter Grant angesehen werden kann, jedoch weniger selbstironisch daherkommt. Stattdessen wirkt er steifer und verschlossener, was in Ordnung ist, da er ansonsten wie eine Kopie des Originals gewirkt hätte. Die Geschichte ist spannend und wartet mit einigen Wendungen auf, allerdings wirkt sie auch ein wenig chaotisch. Zum Ende hin werden zwar alle Fragen beantwortet und auch die offenen Enden fügen sich zu einem Gesamtbild zusammen, jedoch wirkten die Ermittlungen des Duos Winter/Sommer ein wenig chaotisch. Zudem ist das Finale denkbar schnell vorbei, man fühlt sich fast um den Showdown betrogen. Dem Buch hätten zudem ein paar zusätzliche Seiten gut getan, um einige Aspekte zu vertiefen und zusätzliche Spannung aufzubauen. So passiert zwar eine Menge, doch eine wirkliche Spannungskurve fehlt leider.
Nichtsdestotrotz liest man „Der Oktobermann“ sehr schnell und ist zumeist nah bei den Figuren. Schön ist auch, dass man mehr über die Vergangenheit der Praktizierenden in Deutschland erfährt und welche Auswirkungen das Dritte Reich auf magische Wesen und Ortsgeister hatte. Dies macht das Buch durchaus lesenswert, besonders wenn man die Original-Reihe kennt.
Tobi Winter ist ein sympathische, wenngleich ein wenig blasser Held – was angesichts der Tatsache, das Peter Grant 7 Bücher á 400 Seiten hatte, um sich zu entwickeln, nicht verwunderlich ist. So kann man bei 200 Seiten keinen Tiefgang erwarten, ebenso keine nennenswerte Charakterentwicklung. Stattdessen bekommt man einen Einblick in das Leben des einzigen deutschen Magie-Lehrlings und seiner Arbeit bei der Abteilung für komplexe und diffuse Angelegenheiten. Seine neue Kollegin Vanessa Sommer ist auch gut in Szene gesetzt, mitunter reagiert sie aber auf die übernatürlichen Ereignisse zu gelassen. Nichtsdestotrotz kann man sie sich dauerhaft an Tobi Winters Seite vorstellen, da sie ihn gut ergänzt.
Stilistisch gibt es wenig zu bemängeln – Ben Aaronovitch hat einen sehr angenehmen, sicheren Schreibstil, der sehr gut zur Geschichte und den Figuren passt. „Der Oktobermann“ ist nicht so spritzig und humorvoll, wie die Bücher um Peter Grant, dennoch hat man Spaß an der Geschichte – gerade wenn man aus der Gegend kommt und die Beschreibungen der Örtlichkeiten noch besser nachvollziehen kann. Wie auch die Original-Reihe ist der Spin-Off aus der Ich-Perspektive geschrieben – dieses Mal aus Sicht von Tobi Winter. Da dieser etwas steifer daher kommt, ist der Kurzroman nicht ganz so spritzig wie die übrigen „Flüsse von London“ Bücher. Positiv ist jedoch, dass es bei „Der Oktobermann“ keine endlosen Beschreibungen (gerade bei Actionszenen) gibt, was den Lesefluss spürbar verbessert.
Fazit:
„Der Oktobermann“ ist ein gelungener Kurzroman und Spin-Off der „Flüsse von London“-Reihe und macht gerade Lesern Spaß, die aus der Gegend kommen, die im Roman eine Rolle spielt. Die Figuren wirken zwar etwas blasser und nicht ganz so spritzig wie ihre Londoner Kollegen und auch die Handlung wirkt manchmal etwas verworren, doch insgesamt macht „Der Oktobermann“ Spaß und fügt sich gut in die Reihe ein. Wer die Originalbücher um Peter Grant mochte, dem wird auch die neue Spin-Off Reihe gefallen. Bleibt zu hoffen, dass die weiteren Bände ähnlich unterhaltsam sind und es vielleicht ein Wiedersehen mit Tobi Winter und Vanessa Sommer gibt. Reinschauen.
Cover © dtv
- Autor: Ben Aaronovitch
- Titel: Der Oktobermann
- Originaltitel: The October Man: A Rivers of London Novella
- Übersetzer: Christine Blum
- Verlag: dtv
- Erschienen: 09/2019
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 208
- ISBN: 978-3-423-21805-4
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Wertung: 11/15 dpt
Deine Einschätzung teile ich. Ein netter Roman von Benn Aaronovitch, als kurze Einführung in die magisch imprägnierte Welt der “Flüsse von London” gut geeignet.
Allerdings kenne ich mich als Weinfan mit den Gegebenheiten an der Mosel aus und musste leider festellen, dass B. Aaronovitch ein echtes Skrileg beging. Den Weinort “Ehrang” gibt es überhaupt nicht – namentlich schon, aber nicht mit Weinbergen und Winzern. War es doch sonst das Markenkzeichen des Autors, dass er die berühmten Ecken Londons zu magischem Leben erweckt hat, macht er bei der Handlung in Deutschland solch einen Fopa … Im Nachwort entschuldigt er sich zwar lapidar mit dichterischer Freiheit, aber meine Erwartungen, einen lebensnahmen Lokalkrimi mit fantastischen Elementen serviert zu bekommen, hat er damit enttäuscht.
Schon schade, oder?