Die Idee einer deutsch-schweizerischen Koproduktion liegt bei dem Thema des ZDF-Zweiteilers nahe. Für rund 10 Millionen Euro inszenierte der aus der Schweiz stammende Regisseur Urs Egger eine Dreiecksromanze und ein Historiendrama rund um den Bau des Gotthard-Tunnels. Am 20.12.2016 erschien der Film auf DVD und BluRay.
Der Film dauert 181 Minuten, die sich auf Grund der größtenteils spannenden Geschichte kürzer anfühlen. Auch abgesehen vom Hauptfilm wurde auf der Silberscheibe nicht gespart. Mit der Dokumentation “Gotthard – Das Jahrhundert-Bauwerk”, Audiokommentaren und einigen Interviews ist die BluRay gut ausgestattet.
Globalisierung im 19 Jahrhundert
1873 ist Globalisierung bereits ein wichtiges Thema, allerdings ging es damals wohl eher um Züge als um digitale Nomaden. Im beschaulichen Schweizer Dörfchen Göschenen, beim Bau der Gotthardbahn, die endlich Europa von Nord nach Süd mit dem Zug befahrbar machen soll, muss ein 15 km langer Tunnel unter dem stattlichen Gotthard hindurchgegraben werden.
In einer Zeit, in der Arbeitergewerkschaften noch nicht für die Rechte ihrer Klasse kämpfen und humane Arbeitsbedingungen einer Utopie entsprungen sein müssen, stellt ein Streik der Mineure bei diesem Jahrhundertbauprojekt einen historischen, aber auch traurigen Wendepunkt dar. All der Unmut der für wenig Geld angestellten und natürlich nicht krankenversicherten Bergleute entlud sich in einen gewaltsam niederchlagenden Aufstand.
Die größtenteils im Dunkeln arbeitenden Bergleute hatten mit Grubengas und Lungenkrankheiten zu kämpfen und wurden zualledem in dem Ort der Großbaustelle alles andere als gern gesehen, da die Einwohner den anstehenden Veränderungen skeptisch gegenüberstanden.
Dreiecksbeziehung mit Klischee-Bonus
Der aus guten Verhältnissen stammende aber seiner vorgeschriebenen Zukunft entfliehende deutsche Architekt Max (Maxim Mehmet, bekannt aus “Männertreu”, “Schatz, nimm du Sie”) trifft auf der Suche nach einem Quartier auf den heißblütigen Mineur und Marxisten Tommaso (Pasquale Aleardi, bekannt aus “Honig im Kopf”, “Für Emma und Ewig”) aus Italien. Als sich beide dann noch notgedrungen in das eine Zimmer einmieten, das die gleichermaßen schöne wie geschäftstüchtige Fuhrmannstochter Anna (Miriam Stein – “Unsere Mütter, unsere Väter”) zu vermieten hat, ist die Liebesgeschichte im Dreieck vorprogrammiert (und aus Sicht des Zuschauers ein wenig vorhersehbar). Beim ersten Kennenlernen der drei ist bereits viel Alkohol im Spiel, und so kommt, was kommen muss…
Sowohl Maxim Mehmet als auch Pasquale Aleardi spielen ihre jeweiligen Rollen dabei überzeugend und ohne Patzer. Der Schweizer mit den dunklen Haaren ist ein Routinier der deutschen Filmbranche und dominiert ganz im Sinne der Handlung die gemeinsamen Szenen. Maxim Mehmet überzeugt dank der leiseren Hintergrundgeschichte und den einsam grüblerischen Szenen.
Eine zündende Idee
Der Tunnelbau verspricht schnell voran zu gehen, denn schließlich hat ein gewisser Herr Nobel jüngst das Dynamit erfunden, für dessen Transport keine Kosten und Risiken gescheut werden. Die Bauunternehmer versprechen kritischen Investoren allen Gesteinsproben zum Trotz dank dieses Teufelszeugs sechs weitere Meter pro Tag. Tatsächlich sieht es so aus, als ob auch Annas Vater der zunächst kritische Fuhrmann (dargestellt vom Krimi- und Tatort-erfahrene Schweizer Christoph Gaugler) – allen Befürchtungen zum Trotz wirtschaftlich alles andere als Schaden nimmt durch die neuen Untermieter und die zusätzlichen Aufträge, die ihn allerdings langfristig seines Gewerbes berauben werden. Annas Idee einer Pension für die fremden Arbeiter scheint dem Beobachter eher zukunftsweisend zu sein.
Beeindruckend und kurzweilig
Die gesamte Ausstattung des Films kann sich buchstäblich sehen lassen. Die Drehorte in einem Steinbruch bei Prag, in den Bündner Bergen und schließlich in einem Studio in Köln wurden stilsicher in zeitgemäße Kulissen verwandelt. Das Produktionsbudget von 10 Millionen Euro wurde nicht nur in fähige Schauspieler, sondern auch in stilechte Kostüme, Fuhrwerke und Requisiten jedweder Art investiert, die das späte 19. Jahrhundert wieder lebendig werden lassen. Das gelingt durchaus nicht immer so gut wie in diesem Film und trägt seinen Teil zur Kurzweiligkeit der Produktion bei.
Auch wenn die Geschichte um die Dreiecksbeziehung nicht so sehr ins Zentrum gemusst hätte, wie es geschehen ist, bleibt das grundsätzliche historische Setting interessant und nicht wie bereits viele Male in anderen Produktionen auserzählt. Vielleicht brauchte es die leider schnell durchschaubare Romanze und die Frage nach den wirklich großen Themen der Menschheit, um den Film vermeintlich massentauglicher zu gestalten, doch ich denke, auch zu diesem Zweck hätte man insbesondere das Kennenlernen etwas weniger plakativ gestalten können.
Alles in allem bleibt gute Unterhaltung, mit einem interessanten Einblick in einen historischen Mikrokosmos der besonderen Art und einer gut gespielten aber vorhersehbar erzählten Romanze obendrauf.
Pics von oben nach unten © SRF/Lukas Zentel, SRF/Marcus Gyger, SRF/Lukas Zentel, SRF/Marcus Gyger
Cover © Studiocanal
Wertung: 12/15 dpt
Blu-Ray
- Drama, History, TV-Serie, CH / D / A 2016, ca. 180 Minuten
- FSK 12
- Erschienen am 20.12.16
Extras
- Dokumentation: „Gotthard – Das Jahrhundert-Bauwerk”
- Making of; Audiokommentar mit Regisseur, Drehbuchautor und Produzenten;
Darsteller
- Pasquale Aleardi („Keinohrhasen”, „Honig im Kopf“)
- Miriam Stein („Unsere Mütter, unsere Väter“)
- Maxim Mehmet („Männerherzen”, „Heidi“)
- Marie Bäumer („Das Adlon“, „Männerpension“)
- Joachim Król („Der bewegte Mann“)
Stab
- Regie: Urs Egger
- Drehbuch: Diverse
- Kamera: Lukas Strebel
- Produktion: Lukas Hobi, Reto Schärli
Technische Angaben
- Bild: 1:1,85 1080/50i Full HD
- Sprachen/Ton: Deutsch 5.1 DTS-HD (Master Audio)
- Untertitel: Deutsch