The Train (Spielfilm, Blu-ray)


Aus einer Zeit, als Filme noch mit ihrem Hauptdarsteller beworben wurden, stammt „The Train“. Getragen von Burt Lancaster versucht sich das Werk an der Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs und orientiert sich dabei an der Praxis der Nazis, systematisch Kunstwerke aus den von ihnen belagerten Ländern zu stehlen. „The Train“ ist eine Geschichte des Widerstands gegen den Identitätsverlust, aber auch eine intelligente Kritik an der Männlichkeit, die den Krieg bestimmt. Heute wirkt es befremdlich, dass die Deutschen und Franzosen auch von Amerikanern verkörpert werden, doch denkt man etwas länger über die Beweggründe und die heutige Situation nach, erscheint das gar nicht so wichtig zu sein. Und es wäre spannend zu sehen gewesen, wie der Film unter der Regie von Arthur Penn ausgesehen hätte, der von Lancaster auf unschöne Weise aus seinem eigenen Projekt gedrängt wurde, um aus „The Train“ einen Actionfilm machen zu können.

Dass es den Alliierten leichter fallen würde, den Zweiten Weltkrieg aufzuarbeiten, liegt auf der Hand. Ob nun aus Propaganda-Gründen oder zur Feier des Sieges der Freien Welt, die Sieger können auch sich selbst mit weniger Widerstand kritisch hinterfragen. „The Train“ wählt einen anderen Ansatz und kreiert aus dem Kriegsgeschehen Stoff für einen Action-Film mit Tiefgang. Als 1944 die Wehrmacht staatstragende Kunstwerke per Zug aus Frankreich zu stehlen versucht, bevor die Befreiung von Paris stattfinden sollte, sucht die Kuratorin eines Museums Anhänger des Französischen Widerstands auf. In der Zelle um Paul Labiche (Burt Lancaster) entbrennt eine Diskussion darüber, ob denn nicht andere Dinge Vorrang hätten, bevor man sich in die Gefahr begäbe, Kunstwerke zu retten.

Doch die Kuratorin weiß die Männer zu überzeugen: Diese Bilder seien ein zentraler Schlüssel zur Identität und dem Erbe Frankreichs, die nicht kampflos in den Besitz eines anderen Staates übergehen dürfe. Die Aufständischen stimmen schließlich dem Plan zu, die Abfahrt des Zugs um ein paar Minuten zu verzögern, bis Paris sicher ist. Labiche & co. ziehen weitere Mitarbeiter der Eisenbahn auf ihre Seite und versuchen den Zug mit allen Mitteln, die die kostbare Fracht intakt lässt, zu sabotieren. Aus den paar Minuten entwickelt sich ein tagelanges Katz- und Maus-Spiel zwischen Miss- und Vertrauen, in dessen Verlauf viele der Widerständler ihr Leben lassen müssen.

Die Idee zum Film geht auf Regisseur Arthur Penn zurück, der sich wiederum von Rose Vallands Buch „Le front de l’art“ inspirieren ließ. Tatsächlich hatten sich die Ereignisse 1944 in ähnlicher Weise zugetragen, nur musste der Stoff für einen Hollywood-Film aufgebauscht werden. Penn trug die Idee an Burt Lancaster heran, der einem Engagement zustimmte, in der Folge jedoch großen Einfluss auf die Produktion nahm. Dies ging so weit, dass Penn schließlich auf Drängen Lancasters gefeuert wurde, weil diesem ein weniger actionlastiger Film vorschwebte. In Anbetracht der Veröffentlichung von „Bonnie & Clyde“ als eines der Pionierwerke des „New Hollywood“-Kinos zwei Jahre später, steht zu vermuten, dass Penn einen weitaus progressiveren und kompromissloseren Film fotografieren wollte.

Den Regieposten übernahm John Frankenheimer, der sich seine Verpflichtung ordentlich was kosten ließ, dafür aber auch ein Drehbuch zugeschustert bekam, das aufgrund seiner Länge und der Mitarbeit zahlreicher Schreiber erst einmal gründlich überarbeitet werden musste. Hinzu kamen Produktionsprobleme, weil Fehlentscheidungen bei der Wahl der Drehorte in Frankreich getroffen wurden. Doch irgendwie brachten die Beteiligten das aufwändige Projekt dann doch auf die Schiene.

Es dürfte eine Qual für alle Zugliebhaber sein, zuhauf wunderschöne Exemplare in die Verschrottung fahren zu sehen, doch das macht den Film aus: Alle Stunts und Effekte sind handgemacht, was einem bei der Rasanz manch einer Weichenstellung tatsächlich in Schweiß ausbrechen lässt. Explosionen und Gewaltdarstellungen zeichnen ein authentisches Bild der Kriegssituation, die Actionlastigkeit hat aber auch noch einen tiefergehenden Grund. „The Train“ ist daran gelegen, die Gräuel, aber auch die Lust am Abenteuer als männliche Angelegenheit zu zeigen. Männer begeben sich in halsbrecherische Situationen und setzen ihr Leben aufs Spiel, nur um… ja, warum eigentlich? Um ihre eigenen Werte zu verteidigen? Um als Helden dazustehen? Um die Frauen zu beeindrucken? In „The Train“ benehmen sich Männer zumeist wie Kinder, widersetzen sich Befehlen von oben, agieren leichtsinnig, finden durch Glück zum Sieg und suchen impulsiv stetig nach innovativen Ideen.

Das geht natürlich zulasten der Frauen. Als Labiche gegen seinen Willen in einem Dorfhotel einquartiert wird, geht er stiften und zieht dabei die Besitzerin Christine (Jeanne Moreau) in seine ausweglose Situation. Noch bevor sie sich dafür oder dagegen entscheiden kann, ist sie längst in den Widerstand involviert. Christine steht exemplarisch für die Frauen dieser Zeit, die das Kriegstreiben ihrer Männer tragen mussten und sich fremdbestimmt fühlten. Diese wären sicher auch nicht auf die Idee gekommen, die Kunstwerke zu retten, die Idee kam von einer Frau. Als sich Labiche mit diesem Argument konfrontiert sieht, steht er da wie ein junger Bube, der bei einem Streich erwischt wurde. Denn Christine weiß sich gegen die Nazis zur Wehr zu setzen, auch wenn ihr Protest ein kleiner, stiller ist. Den Männern bleiben genug Momente, um glänzen zu können, in denen sie im allzu amerikanisch-patriotischen Sinne doch zu Helden und Märtyrern der westlichen Werte und der Solidarität untereinander werden, doch in “The Train” ist die subtile Erinnerung daran implementiert, auf welchen Schultern sie es nur werden konnten.

„The Train“ stellt aber auch noch andere unangenehme und wichtige Fragen. Er zeigt beispielsweise die Bürokratie des Kriegs, die manch einer guten Tat im Wege stand. Nun hat Colonel von Waldheim (Paul Scofield) wirklich keine guten Absichten, doch auch er sieht den unschätzbaren Wert der Kunstwerke und trickst, um den Vorrang anderer monetärer Aktivitäten zu umgehen. Am Ende stellt sich trotzdem die Frage, was von Waldheim nun wirklich angetrieben hat. Ist es der Wille zur Macht, für den er über Leichen geht? Ist es der Glaube, persönlich etwas Wichtiges (gegen die Entartung von Kunst) erreichen zu können? Gehört die Kunst dem, der sie wertzuschätzen weiß, wie von Waldheim es selbst formuliert? Ist es das blinde Folgen einer Ideologie, die einen im Fall der Niederlage völlig leer zurücklässt? Hier treffen persönliche und gesellschaftliche Fragen in einer Figur aufeinander und streiten, wie das eine vom anderen bestimmt wird.

Wenn man bedenkt, dass Fassbinder erst in den 1970er-Jahren mit der filmischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Deutschland begann, wird ersichtlich, warum sich 1965 mit Richard Münch nur ein Schauspieler finden ließ, der sich für „The Train“ in Nazikostüme kleidete. Ansonsten kommen ausschließlich Amerikaner und FranzösInnen zum Einsatz, die bunt gemischt Nazis und Franzosen mimen. Das kann zum Teil verwirren, weil die Akzente wild verteilt auf beiden Seiten auftreten und sich die Frage aufdrängt, warum nicht der französischen Seite das Recht zukam, sich selbst zu verkörpern. Doch dieses Projekt ist ein amerikanisches, das überdies auch noch vom Weltstar Burt Lancaster getragen wurde und das ohne diesen Rahmen nicht zustande gekommen wäre. Natürlich hätten einige Elemente eleganter geklärt werden können, doch schaut man sich einige Film aus der Gegenwart an, in denen beispielsweise weiße Amerikaner, Briten und Australier Bibelgeschichten nachspielen, überwiegt bei einem über 50 Jahre alten Film doch die positive Bewertung des noblen Anliegens.

Die vorliegende Remastered-Version von FilmConfect wertet gerade die spektakulären Actionszenen deutlich auf, doch leider scheint das Referenzmaterial an manchen Stellen so stark beschädigt zu sein, dass nicht alle Fehler ausgemerzt werden konnten. Auf Bonus Material wurde komplett verzichtet, was gerade bei den Verhältnissen hinter den Kulissen informativ gewesen wäre. Dennoch ist es gut, dass „The Train“ als Geheimtipp neben den großen Klassikern nun in einer aufpolierten Form und mit einem annehmbaren Preis den Weg ins Heimkinoregal gefunden hat.

Fazit: „The Train“ setzt als Anti-Kriegsfilm einen Schwerpunkt auf Action, vergisst darüber aber nicht die Beleuchtung tiefgründigerer Fragen. Angesichts der echten Effekte und der Zerstörung wird der Film zu einer Materialschlacht, die aber deswegen gerechtfertigt ist, weil sie als Ausdruck einer Kritik an der Männlichkeit des Kriegs gemeint ist. Nur weil sich Männer den Krieg erklären und darin tun, was sie tun, ist er überhaupt möglich geworden. Frauen spielen darin keine Rolle, außer sie haben eine gute Idee oder werden, ohne eine eigene Entscheidung getroffen zu haben, hineingezogen. „The Train“ findet fundierte Kritik, fragt nach dem Wert von Kunst und dem Antrieb des Menschen zwischen Fremdbestimmtheit und eigener Motivation. Darüber können aus heutiger Sicht krude Entscheidungen zum Casting hintangestellt werden. „The Train“ ist ein spannender Tipp, der neben den großen Genreklassikern seine Themen einzubringen weiß.

Cover und Szenebilder © FilmConfect

  • Titel: The Train
  • Produktionsland und -jahr: USA, 1964
  • Genre:
    Kriegsfilm
  • Erschienen: 30.11.2018
  • Label: FilmConfect
  • Spielzeit:
    ca. 133 Minuten auf 1 Blu-Ray
  • Darsteller:
    u.a.
    Burt Lancaster
    Paul Scofield
    Jeanne Moreau
  • Regie:
    John Frankenheimer
    Arthur Penn
  • Drehbuch:
    Franklin Coen
    Frank Davis
    Walter Bernstein
    Howard Dimsdale
    Nedrick Young

  • Kamera:
    Jean Tournier
    Walter Wottitz
  • Schnitt:
    David Bretherton
    Gabriel Rongier

  • Musik: Maurice Jarre
  • Extras:
  • Technische Details (Blu-Ray)
    Video:
    16:9 – 1,77:1 (1080p)
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB, IT, S
    Untertitel:
    D, GB, F
  • FSK: 18
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

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