Markus Lutteman – Das weisse Nashorn (Buch)


Markus Luttemann - "Das weisse Nashorn" (Cover © penguin)«Ein Kilo Horn eines Nashorns ist in Vietnam im Moment mehr wert als ein Kilo Gold oder Kokain.»

In einem schwedischen Zoo wird ein nördliches Breitmaulnashorn – eine Art, von der es nur noch eine Handvoll Exemplare gibt – kaltblütig ermordet und seine Hörner gestohlen. Fast zeitgleich erfährt der erfolgreiche Rockstar Rob Chazey, dass das Nashorn in einem afrikanischen Nationalpark, für das er auf Anraten seines Managers eine Patenschaft übernommen hatte, ebenfalls getötet und seiner Hörner beraubt wurde. Der perfekte Grund, um seinem Leben auf der Überholspur zu entfliehen – also fliegt er kurzentschlossen nach Afrika. Vor Ort erfährt er am eigenen Leib, wie weit die Wilderer gehen und wie weit ihre Beziehungen reichen. Plötzlich machen sie nicht mehr nur Jagd auf Nashörner, sondern auch auf ihn.
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Puh, erstmal durchatmen. Für gewöhnlich erzählen uns Romane überwiegend fiktive Geschichten, von denen sich meist leicht ein gewisser emotionaler Abstand wahren lässt. Bei diesem Buch verhält sich das ein wenig anders. Denn in einem ausführlichen Anhang legt der Autor dar, welche Teile seiner Geschichte nicht seiner Fantasie entsprungen sind – und genau das lässt es dem Leser eiskalt den Rücken herunterlaufen. Viel zu viel von dem, was er schreibt, ist grausame Realität. Emotionaler Abstand ist hier – insbesondere für Tierliebhaber – beim besten Willen nicht möglich.

Lutteman erzählt eine Geschichte, die uns um die halbe Welt führt: Schweden, die USA, Vietnam, China und Afrika sind dabei die Stationen. Das Horn eines Nashorns geht einen weiten Weg, um seine traurige Bestimmung zu finden. Viele verschiedene, persönliche Schicksale sind damit verwoben. Da ist der Afrikaner, der zum Wilderer wird, um seine Familie zu ernähren. Der Vietnamese, der für einen Schmuggler arbeitet und auf ein besseres Leben hofft. Die Parkrangerin, die alles dafür tut, ihre Schützlinge zu retten. Aber auch andere Ranger, die mit den Wilderern zusammenarbeiten und ihnen verraten, wo genau sich die Nashörner aufhalten. Und natürlich die skrupellosen Sammler, die ein Vermögen für die Hörner ausgeben. Die Gründe dafür sind erschreckend: Im asiatischen Raum wird dem Horn eine heilende Wirkung nachgesagt. Zudem investieren die Sammler in die Ausrottung der Arten, um am Ende höhere Preise zu erzielen.

Das Lesen macht nicht selten wütend und fassungslos ob der schier grenzenlosen menschlichen Habgier und Kälte. Durch Rob, der als absoluter Laie in diesen Strudel gezogen wird, wird auch uns als Lesern das sehr komplexe Thema rund um Wilderung, Ausrottung von Tierarten, dem weltweiten Handel mit bedrohten Tieren und dem Zusammenhang zwischen dem Handel mit Nashornhörnern und Terrorismus auf verständliche Weise nähergebracht.

Insgesamt werden allerdings zu viele Themen behandelt und zu viele Handlungsstränge eingeflochten. Teilweise wird das Geschehen unübersichtlich und nicht alle Ereignisse sind für den Lauf der Geschichte notwendig. So hätte zum Beispiel der Nebenstrang um das in einem schwedischen Zoo getöteten Nashorn, der kaum etwas mit dem Hauptstrang zu tun hat, außenvorgelassen werden können. Hinzu kommen zu viele Zufälle, die die Geschehnisse und Zusammenhänge bisweilen zu konstruiert wirken lassen.

Klare Pluspunkte sind allerdings das Tempo – durch den stetigen Wechsel der Schauplätze ist es überaus hoch und die Spannung bewegt sich auf einem gleichbleibend hohen Niveau – und die Charaktere. Lutteman beweist hier ein Händchen für außergewöhnliche Figuren. Rob, als gefeierter, aber regelmäßig abstürzender Rockstar, der bereits eine Drogentherapie hinter sich hat und unerwartet sein Herz für Nashörner und den Schutz der Tiere entdeckt, ist definitiv speziell. Ihn lernen wir als Hauptcharakter am besten kennen. Anfänglich weiß man noch nicht recht, was man von ihm halten soll, mit der Zeit wächst er einem aber ans Herz und man fiebert mit ihm mit. An seiner Seite kämpft die starke, eigensinnige Parkrangerin Thabisa für das Wohl der Nashörner. Sie erklärt Rob – und somit auch uns – ihre Welt, zeigt uns Herausforderungen, denen ein Nationalpark sich täglich stellen muss. Andere Charaktere sind ebenfalls interessant gezeichnet, bleiben aber eher blass. Wir sehen nur wenige Facetten von ihnen, was nicht zuletzt der Fülle an Handlungssträngen geschuldet ist. Allerdings ist dies nicht unbedingt ein großes Manko, da es hier – abgesehen von Rob und Thabisa – weniger um die einzelnen Persönlichkeiten, sondern vielmehr um die Nashörner geht. Die Figuren sind letztlich nur Stellvertreter für all jene, die in die Machenschaften rund um die Hörner involviert sind.

Erzählt wird die Geschichte in einer flüssigen, rasanten Sprache, die uns durch die verschiedenen Schauplätze jagt. Es geschieht viel in diesem Buch, Luttemans Erzählstil macht es aber trotz der teilweisen Unübersichtlichkeit möglich, den Ereignissen zu folgen und sie zu verstehen.

Fazit: „Das weiße Nashorn“ ist ein temporeicher Thriller mit einem außergewöhnlichen Plot, der leider sehr nah an der Realität ist. Aus diesem Grund wird man als Leser emotional gepackt und tief ins Geschehen gezogen. Die Geschichte wirkt nach und macht betroffen. Trotz kleiner Schwächen eine klare Leseempfehlung!

Cover © Penguin Verlag

  • Autor: Markus Lutteman
  • Titel: Das weiße Nashorn
  • Originaltitel: Blodmane
  • Übersetzer: Kerstin Schöps
  • Verlag: Penguin Verlag
  • Erschienen: 08/2018
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 480
  • ISBN: 978-3-328-10233-5
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite 
    Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 13/15 Nashörner


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