Auch, wenn in den “Bloß nicht”-Reisetipps der Süddeutschen Zeitung über New York immer noch zu lesen ist: “Bloß nicht nach Einbruch der Dunkelheit in Parks oder auf unbelebten Straßen spazierengehen”, sind die Zeiten, in denen vehement davor gewarnt wurde, nachts den Central Park zu betreten, seit etlichen Jahren nahezu passé. Die Kriminalitätsrate ist rückläufig, der Park gilt als Allgemeingut und scheint weitgehend eine Komfortzone zu sein. Es gibt vereinzelt Radfahrer, Jogger, Obdachlose und Grenzgänger jedweder Art. Für Touristen werden Kutschfahrten angeboten, quasi als nächtliche Ausritte durch eine fast menschenleere Geisterbahn, die ihren Nimbus hauptsächlich aus der bewegten Vergangenheit bezieht, kaum noch aus der Gegenwart.
Außerdem ist der Central Park ein beliebter Treffpunkt für Teenager. Zum Chillen, Party feiern, Diskutieren oder Sex, Drogen und Alkohol zu frönen. So ähnlich haben dies auch Harold “H” Smith und seine fünf Schulfreunde Leyla, Mikey, Sessa, Felix und Donna geplant. Ein bisschen Plaudern, Zudröhnen und Kuscheln am heimeligen Lagerfeuer. Sie hätten allerdings besser die alten, mörderischen Zeiten gepriesen und den Park gemieden. Denn ein unheimlicher Killer – soweit ein Umweltsünder unheimlich ist, der seinen Kopf mit Metern von Zellophanfolie umwickelt. Er hält definitiv nichts von The Hollies und “The Air That I Breathe” – macht das Areal unsicher. Folienman hat es augenscheinlich auf Harold und seine Kolleg*innen abgesehen. Ob der legendäre Parkstreuner Hal – in den Untertiteln gerne auch “Hell” genannt – Freund oder Feind ist, wird sich zum Finale noch herausstellen.
Wie die knappe Inhaltsangabe erahnen lässt, handelt es sich bei “Central Park – Massaker in New York” um einen Slasher. Der ganz eigentümlichen Art. Dass die Einführung der Protagonisten eine gute halbe Stunde dauert, gehört zum Genre-Standard. Die weitgehend unbekannten Schauspieler*innen , ergreifen ihre Chance nicht, um zu beeindrucken (wie der Cast von “It Follows”. In David Robert Mitchells nachfolgenden Film “Under The Silver Lake” war Leyla-Darstellerin Grace van Patten immerhin das ansehnliche Balloon-Girl), sondern nerven, von Regisseur und Drehbuchautor Justin Reinsilber im Stich gelassen, durch gnadenloses Chargieren. Die Schauspieler bekommen kaum die Chance nachvollziehbar zu interagieren, da die Dialoge selten mehr als merkwürdig zusammenhanglose Rezitationen sind. Justiin A. Davis als Harold kommt dabei noch am besten weg.
Ein Komplettausfall ist zudem die “Chicago PD”-Veteranin Marina Squerciati, die man anscheinend in den Film gesteckt hat, um einen Weltrekord in Gesichtsakrobatik aufzustellen. Obwohl ihre Augenbrauen ein beeindruckendes Eigenleben entwickeln, geht der Preis trotzdem immer noch an Nicolas Cage. Den Film dazu dürft ihre Euch aussuchen.
“Central Park – Massaker in New York” kommt als Metzelfilm mit Anspruch daher und versagt auf beiden Ebenen. Harolds Vater hat zahlreiche Anleger um ihre Anteile betrogen und wird New Yorks meistgehasster Mann und ist Tagesgespräch. Selbst Bedürftige, Freunde und bedürftige Freunde hat er ausgenommen. Das belastet Harold zwar, doch eine mäßige Party abzusagen kommt nicht in Frage. Warum in sich gehen, wenn man sich mit gleichgesinnten Dumpfbacken zudröhnen kann? Selbst Mikey, der staatlich subventionierte Underdog mit Hochbegabung, gliedert sich angesichts permanenter Gehirnerweichung, in die wenig illustre Riege ein.
Dass der Killer zu den Leidtragenden der Machenschaften von Senior gehört, dürfte für jemand, der mehr als zwei Filme in seinem Leben gesehen hat, kein Rätsel sein. Um es aber auch für den betrunkenen Eremiten in der letzten Reihe klarzustellen, skandiert der Zellophankopf lauthals: “Ich bin das Opfer, ich bin das Opfer”, während er einen an den kriminellen Transaktionen völlig Unbeteiligten meuchelt. Als ob das unausgegorene Drehbuch eine besondere Betonung gebraucht hätte. Die vorgebliche Kritik an einem existenzvernichtenden Kapitalismus verpufft, da die Opferwahl des Rächers der Gebeutelten völlig willkürlich ist. Es trifft Stipendiaten, ambitionierte Lehrer und unbedarfte Gören, die einfach nur ein bisschen Spaß haben wollen. Der inhaltliche Anspruch entlarvt sich als hingenuschelte Phrase.
Auch bei der Erregung niederer Instinkte versagt “Central Park – Massaker in New York” völlig. Die meisten Morde finden Off Screen statt und werden zudem nicht großartig vorbereitet. Diesen Gestus, “es passiert, was passiert, weil es passiert”, kann man zwar anerkennend zur Kenntnis nehmen, weil er jeder Erwartungshaltung bezüglich Spannung und Dramaturgie zuwiderläuft, aber das subversive Element funktioniert nicht, weil die Figuren, denen es an den Kragen geht, wenig sympathische Knallchargen sind. Aufregung im Central Park sieht wie folgt aus:
“Er liegt dahinten mit eingeschlagenem Schädel!”
“Komm, das ist nicht lustig, Du weißt, ich habe Herzrhythmusstörungen!”
Nicht nur die, Sessa leidet ebenfalls an Asthma, weshalb das entsprechende Spray, selbst in bedrohlichsten Situationen, permanent im Einsatz ist. Gut, das ist tatsächlich witzig, wir haben sehr gelacht.
Lasst uns Schluss machen mit dieser Graupe von Film. Okay, nicht alles ist schlecht. Reinsilber gelingen ein paar stimmungsvolle und unverbrauchte New York-Bilder (meist Panoramen), der Musikeinsatz orientiert sich technisch akzeptabel an John Carpenters frühen Werken. Kann aber nicht mit den musikalisch ähnlichen – und filmisch weit überlegenen – “It Follows” und “Revenge” mithalten. Nicole Balsam als Officer Johnson verleiht dem Ausdruck “verdutzt aus der Wäsche schauen” eine ganz neue Dimension. Dagegen ist Method Acting eine Übung in Stoizismus. Nicht nur Balsam hebt den Absurditätsfaktor des Films, partiell wird eine eigene Meta-Ebene erreicht.
“Wieso regnet es auf einmal?”
“Frühling in New York.”
Der Dialog zweier Cops, die diesen Film völlig unpassend, aber auf surreale Art ulkig, zwischenzeitlich aufmischen. Die beiden warten nicht auf Godot, sondern suchen ihn im Central Park. “Hier oben ist er nicht!” Der Park ist knapp 350 Hektar groß. Das wird schon. Denn am Ende treffen sich alle, Tote wie Lebende.
“Schau nicht hin”, sagt der eine Cop und Ex der Lehrersfrau. Die den Plastiksack natürlich doch ansieht. Womit dieser Film in zwei Sätzen abgehandelt wäre.
Wer trotz dieser Warnung einen Blick auf den Film werfen möchte, sollte unbedingt die originale Tonspur wählen, die deutsche Synchronisation ist ziemlich verkorkst und voller Übersetzungsfehler (Donna besitzt kein Stipendium, deswegen kann es auch nicht wegfallen). Den eigentlich professionellen Sprechern scheint man mit auf den Weg gegeben zu haben, möglichst hysterisch herum zu lamentieren. Was diese folgsam respektieren.
Für die Trivia-Abteilung: Hal, der zottelige Freund gebratener Eichhörnchen, wird vom Regisseur des Films gespielt.
Cover & Szenenfotos © Pierrot Le Fou
- Titel: Central Park – Massaker in New York
- Originaltitel: Central Park
- Produktionsland und -jahr: USA 2017
- Genre: Horror, Slasher, Drama
- Erschienen: 18.04.2019
- Label: Pierrot Le Fou
- Spielzeit:
ca. 84 Minuten auf DVD
ca. 87 Minuten auf Blu-Ray - Darsteller:
Justiin A. Davis
Ruby Modine
Grace Van Patten
Malika Samuel
Guillermo Arribas
Marina Squerciati
Michael Lombardi
Charles Borland
Deema Aitken
David Valcin
Nicole Balsam - Regie:
Justin Reinsilber
- Drehbuch:
Justin Reinsilber
- Kamera:
Eun-ah Lee
Musik:
Andre Fratto
- Extras:
Trailer, Wendecover
- Technische Details (DVD)
Video: 2.35:1
Sprachen/Ton: Deutsch,Englisch, Dolby Digital 5.1
Untertitel: Deutsch - Technische Details (Blu-Ray)
Video: 2.35:1
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, DTS HD-Master Audio 5.1
Untertitel: Deutsch
- FSK: 18
- Sonstige Informationen:
Produktlink Blu-RayErwerbsmöglichkeiten
Wertung: 5/15 geröstete Eichhörnchen