«Amphetamin in Kapseln, die Kindersitze, die festgeschnallt werden mussten, Schuhe, auf denen die Fragmente des Todes glänzten. Er konnte sich jetzt einfach nicht klarmachen, dass das unterschiedliche Teile seines Alltags waren.»
Piet Hoffman ist ein liebender Familienvater, der ein ganz normales Leben mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen führt.
Paula ist ein brutaler Drogenhändler der polnischen Mafia.
Piet Hoffman ist Paula.
Als Undercover-Agent für die schwedische Polizei hat Hoffman es geschafft, die polnische Mafia zu unterwandern und sich in deren Kreisen einen Namen zu machen. Gefährlich lebte er dabei schon immer, doch jetzt nimmt sein Doppelleben neue Ausmaße an: In einem Hochsicherheitsgefängnis soll er die Drogengeschäfte an sich reißen. Den Auftrag erhält er von den Mafiosi, aber auch die schwedische Polizei sieht hier die Chance, den Drogenring endgültig zu zerschlagen. Hoffman weiß, welches Risiko er eingeht und schmiedet seinen eigenen Plan.
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Der Einstieg ins Buch wird dem Leser nicht leichtgemacht. Zu Beginn versteht man kaum, wer wer ist und kann die Handlungsstränge nur schwer auseinanderhalten, geschweige denn einordnen. Bis zum Ende bleibt es eine gewisse Herausforderung, der Geschichte zu folgen.
In der ersten Hälfte lernen wir den Familienvater Piet Hoffman kennen, der als Undercover-Agent Paula hin- und hergerissen ist zwischen seinem normalen Ich und dem skrupellosen Drogenhändler, der er für die polnische Mafia sein muss. Er versucht, die Balance zwischen beiden Seiten zu finden und sich dabei nicht selbst zu verlieren. Die zweite Hälfte des Buches macht ihm dies unmöglich, denn um den polnischen Drogenring in der JVA zu zerschlagen, muss er vollständig zu Paula werden. Wir erleben die Veränderung, die in ihm vorgeht, erleben wie er zu diesem anderen Menschen wird. Anfangs muss er sich dazu zwingen, nicht fortwährend an seine Frau und Kinder zu denken und nicht mehr wie Piet Hoffman zu handeln. Mit den verstreichenden Tagen übernimmt Paula immer mehr die Kontrolle, macht ihn härter und lässt ihn zunehmend zu dem Kriminellen werden, der er sein muss, um zu überleben. Diese innere Zerrissenheit und der Wandel, den Hoffman durchläuft, sind überaus überzeugend dargestellt und können die Leser mitreißen. Fällt es zunächst noch schwer, einen Zugang zu Hoffman zu finden, kann man ihm mit jeder Seite mehr abgewinnen. Er ist ein überaus komplexer Charakter voller verschiedener Facetten. Und er ist ein Charakter, der nichts dem Zufall überlässt. Ihm zu folgen ist zweifellos ebenso spannend wie undurchsichtig.
Neben der Geschichte rund um Piet Hoffman begleiten wir in einem zweiten Handlungsstrang den alternden Ermittler Ewert Grens. Ein Polizist mit so einigen Eigenarten, einer, dem andere lieber aus dem Weg gehen, einer, der die Gesellschaft anderer nur schwer erträgt. Grens wird von der Trauer über den Tod seiner Frau zerfressen und verbeißt sich in seine Arbeit – insbesondere in einen Fall um einen toten Drogenschmuggler. Während seiner Ermittlungen stößt er auf Piet Hoffman und versucht krampfhaft zu verstehen, welche Rolle dieser spielt. Dass er verdeckt für die schwedische Polizei arbeitet, weiß Grens nicht, denn dies unterliegt strengster Geheimhaltung. Der Komissar ist ein zutiefst unsympathischer Charakter, für den man aber im Verlauf der Handlung durchaus Verständnis entwickelt und dem man zum Ende hin ein wenig näherkommt.
Die Geschichte wird uns von einem allwissenden Erzähler berichtet, der häufig nur subtile Andeutungen macht. Als Leser muss man mitdenken und selbst Schlüsse ziehen. Die Sprache ist hier der große Knackpunkt. Sie ist oftmals sehr aufgeblasen, unnötig kompliziert und sie erschwert nicht selten das Lesen. Die Handlung ist ohnehin schon überaus verworren und komplex, aber der Erzählstil verstärkt diesen Eindruck noch und trägt nicht gerade zum besseren Verständnis bei. Zudem gehen die Autoren immer wieder sehr ins Detail, schreiben recht ausschweifend und erzeugen so leider einige Längen, die vermeidbar gewesen wären. Zum Ende nimmt das Tempo dann plötzlich deutlich zu, es passiert fast schon zu viel auf einmal. Zugleich erreicht aber auch die Spannung ihren explosiven Höhepunkt.
Am Ende des Buches erwartet die Leser eine Übersicht zu Fakten aus dem Polizei- und Gefängniswesen sowie über die Zusammenarbeit mit kriminellen Infiltratoren. Denn als Maulwurf ist man nur dann glaubwürdig, wenn man selbst kriminell war.
Fazit: „3 Sekunden“ ist ein sehr spezielles Buch, oftmals anstrengend und kompliziert, aber auch fesselnd und mitreißend. Die Spannung steigert sich über die gesamte Handlung, wird aber immer wieder von Längen unterbrochen. Trotzdem fällt es insgesamt schwer, das Buch aus der Hand zu legen, weil die Ereignisse und Charaktere einen doch für sich einnehmen. Man will wissen, wie es ausgeht. Zwar ahnt man das Ende, fragt sich aber, wie genau sich alles auflösen wird. Mit einer etwas weniger bemühten Sprache und 100, wenn nicht sogar 200 Seiten weniger hätten die Autoren ihren Lesern einen großen Gefallen getan. Der folgenden Teile der Trilogie – „3 Minuten“ und „3 Stunden“ werden aber in jedem Fall trotzdem gelesen.
Cover © Blanvalet
- Autor: Anders Roslund und Börge Hellström
- Titel: 3 Sekunden
- Teil/Band der Reihe: 1 von 3
- Originaltitel: Tre Sekunder (Piet Hoffman 1)
- Übersetzer: Gabriele Haefs
- Verlag: Blanvalet
- Erschienen: 08/2018
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 688
- ISBN:978-3-7341-0669-9
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 10/15 Undercover-Agenten