Meik Wiking – LYKKE – Der dänische Weg zum Glück (Buch)

Meik Wiking - Lykke - Cover © Bastei LübbeMit seinem ersten Buch rund um das speziell dänische Lebensgefühl Hygge gelang Meik Wiking ein Glücksgriff („HYGGE – ein Lebensgefühl, das einfach glücklich macht“ – Rezension hier). Die Mischung aus Gemütlichkeit, Geborgenheit und einer gelassenen Fröhlichkeit scheint Menschen auf der ganzen Welt zu faszinieren. Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich nicht etwa um ein generisches Sequel zum Thema, um die Welle weiter zu reiten, sondern der Leiter des Kopenhagener Instituts für Glücksforschung hat den Blick geweitet und betrachtet Entwicklungen auf der ganzen Welt, um einen Eindruck davon zu vermitteln, was Menschen glücklich zu machen scheint und nicht zuletzt auch, um zahlreiche Anregungen für das Leben jedes einzelnen Lesers zu geben. Eine große Aufgabe für ein Buch, das zudem nicht ins formelhafte Ratgebereinerlei gehören möchte.

Mehr als die Summe seiner Teile

Ein Autor, der ein Buch zum Thema Glück mit einem Zitat aus dem „Herr der Ringe“ eröffnet, sammelt bei mir zugegebenermaßen gleich zu Beginn viele Pluspunkte: „Woran glauben wir, Sam?“ „Es gibt etwas Gutes in dieser Welt, Herr Frodo, und dafür lohnt es sich, zu kämpfen.“ Im Glücksreport der Vereinten Nationen könne man dem Autor zufolge sehen, dass zwischen dem glücklichsten und dem unglücklichsten Land der Welt ein Unterschied von vier Punkten bestünde. Drei dieser vier Punkte ließen sich, so Wiking weiterhin, mit sechs Faktoren erklären – und diesen sechs Faktoren sind die Kapitel des Buches gewidmet. Es soll darum gehen, warum diese Dinge einen so großen Einfluss auf das Wohlbefinden der Menschen haben: Zusammen sein; Geld; Gesundheit; Freiheit; Vertrauen und Freundlichkeit.

Ein begnadeter Geschichtenerzähler

Während der Lektüre vergisst man als Leser vollständig, dass der Großteil der anekdotenhaft wirkenden Zusammenhänge auf vielen Studien aus allen Ländern der Welt basieren. Wiking zitiert verschiedenste Forschergruppen aller Kontinente und scheint auf ein ausgeprägtes Netzwerk von Glücksforschern zurückgreifen zu können. Wieder und wieder habe ich mich schmunzelnd darüber gewundert, worüber alles Studien betrieben werden (etwa: Wie ängstlich sind Pendler im Verhältnis zu Heimarbeitern und wie verhält sich diese Korrelation, wenn die Pendelstrecke länger als drei Stunden ist?). Zentrale Zusammenhänge der Studien werden durch sehr einfache Infografiken verdeutlicht, die sich stilistisch der „Bullerbü-Optik“ des Buches anpassen, die exakt dem erfolgreichen ersten Buch des Autors nachempfunden ist und wie aus einem Guss wirkt. Auch wenn all dem eine gewisse Leichtigkeit innewohnt, regen manche Zusammenhänge zum Nachdenken an: Ist Glück eine Funktion des Einkommens oder ist das vielleicht ein veralteter Gedanke und es ist umgekehrt? Wer glücklich ist, wird erfolgreich (auch finanziell)? Neben den zahlreichen Studien die thematisch geordnet und vorgestellt werden, berichtet der Wahl-Däne immer wieder aus seinem eigenen Leben und erzählt Erlebnisse von Kongressen, Kindheitserinnerungen oder alltäglichen Begegnungen. Aus der Summe der Geschichten glaube ich zu ersehen, dass Herr Wiking ein angenehmer Zeitgenosse ist, dem der Schalk im Nacken sitzt. Lüde er mich auf einen Kaffee nach Kopenhagen ein, würde ich zusagen, denn es würde sicher interessant.

Fallstudien und Ratschläge für den geneigten Leser

Neben den Erzählungen und Berichten aus allen Teilen der Welt, die über Initiativen von Einzelnen oder sozialen Gemeinschaften berichten, sind in jedem Kapitel Vorschläge für den Hausgebrauch oder zumindest Denkanstöße (“Glücks-Tipps“) integriert. Dabei kommen diese Seiten nie mit erhobenem Zeigefinger daher, sondern regen eher zum Sinnieren an. Im Kapitel Geld etwa geht es immer mal wieder um die “hedonistische Tretmühle”: „Je mehr wir von etwas besitzen, desto weniger glücklich macht es uns (…) Wirtschaftswissenschaftler sprechen von einem sinkenden Grenznutzen (…) Wir gewöhnen uns an einen bestimmten Status. In der Glücksforschung nennen wir die hedonistische Tretmühle.“ Ich persönliche habe mich in diesen Schilderungen beängstigend gut wiedergefunden und mir danach vorgenommen etwas bewusster das Erreichte zu genießen. Eine Gruppe für Gratis-Spass zu gründen war mir dann doch zu offensiv. Sich keine Dinge, sondern Erinnerungen zu kaufen, ist meiner Meinung nach einem lohnenswerten Vorsatz.

Ein zusätzliches Element neben den “Glücks-Tipps” sind die “Fallstudien” in denen Menschen und deren Versuche vorgestellt werden, sich glücklicher zu fühlen. Beim Thema Geld geht es beispielsweise um Michelle, die versuchte, ein Jahr lang nur das zu kaufen, was sie absolut dringend brauchte. Im Kapitel Freiheit werden Louise & Tom vorgestellt, die aus den Vereinigten Staaten nach Italien ausgewandert sind und ihre persönliche Version von “Unter der Sonne der Toskana” leben.

Die Bandbreite der vorgestellten Aspekte zum jeweiligen Thema ist in jedem Kapitel überraschend, so wird beim Thema Freiheit sowohl die Freiheit, eine Familie zu gründen als auch die Freiheit, einem Job nachzugehen, den man mag (im Durchschnitt sind Selbstständige glücklicher bei mehr Arbeit im Vergleich), Möglichkeiten für mehr freie Zeit und die freie Verwendbarkeit der eigenen Zeit zum Beispiel bei Pendlern angesprochen. Auch wenn der fröhlich beschwingte Ton des Buches vermutlich etwas darunter leiden würde, gäbe es durchaus auch Gegenbeispiele, die erwähnenswert wären. Wie sieht es mit Religionsfreiheit, freien Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen und freier Berufswahl in weniger “glücklichen” Nationen der Welt aus?

Das Kapitel zum Thema Gemeinschaft ist wohl nicht ohne Grund das erste der großen Themen, denn es knüpft in vielen Punkten an das Vorgängerbuch des Autors an. Es geht um generationenübergreifende Wohnprojekte, Nachbarschaftsnähe, die Pflege von Beziehungen und Dinge wie offene Grenzen, Leihbüchereien und Gemeinschaftsgärten. In Anbetracht des heutigen Zeitgeistes habe ich dieses Kapitel beim Lesen als sehr wichtig empfunden. Ein treffendes Zitat des Autors: „Wir knüpfen mehr Verbindungen als jemals zuvor und fühlen uns dennoch allein. Unsere Beziehungen sind kompliziert, fordernd und ungeordnet. Im Zweifelsfall schreiben wir lieber eine Mail, als dass wir anrufen. Die Illusion von Verbundenheit ohne fordernde Nähe fasziniert uns, obwohl sie uns nicht glücklicher macht.“

Erstaunlich ist, dass im Verlauf des Buches keine lange Weile aufkommt. An einem verregneten Wochenende kann man es sich richtig schön “hyggelig” machen und das Buch von vorne bis hinten durchlesen. Die verschiedenartigen Experimente, Studien und vorgestellten Personen sind ungemein kurzweilig. Eine überraschend positive Studie wurde beispielsweise im Kapitel Vertrauen vorgestellt. 192 Geldbeutel wurden in verschiedenen Großstädten der Welt absichtlich vergessen und es wurde ausgewertet wo wie viele zurückgeben wurden. Ohne spoilern zu wollen: Das Ergebnis hat mich positiv überrascht.

Fazit

Allein die Leistung eines Chronisten und Aufbereiters der weltweiten Forschung zum Thema Glück für die Allgemeinheit wäre schon anerkennenswert. Dass Herr Wiking noch dazu fröhlich, flüssig und spannend erzählen kann und eine Struktur gefunden hat, die dem jeweiligen Kapitel einen Rahmen verleiht, begeistert mich als Leser. Die persönliche Note durch Anekdoten aus dem eigenen Leben und die vielen kleinen Vorschläge für den Alltag runden das Buch ab, das auch optisch ebenso gut gelungen ist, wie der geistige Vorgänger. Jetzt geh ich in der Sonne spazieren und versuche “die Vorstellung vom Streben nach Glück in das Glück des Strebens zu verwandeln.“

Cover © Bastei Lübbe

Daten

  • Autor: Meik Wiking
  • Verlag: Bastei Lübbe
  • Hardcover
  • Preis: 20,00 €
  • Seiten: 288
  • Übersetzung: Ulrike Sterath-Bolz
  • ISBN: 978-3-431-03995-5
  • Ersterscheinung: 26.10.2017
  • Produktseite beim Verlag

Wertung: 14/15

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