Moritz Grütz – Metallisierte Welt – Auf den Spuren einer Subkultur (Buch)


Moritz Grütz - Metallisierte Welt (Hirnkost, 2018)

Globalisierung geht wundersame Wege. Moritz Grütz, Chefredakteur des Webzines Metal1.info, brachte sie auf Fragen wie diese: »… wie fühlt sich ein Black-Metaller im sonnigen Kuba und welche Risiken birgt es, in Saudi-Arabien in einer härteren Musikgruppe zu spielen? Wie denkt ein Metalhead im von Bürgerkriegen zermürbten Libanon über die Glorifizierung von Gewalt in martialischen Songtexten und was geht eigentlich in der regionalen Szene von Madagaskar? Wie steht es in all diesen Ländern ganz generell um die gesellschaftliche und politische Akzeptanz dem Metal gegenüber?« Gefragt, getan – und dies noch etwas leichter getan, wenn man es als Standard-Fragenkatalog in die Interview-Praxis für die eigene Website einbauen kann.

Für den Hirnkost Verlag hat er über 30 solcher Interviews gesammelt und nach Nationen geordnet in Buchform gegeben – ein ambitioniertes Unterfangen. Nun kann ein Band voller Interviews, gerne noch mit atmosphärischen Fotos aufgewertet, ein aufregendes Leseerlebnis ergeben. “Metallisiert” hingegen ist (vermutlich sowohl aus Kosten- wie teils Diskretionsgründen) praktisch unbebildert (bis auf eine “metallisierte” Weltkarte mit Markierung des jeweiligen Landes und einer Landesflagge, in die meist noch das jeweilige Band-Logo montiert wurde) und kaum layoutet. Die Lektüre erschwerend kommt hinzu, dass die Interviews im O-Ton als Frage-Antwort-Wulst reproduziert wurden – eine Darstellungsform, die schon auf acht Seiten nicht ganz leicht zu konsumieren ist, aber auf 180 Seiten ihren das Gehirn metallisierenden Tribut fordert. Der vorläufig letzte Kritikpunkt geht an das Lektorat. Die Flut von Trennfehlern (S. 9, 12, 29, …) wie z.B. “Soundt-rack”, an denen sich das Auge reibt, wären relativ leicht vermeidbar gewesen.

Nun aber Schluss mit der Büchernörgelei und hinein in die Inhalte! Denn die sind wie vermutbar teils wirklich sehr interessant, oft zu Herzen gehend, ja schockierend, wenn Musiker beispielsweise von erhaltenen Todesdrohungen berichten oder von Konzerten, die aus dem nämlichen Grund nur vor geladenen Gästen stattfinden können. Die Interviews decken viele Heavy-Metal-Subgenres wie Death, MeloDeath, Folk, Thrash etc. und noch mehr Nationen – von Afghanistan bis “V.A. Emirate” ab, von winzigen Communities wie auf den Färöer Inseln (eine Bevölkerung von 50.000, aber zwölf Meldungen für den Wettbewerb W:O:A Metal Battle) bis zum bevölkerungsreichsten Land – China. Hier ist Zensur natürlich ein besonderes Thema. Und interessant und wichtig (vgl. aber auch S. 83-84 zum Iran). Auf der anderen Seite ermüdet es irgendwann, die fast immer gleichen, rührend vorhersagbaren Antworten auf die ostinate Frage zu lesen, was die “Devil Horns” (vulgo “Pommesgabel”) für die Befragten wohl bedeuten mag. Davon abgesehen erfahren wir aber auch von den Risiken von Gefängnisstrafe über Peitschenhiebe bis hin zur Enthauptung, denen sich als “gottlos” verdächtigte Metal-Jünger in Saudi-Arabien aussetzen (S. 150). Wir lesen schaudernd von den “vielen Metalheads”, die 2012 in Bagdad aufgrund ihrer Kleidung und/oder Überzeugung getötet wurden (S. 76). Wir hören von Menschen, die das Interviewangebot aufgrund der Gefahr abgelehnt haben, in die seine Veröffentlichung sie gebracht hätte. Solche Lesemomente erschüttern und helfen über einige Schwachpunkte des Konzepts hinwegzulesen. Dennoch hätte dieses sympathische Unterfangen vermutlich einigermaßen leicht noch relevanter, vor allem aber wesentlich lesefreundlicher geraten können.

Cover © Hirnkost Verlag

Wertung: 7/15 dpt


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