Sei dir selbst der Partner, den du dir wünschst (Sachbuch/Ratgeber)


Und noch ein Liebesratgeber… „Sei dir selbst der Partner, den du dir wünschst“ will das natürlich nicht sein und ist tatsächlich mehr, nämlich eigentlich ein Persönlichkeits- und Lebensratgeber für die moderne Frau. Eine durchaus löbliche Idee, geht es Autorin Jessica Samuel doch darum, nüchtern mit Ideen und Mythen aufzuräumen und Frauen zur Entwicklung eines Selbstbewusstseins im positiven Sinne zu bewegen. Doch gleichsam reproduziert das Buch eingefahrene soziale Mechanismen unserer Zeit und wird selbst ungewollt Teil der dominierenden Erzählung unserer Zeit: Aus dem „Du“ im Titel wird ein „Ich“, nein, ein „Ich Ich Ich“!

„Na, was macht dein Liebesleben?“ Es besteht eine häufig auch unausgesprochene Erwartung, sich in eine Partnerschaft zu begeben, denn ansonsten macht sich Frau verdächtig. Das Konstrukt bohrt sich in das weibliche Wesen, bestimmt das Bewusstsein und hat Auswirkungen auf das Handeln und das eigene Aussehen, dabei bleibt das Idealbild einer Partnerschaft zumeist eine diffuse Idee. Dementsprechend ist „Wo bleibt mein Traummann?“ eigentlich die falsche Frage, doch nach Jessica Samuel darf sie trotzdem gestellt werden. Als „Coach, Kinesiologin und systemische Beraterin“ geht es ihr dabei vor allem darum, diese Idee realistischer zu umreißen und die Suche nach der Antwort auf die eigene weibliche Person zu verlagern.

Der potenzielle Partner ist nicht das Allheilmittel, der fehlende Teil zur Komplementierung der eigenen Persönlichkeit, vielmehr sollte er als Spiegel begriffen werden, in dem die aufgeklärte Frau Hinweise auf ihre eigene Entwicklung entdeckt. Dazu ist es aber nötig, sich vorab selbst am Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen und eine starke Persönlichkeit zu entwickeln, denn nur welche Frau weiß, was sie will, kann die richtigen Partner anziehen. Hier glaubt Samuel an die Kraft ihrer LeserInnen, dies – natürlich auch unterstützt von ihrem Buch – umzusetzen. Liebe und Partnerschaft ist demnach keine Medizin, sondern eine Ergänzung für eine starke Frau. Dahinter steckt ein durchaus wichtiges Anliegen, das die Stärkung der Frau vor den Gefahren „toxischer Beziehungen“ im Sinn hat.

Doch allzu schnell wird deutlich, dass Samuel trotz progressiver Ideen vor dem Hintergrund eines recht konservativen Rollenverständnisses berät. Für die Anbahnung einer Beziehung komme es in erster Linie auf die Attraktivität der Frau und dem Status des Mannes an. Nach Samuel kommt die Attraktivität neben der Äußerlichkeit dann zum Vorschein, wenn Frau sich wichtig nimmt, pflegt und selbstbewusst auftritt. Was darin enthalten sein könnte, ist das selbstbewusste Ausprobieren von Rollenbildern, die mit den konventionellen Vorstellungen brechen. Die Autorin verfällt dann aber wiederum in ein klischeebehaftetes Männerbild: Sie bräuchten „Freiraum“ und (subtile) „Bestätigung“ und gleichsam nicht „zu viel Nähe“, um sich verlieben zu können. Bloß keine Klette sein, das zeigt wiederum ein abgedroschenes Frauenbild, aber trotzdem müsse die Frau selbst auf anspruchsvolle Weise aktiv werden. Die Handlungen des Mannes bleiben im Buch außen vor, mit seinem Testosteron muss Frau umgehen und etwas hinterherlaufen, das eigentlich verändert gehört.

Verliebtsein, so die evolutionäre Sichtweise, sei nur ein Gefühl, damit die Sexualpartner zusammenbleiben, bis das Kind ausgetragen ist. Wie ein Paar dieses Gefühl ohne Kinder überbrücken oder nach der Geburt verlängern kann, daraus ergibt sich die Basis des Buches. Warum sich andere Formen von Partnerschaften mittlerweile als erfolgreich erwiesen haben, lässt Samuel dabei ebenso unbeantwortet wie die Frage, was gleichgeschlechtlich Liebende aneinander finden. Sicherlich ist die Beleuchtung der Beziehung zwischen Mann und Frau als Fokus gemeint, doch ohne explizite Nennung kann das Buch als Vertiefung von Rollenbildern wie auch als Vereinfachung von sozialen Zusammenhängen verstanden werden. Nicht jede Frau ist verzweifelt auf der Suche nach ihrem Traummann und nicht jeder Mann hechelt dem verkürzten Männlichkeitsideal hinterher. Gar gruselig wird es, wenn von einer Freundin Samuels die Rede ist, die sich der Analyse zufolge aufgrund ihres unzuverlässigen Vaters vornehmlich in unzuverlässige afrikanische Männer verliebt.

Mehr Zwischentöne hätte auch bei der Adressierung der Zielgruppe gutgetan. Als Coach und mit ihrem eigenen persönlichen Werdegang schwingt bei Samuel immer ein Ton der Behandlung mit und die Partnersuche bildet dabei einen wichtigen Schritt zur Heilung von Narben aus der Vergangenheit. So wird aus jeder Lesenden gleichsam eine Patientin, der ein krankhafter Mangel attestiert wird. Sicherlich hätten sie das Buch nicht gekauft, wenn sie nicht auch dieser Auffassung wären, allerdings gehen die Tipps zum Finden der eigenen Stärke nicht weit genug, um genau diese gedachte und pathologisierte Mangelerscheinung zu hinterfragen. Selbst in liebevollen Eltern wird eine Gefahr gewittert, denn diese könnten auch nur deswegen so gut zu ihren Kindern sein, weil sie sich selbst unglücklich und unvollkommen fühlen. Ob eine Partnerschaft immer die richtige Lösung auf alle Fragen ist, so weit traut sich Samuel dann doch nicht vor.

Vielleicht weil sich die Autorin zu sehr an ihre eigene Biografie klammert. In guter Regelmäßigkeit baut die Beraterin Beispiele aus ihrem eigenen Leben ein, was – so erklärt sie es selbst – der Lesenden ein Gefühl von Alltäglichkeit und Vertrauen, aber auch vom Erfolg der vorgestellten Methode vermitteln soll. Zuweilen wirkt es aber so, als würde die Beraterin ihren durchaus beachtlichen Lebensweg und ihre (Selbst-)Therapie noch einmal in einer Semi-Autobiografie Revue passieren lassen. Hier wäre es (auch für ihre nicht namentlich, aber doch genannten FreundInnen, Patientinnen und Partner) eleganter gewesen, wenn die durchaus persönlichen Fälle häufiger anonymisiert verallgemeinert worden wären. Vielleicht auch für sich selbst, denn dass sich Samuel selbst mal als „Zeichenmodell“ zur Verfügung gestellt hat, ist zwar Ausdruck eines mutigen Verhaltens, aber ob diese klischeehafte Metapher für „Alle Hemmungen fallenlassen“ den Leserinnen wirklich weiterhilft?

Andererseits passt diese Herangehensweise auch zur allgemeinen Ausrichtung des Ratgebers und Zielgruppe, die sich selbst in ihrer jeweiligen Person am wichtigsten ist. Samuel räumt zwar auf mit Klischees vom Traummann und warnt vor emotionaler Abhängigkeit durch selbstbestimmtes Handeln und Grenzen zugunsten eines starken Frauenbildes. Dennoch bleibt auch in modernen Zeiten der Partner wichtig, nur muss dieser mit der eigenen Selbstoptimierung konform gehen. Kompromisse gehören zwar dazu, aber aus der Gegenseitigkeit der Partnerschaft, die hier häufig auf schädliche Einseitigkeit reduziert wird, entsteht dann gerne mal ein egoistisches „Es passt im Moment“. Aus dem „Wir“ und dem „Du“ wird ein „Ich“, ja gar ein „Ich Ich Ich“, das der veränderten Marktlogik der Liebe Rechnung trägt.

Doch wo sind die Gegenbeispiele, die glücklichen Partnerschaften oder auch nur die Freundschaften, die mehr wiegen können als manch eine Beziehung? Auch Letztere werden reduziert und funktionalisiert, denn der Freundeskreis wäre vor allem dazu da, sich zugehörig zu füllen, doch deswegen wären sie meist nicht dazu in der Lage, ein ehrliches Feedback zu geben. Zwar solle man dem Mann nicht hinterherlaufen und er müsse die Frau auch nicht so lieben, wie sie ist, doch diese Stärkung greift nicht bis in die Emanzipation. Immer noch soll es der beste Mann sein, also der mit dem besten Genpool und dafür heißt es: Bloß keine Schwäche zeigen! Dass Männer wie Frauen aber auch überraschen und vor allem, dass sie sich eben doch gegenseitig stützen können, das wird hier nur am Rande deutlich. Jessica Samuel ist wahrscheinlich deswegen erfolgreich, eben weil sie sich in den gegebenen Verhältnissen auskennt und darin Menschen zur Erfüllung führt. Die innere Stärkung der Frau ist dabei ein erster wichtiger Schritt, doch für eine Veränderung durch die Vereinfachung der vorherrschenden komplexen Verhältnisse und eine Differenzierung von anerkannten Rollenbildern in Partnerschaften braucht es den Dialog mit dem Mann und das Ausprobieren von anderen Rollen. Andernfalls bleibt es beim Nachjagen einer vage Idee, die wenig mit realistischen Glückskonzepten zu tun hat.

Fazit: Jessica Samuel geht zwar der löblichen Idee nach, Partnerschaften nüchtern zu betrachten und daraus Handlungsempfehlungen zu ziehen, die auf die Stärkung der eigenen, individuellen Weiblichkeit abzielen. Partnerschaft wäre in diesem Sinne lediglich ein Spiegel für eine balancierte Persönlichkeit und daher ein Indikator für ein gelungenes Leben. Das mag vor dem Eingehen toxischer Beziehung schützen, doch die Beraterin bleibt in diesem Ratgeber bei der Betrachtung von konventionellen Rollen, weswegen diese Anleitung für das Finden und Konservieren von heterosexuellen Partnerschaften konservative Rollenbilder und Annahmen reproduziert sowie alternative Lebensentwürfe und Verständnisse von Partnerschaften größtenteils außen vor lässt. Hinzu kommt ein von der Autorin durch zahlreiche Beispiele (bei denen sie sich auch mal im Ton vergreift) vorgelebtes Selbstbewusstsein, das sich als Ausdruck eines Egoismus deuten lässt, der Partnerschaft in modernen Zeiten als das Aufeinanderprallen von starken Persönlichkeiten deutet. Doch erstens muss es erst einmal bis dahin kommen, die eigene Stärke ohne Partner zu finden und zweitens fehlt das Miteinander, in dem sich PartnerInnen durchaus gegenseitig stützen können. Doch dafür hätte es auch der differenzierten und tiefergehenden Betrachtung der anderen Seite und Seiten bedurft.

Cover © Goldmann

  • Autorin: Jessica Samuel
  • Titel: Sei dir selbst der Partner, den du dir wünschst
  • Verlag: Goldmann
  • Erschienen: 02/2019
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 285
  • ISBN: 978-3-442-22256-8
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

Wertung: 5/15 dpt


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