Die Emanzipation von der Maske
Redshape, ist das nicht der mit der roten Maske? Ja, das ist er. Bisher sein äußeres Erkennungszeichen, bei Auftritten, über Promomaterial, einfach überall war die rote Maske präsent. Damit wurde Sebastian Kramer, so der bürgerliche Name, bekannt. Aber nicht nur die Maske spülte ihn in die großen und kleinen Klubs der weiten Welt. Sie ist nur das optische Merkmal. Seine Musik war die Sprache, mit der er sich nach außen transportierte. Die Maske war quasi nur der Schutz, um nur die Musik sprechen zu lassen und nicht noch den Menschen, der sie gemacht hat, dazwischen zu schieben. Bei der Konzentration auf seine Musik fällt auf, dass eine Annäherung aus zwei Richtungen essentiell ist, um diese zu verstehen. Zum einen die EPs und Einzelveröffentlichungen und zum anderen die Alben. Sind die einzelnen Tracks härter und mehr in Richtung Dancefloor ausgerichtet, drehen sich die zwei bisherigen Alben in eine andere Richtung. Sie erzählen eine Geschichte und es werden teilweise auch ruhige Töne eingebaut. Doch allen ist eine große Sprache gemeinsam: Techno der alten Schule. Der dreckige, raue Techno von früher, der noch mit Maschinen und nicht nur mit Laptops erstellt und produziert wurde.
Doch nun ist etwas anders. Schon im Vorfeld zur Veröffentlichung seines neuesten Werkes wurde klar, dass sich Redshape von seiner Maske emanzipieren wird und nun das Gesicht statt einen roten Kunststoffvorhang zu präsentieren. Die Musik steht dabei aber immer noch im Vordergrund, das sollte an dieser Stelle besonders betont werden. Redshape stellt dazu auch klar, dass diese Platte seine bisher persönlichste ist und die eigentlich erste richtige Redshape-Veröffentlichung überhaupt. So denn, hören wir in dieses Album mal hinein.
Düster, melancholisch, verträumt
Die Musik von Redshape war schon immer durchsetzt von Sehnsucht. Einem Streben nach der guten alten Zeit, nach dem Sound, der Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger die Szene prägte. Das hat er immer in seine Musik einfließen lassen, und als Zuhörer war dieses Sehnen richtiggehend spürbar. Gerade bei seinen Alben hob sich das noch deutlicher ab, da der Ansatz, der eher zum Dancefloor schielte, abgeschält wurde und einer Musik Platz machte, die zum gemütlichen Hören und Nachdenken einlädt (und die aber trotzdem tanzbar bleibt). Während einem die Musik in die Gehörgänge schwebt, scheint die alte Zeit in musikalischer Hinsicht wieder aufzuerstehen. Das bedeutet aber nicht, dass Redshape altbackene Wiederaufforstung durchführt und alten Kuchen nur aufwärmt. Im Gegenteil, er verstand es immer, seine eigene Note einzubringen, die tatsächlich nur ihm zu eigen ist und durch die es möglich ist, ihn aus anderen Titeln definitiv heraus zu hören.
Auch beim neuen Album ist dieser Ansatz definitiv vorhanden, und doch ist es diesmal anders – und das sollte ganz eindeutig mit dem Loslösen von der Maske zusammenhängen. Sie war für Redshape Segen und Fluch zugleich. Zum einen konnte die Musik sprechen und der Mensch dahinter verstellte nicht den Weg dorthin. Doch wenn die Maske irgendwann übermächtig wird und droht, ein Eigenleben zu entwickeln, muss sie verschwinden. Diesen Prozess stellt Redshape in seinem neuen Album dar. Es ist immer noch dieselbe Musik wie vorher, und doch ist sie, düsterer, persönlicher, weniger Sehnsucht nach dem Alten als vielmehr Streben nach neuen Ufern. Die Verneigen vor der guten alten Zeit ist immer noch hör- und spürbar, was allein schon damit zusammenhängt, dass Redshape für dieses Album seinen elektronischen Maschinenpark um ein paar alte Schmuckstücke ergänzte. Doch das Loslösen von der Maske lässt ihn befreiter mit ihnen spielen und so hört sich die Musik auch an. Waren die ersten zwei Alben vielmehr an ein Konzept gebunden, in sich stimmig geschlossen und mehr für das Hören zu Hause ausgelegt, so ist „A Sole Game“ ein Gamechanger, denn er richtet sein Augenmerk viel stärker auf den Dancefloor und doch ist das Album ebenso gut auf dem heimischen Sofa hörbar. Doch Vorsicht ist geboten, denn ein paar Beinwackler sind auch dort nicht ausgeschlossen.
Doch was macht dieses Album nun so anders, so besonders gegenüber „Square“ und „The Dance Paradox“? Diese Düsternis, dieser industrielle Klang, diese melancholische Verträumtheit, mit der diese Musik aufwartet und die sich durch alle acht Stücke zieht. Sie sind zwar auch auf den anderen Alben vorhanden, aber hier gehört es definitiv zum Konzept. Fröhlich klingt es größtenteils jedenfalls nicht, womit es den Prozess des Loslassens besonders gut verdeutlicht, denn wenn etwas losgelassen werden muss, dann tut es auch weh und ist mit Schmerz verbunden, egal in welchem Bereich im Leben. Das macht Redshape mit diesem bisher dunkelsten Album in seinem Schaffen besonders deutlich. Doch er baut auch Hoffnungsschimmer ein, denn genau ein Track widersetzt sich dem Schema ein wenig und steht für Aufbruch in eine neue Zeit und trägt den bezeichnenden Titel „A Future Shape“. Und noch etwas steht für Aufbruch: Dass dieses Album bei einem Label erschienen ist, das für solche Experimente besonders offen ist – Monkeytown Records, welches von Modeselektor gegründet wurde (Anmerkung des Verfassers: Beide, sowohl Redshape und Modeselektor/Moderat werden in der Kolumne „Soundnerds“ in naher Zukunft ihre Beiträge erhalten, womit sich ein Kreis schließt, denn an diesen Beiträgen wird schon eine ganze Weile gefeilt).
Der Kampf gegen die inneren Dämonen
Jetzt wurde relativ viel um den heißen Brei geredet und nichts konkretes zur Musik gesagt, also nur so schwammige Dinge. Dann soll es an dieser Stelle konkreter werden. Ganz allgemein lassen sich die meisten Tracks unter die Überschrift stellen, dass es sich um einen Kampf handelt, ein Kampf “Maske gegen ein Leben ohne”. Dies stellt Redshape ins Zentrum von diesem Album. Der Prozess des Loslassens wurde schon erwähnt und gleich im Opener „The Devils“ läutet er dieses Konzept ein. Dieser Track kommt mit düsteren Geräuschen, einer Kauzstimme daher und einer Art melodischem Heulen, bevor der Bass einsetzt. Doch dann kracht der Titel nicht etwa voll los, vielmehr schält Redshape Schicht für Schicht mehr heraus, verleiht dem relativ simplen Beginn immer mehr Komplexität, verändert den Track über seine Laufzeit, lässt quasi zwei Themen umeinander kreisen und aufeinander zulaufen und stellt so schon zu Beginn den Kampf der inneren Dämonen in den Mittelpunkt. Dieser erste Track ist quasi die Duftmarke in diese Richtung und damit fast schon der stärkste, weil vielschichtigste Track des Albums.
Dieser rote Faden des Kampfes lässt sich in fast allen Tracks des Albums wiederfinden, wenn auch nicht ganz so stark wie in „The Devils“. Einzig „The Future Shape“ gibt die Marschrichtung in eine neue Zukunft vor, klingt freundlicher, hoffnungsvoller, erwachsener, ganz als hätte sich Redshape neu erfunden und sich nun endgültig von der Maske gelöst. Der Name des Titels ist hier somit ernst zu nehmen. Alles, was zwischen „The Devils“ und „The Future Shape“ geschieht, ist moderner Techno, der die alte Schule referenziert und trotzdem eigenständige Wege geht. Da wabern immer wieder Geräuschfetzen durch die Tracks oder auch einzelne kurze Vocals. Dem Gerätepark, den er für die Produktion genutzt hat, merkt man an, dass er eine Erinnerung an die Vergangenheit ist, denn die Geräte klingen nach dem Techno, als die Computer noch nicht so weit waren wie heute. Dass es nicht in eine Retronummer ausartet, ist dem Geschick Redshapes zu verdanken, der die Instrumente beherrscht und in vernünftige Bahnen zu lenken versteht, um etwas Kreatives daraus zu erschaffen. Eine Mixtur aus alt und neu. Freuen wir uns auf einen runderneuerten Redshape, in Zukunft ohne Maske, dafür mit noch mehr Energie für die Musik.
- Interpret(en): Redshape
- Titel: A Sole Game
- Label: Monkeytown Records
- Erschienen: 10/2018
- Spielzeit: ca 51 Minuten
- Sonstige Informationen:
Monkeytown Records
Erwerbsmöglichkeiten
- Tracklist:
- The Devils
- Spark
- Day Out
- Pursuit
- Radio Drama
- November Island
- Ghosts
- Future Shape
- The Devils
Wertung: 13/15 Hi-Hats (wer die Musik Redshapes kennt, der weiß, dass er diese gerne benutzt)