«Ich bin ein großer Liebhaber der Jazzmusik, und ich schwöre bei allen Teufeln der Unterwelt, dass jeder verschont werden soll, in dessen Haus zum oben genannten Zeitpunkt eine Jazzband spielt.»
New Orleans 1919. Eine Reihe von Morden erschüttert die Stadt, der „Axeman“ bringt vorzugsweise italienische Ladenbesitzer um. Seine Waffe der Wahl ist die Axt, sein Erkennungszeichen sind Tarotkarten, die er am Tatort zurücklässt. Die Suche nach dem Mörder ruft drei ganz unterschiedliche Ermittler auf den Plan: Offiziell ist der Polizist Michael Talbot an der Sache dran. Gleichzeitig geht aber auch sein ehemaliger Mentor Luca D’Andrea – gerade aus dem Gefängnis entlassen – für seine Mafia-Freunde auf Spurensuche. Und dann ist da noch die junge Detektei-Mitarbeiterin Ida, die gemeinsam mit dem (noch) unbekannten Musiker Louis Armstrong versucht, den Fall aufzuklären.
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Ray Celestin vermischt in seinem City Blues Quartett, dessen ersten Teil wir hier lesen, gekonnt Fiktion und Realität. Den Axeman gab es wirklich, ebenso wie viele andere Bezüge aus der Geschichte. Sogar ein echter Brief, den der Axeman an die Zeitung geschickt hatte (obiges Zitat ist ein Auszug daraus), ist im Buch zu lesen. Der Mörder fordert darin, dass alle Menschen in einer bestimmten Nacht Jazz spielen sollen, damit er sie verschont. Dies lässt den Leser vermuten, dass die Musik eine übergeordnete Rolle in der Geschichte spielt. Dem ist leider nicht so. Zwar wird Blues und Jazz immer mal wieder thematisiert, bleibt insgesamt aber im Hintergrund und erklingt eher zwischen den Zeilen. Die Musik, die zu „hören“ ist, zahlt aber entscheidend auf die Atmosphäre des beschriebenen New Orleans ein.
Der Autor versteht es wunderbar, die Stadt lebendig werden zu lassen – nicht zuletzt durch seine authentischen Beschreibungen des Lebens in New Orleans Anfang des 20. Jahrhunderts. Bereits nach den ersten Seiten fühlt man sich als Leser in der Zeit zurückkatapultiert und kann die Stadt um einen herum förmlich spüren – wie sie pulsiert, wie sie riecht, wie sie klingt. Mit seinem bildhaften Schreibstil, der viel Wert auf Details legt und in seiner Wortwahl glaubwürdig an die damalige Zeit angepasst ist, nimmt uns Ray Celestin mit an diesen bunten, vielfältigen Ort. Dank der Detailverliebtheit ist es nicht schwer, sich das Beschrieben vorzustellen, allerdings bleiben dabei auch einige Längen nicht aus. Ein paar Seiten weniger und eine etwas gestrafftere Handlung hätten der Geschichte sicherlich ganz gut getan.
Bis der Plot richtig anläuft, gehen einige umgeblätterte Seiten ins Land – er nimmt sich viel Zeit, um sich zu entwickeln und ist zunächst recht unübersichtlich. An Spannung fehlt es dabei aber nicht, vielmehr fesselt die Jagd nach dem Axeman vom Anfang bis zum Ende. Das liegt insbesondere an den drei Ermittlern, denen wir folgen und die sich immer wieder abwechseln. Angefangen bei Michael Talbot, der seinen früheren Mentor Luca D’Andrea ins Gefängnis brachte und seither von seinen Kollegen gemieden wird. D’Andrea hatte ein doppeltes Spiel gespielt und steckte mit der Mafia unter einer Decke. Michael überführte ihn und ist im Dienst nun ein einsamer Wolf. Auch abseits der Arbeit hat er es nicht leicht und lebt immer in der Angst, dass sein pikantes Privatleben an die Öffentlichkeit gerät. Michael stürzt sich in den Fall und tut alles, um Ergebnisse zu liefern. Währenddessen hat Luca gerade seine Zeit im Knast abgesessen und wird von einem befreundeten Mafioso direkt auf den Axeman angesetzt. Er soll vor der Polizei herausfinden, wer er ist und warum er Italiener tötet. Zwangsläufig treffen Michael und er im Zuge ihrer Suche wieder aufeinander.
Ida, einen Tropfen schwarzen Blutes in ihren Genen, arbeitet in der Detektei Pinkerton und wünscht sich nichts sehnlicher, als selbst einen Fall zu lösen und damit zu beweisen, dass auch Frauen das Zeug zu echten Detektiven haben. Unterstützt wird sie von ihrem engen Freund Louis Armstrong, der sich als Jazzmusiker versucht. Gemeinsam ermitteln die beiden auf eigene Faust und vor allem Ida stellt sich mutig jeder Gefahr und nutzt ihren scharfen Verstand, um den Axeman zu finden. Wir treffen hier also auf drei ganz unterschiedliche Ermittler, Menschen, die so vielfältig sind wie New Orleans, die alle ihre eigenen Wege gehen, um die Morde aufzuklären. Doch obwohl wir sie alle recht gut kennenlernen, fehlt es insgesamt ein wenig an Tiefe. Da „Höllenjazz“ aber nur der erste von vier Teilen ist, kann man wohl davon ausgehen, dass sie uns zukünftig noch näher gebracht werden. Insgesamt macht es zweifellos Spaß, ihnen allen zu folgen und die Ereignisse aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln und Ermittlungsständen zu erleben.
Fazit: „Höllenjazz in New Orleans“ ist ein gelungener Auftakt zum City Blues Quartett von Ray Celestin. Der historische Krimi ist eine überzeugende Mischung aus realen und fiktiven Ereignisse und Personen, hätte allerdings gerne ein paar Seiten kürzer ausfallen dürfen, um Längen zu vermeiden. Der Spannungsbogen zieht sich dennoch konstant durch das gesamte Buch und der atmosphärische Schreibstil des Autors fesselt die Leser bis zum Schluss.
Cover © Piper
- Autor: Ray Celestin
- Titel: Höllenjazz in New Orleans
- Teil/Band der Reihe: 1 von 4
- Originaltitel: The Axeman’s Jazz
- Übersetzer: Elvira Willems
- Verlag: Piper
- Erschienen: 03/2018
- Einband: Broschiert
- Seiten: 512
- ISBN: 978-3-492-06086-8
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Wertung: 11/15 mörderische Jazz-Fans
Ein echt cooles Buch, dem mit dem Titel leider wohl Leider die ganz große Anerkennung verwährt bleiben wird…
Hallo Sören! Ja, das stimmt, der Titel ist nicht ganz so glücklich gewählt. Schöner wäre es gewesen, ihn im Original zu lassen – “The Axeman’s Jazz” klingt in jedem Fall besser. Aber die Daumen sind gedrückt, dass dieses Buch und auch die folgenden der Reihe trotzdem die verdiente Aufmerksamkeit erhalten. 🙂 Liebe Grüße, Jasmina