Als „The Returned“ 2012 zum ersten Mal auf Sendung ging, ahnten die Macher nicht, was für einen Hit sie landen würden. Auf den ersten Blick widersprach die ruhige, melancholische, atmosphärische und zudem auch noch aus Frankreich stammende Serie allen Erfolgsindikatoren, doch was folgte, war ein weltweiter Siegeszug, dessen Intensitätsspitze am ehesten an dem zügig produzierten US-Remake abzulesen ist. Zahlreiche, vom „The Returned“-Stil beeinflusste Serien erhöhten in der Folge den Druck auf die geplante zweite Staffel, die ganze drei Jahre später auf Canal+ debütierte. Nachdem diese vor etwa einem Jahr auch auf dem deutschen Heimkinomarkt erhältlich gemacht wurde, kann nun via Studiocanal eine Gesamtedition erstanden werden, die beide Staffeln umfasst. Eine Investition, die sich rechnerisch lohnt, ob man Staffel zwei aber wirklich im Schrank stehen haben muss, darf bezweifelt werden.
„The Returned“ ist eine Serie mit Zombies, hat aber so gut wie gar nichts mit „The Walking Dead“ gemein. Mit diesem Vergleich lässt sich wohl am ehesten ausdrücken, wie unverhofft der Erfolg der Serie kam. Über den Verlauf von acht Folgen werden basierend auf dem Kurzfilm „Les Revenants“ von Robin Campillo die geisterhaften Ereignisse in einer Kleinstadt nahe der Französischen Alpen beleuchtet, die die Toten auf mysteriöse Weise durch die Straßen laufen lassen. Immer wieder tauchen vereinzelt Verschiedene auf und suchen ihre Angehörigen heim. Oder um den Reiz der Herangehensweise angemessen zu umschreiben: Die Lebenden fühlen sich von den Toten heimgesucht. Durch die behutsame Erzählweise entwickelt sich langsam ein Netz, das sich um das Mysterium rund um den Grund der Rückkehr dreht.
Staffel eins überzeugt dabei mit der sukzessiven Einführung der Figuren, die in den immer wieder wechselnden Konstellationen geschickt ein Spannungsverhältnis zwischen Vergangenheit und Gegenwart sowie zwischen den Lebenden erzeugt. Auch wenn die erste Staffel bis zum Schluss uneindeutig bleibt, gefällt die Interpretation, dass die Toten nur als Hirngespinste im Kopf der Hinterbliebenen entstehen. So zeigt „The Returned“ einfühlsam Funktionsweisen von Trauer und deren Bewältigung, die je nach Konstellation (Eltern, Geliebte) und Persönlichkeit anders ausfallen. Die Serie ist dabei nicht immer originell und reproduziert manch ein Klischee, dennoch weiß sie einige wichtige Schlüsse zu ziehen.
Der durch Verlust ausgelöste Systemschock führt meist zu einer Identitätskrise, da das geliebte Gegenüber wegfällt und die Beziehung zu ihm gezwungenermaßen ein Ende findet. Die überlebende Person wird um eine wichtige Rolle gebracht, in der sie sich selbst konstruiert hat, mit allen Idealen und Sicherheiten, aber auch Fehlern und Unzulänglichkeiten. Es fehlt überdies eine Person, mit der sie am nachhaltigsten Sinn aushandelt. Die logische Konsequenz eines Ereignisses, das so sinnlos erscheint wie der Tod: Die hinterbliebene Person versucht sich einen Reim auf das Geschehene zu machen, was bis zur Rekonstruktion des Verlorenen reichen kann. Fragen wie „Was würde die Person wohl in diesem Moment tun?“ oder „Was würde sie sagen, wenn sie das sehen könnte?“ werden hier auf die Spitze getrieben, in dem die auf extreme Art Trauernden die Toten in den Alltag einzubauen versuchen. Eine temporäre Stütze, die auf Dauer aber eher vom Leben abhält, als dass sie die Figur aus sich heraus neuen Lebensmut schöpft.
Auch wenn es einige anregende Cliffhanger zu bestaunen gibt, kommt „The Returned“ aber vergleichsweise ruhig daher. Es kommt zu Gewalt, jedoch wohlportioniert und effektiv, ganz im Gegensatz zu den Gemetzeln anderer Zombieproduktionen. Stattdessen wirkt alles eher geisterhaft, von einer Melancholie begleitet, die alles in Graublau erscheinen lässt. Die Zurückgekehrten sind selbst nicht gewalttätig, sondern können nur auf die Lebenden einwirken und sie in ihren Taten beeinflussen. Das Mysterium wird nicht abschließend gelöst, doch ist, wie meist, auch hier eher der Weg das Ziel. Die Vergangenheit holt die Hinterbliebenen ein und provoziert verschiedene Reaktionen, ruft aber geschlossen dazu auf, mit ihr aufzuräumen und schließlich loszulassen. Oft kopiert und nie erreicht ist dabei die Atmosphäre von „The Returned“, die auf ihre ganz eigene Weise unheimlich und doch berührend wirkt. Abgerundet wird der positive Eindruck einer eigenständigen Serie vom bemerkenswerten Soundtrack der Postrock-Band Mogwai. Alleine im künstlerisch anspruchsvolle Intro, das seinerseits schon eine Handvoll Nachahmer auf den Plan gerufen hat, bringen die Instrumentalmusiker mit ihrer Untermalung die gefühlvolle Trauerstudie mit verletzlichen wie melancholischen Pianoklängen auf den Punkt.
Auf eine erste Staffel von solcher Qualität eine befriedigende Fortsetzung zu finden, ist schon eine Aufgabe für sich. Die Macher sahen sich in den drei Jahre zwischen den Staffeln aber außerdem noch mit Reaktionen auf ihr Werk konfrontiert, die zusammengenommen ohne Umschweife als Hype bezeichnet werden können. Der unruhige US-Serienmarkt reagierte überstürzt und entwickelte ein an die heimischen Sehgewohnheiten angepasstes Remake, das 2015 erstausgestrahlt und nach der ersten Staffel gleich wieder eingestampft wurde. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss auf viele weitere Serien, wie beispielsweise „Zimmer 108“ oder „Weinberg“, die im Kern allesamt Variationen der „The Returned“-Grundidee, der Atmosphäre, des provinziellen Settings oder des kühlen Designs sind.
Leider entschieden sich die Beteiligten schon im Finale der ersten Staffel für einige Kniffe, die die Serie in eine andere, weniger raffinierte Richtung lenken sollten. Zwar ist man bemüht, die Atmosphäre durch die Rückkehr an die bekannten Orte der Kleinstadt und die weiterhin behutsame Erzählweise wiederherzustellen, gleichzeitig wird jedoch ein gänzlich neuer Zeithorizont hinzugefügt inklusive neuer Figuren und Plotdetails. 35 Jahre zuvor war der Staudamm gebrochen und hat nicht nur einen Großteil der BewohnerInnen fortgeschwemmt, sondern auch Reaktionen in der Trauerbewältigung hervorgerufen, die zu einer Vielzahl an weiteren Toten führt. Als Teil der Lösung des Mysteriums, dass die Ungerechtigkeit der Vergangenheit aufgearbeitet werden will, ist zwar eine weitere Facette der Trauerthematik, doch führt sie in der gezeigten Form zu großen Logiklöchern.
Statt auf der Seite der Lebenden zu bleiben, wird sechs Monate nach den Ereignissen aus Staffel eins nun auch der Alltag der Toten aufgearbeitet, die in einem Teil der Stadt leben, das von einer neuerlichen Überschwemmung vom Rest getrennt wird. Hierdurch driftet der angenehm etablierte Symbolismus in übernatürliche Gedankenexperimente ab, die den ursprünglichen Charme der Serie unterwandern. Die Zurückgekehrten entwickeln ein Eigenleben, können lieben und verletzt werden, vor allem können sie aber aktiv in das Leben eingreifen. Gegen die Argumentationslinie, dass Fiktion und Realität verschmelzen, ist zwar wenig einzuwenden, wie jedoch ein Baby von einer Lebenden und einem Toten gezeugt werden kann, darin bleibt die Serie dem Zuschauenden eine Erklärung schuldig.
Es wirkt fast so, als sollten möglichst viele Möglichkeiten geöffnet und offengehalten werden, um keine Chance auf eine gute Weiterführung liegen zu lassen. Die Serie ist bemüht, die Freiräume und offenen Fragen der ersten Staffel zu füllen, die Ausführung wirkt aber wenig organisch, es wird eher offensichtlich, dass die Richtung der neuen Folgen kurzfristig festgelegt wurde. Der ohnehin schon umfassende Cast wird erweitert, was den Eindruck erweckt, dass man mit der selbstgeschaffenen Ausgangslage nicht zufrieden war. Eigentlich zur Genüge vorhandene Potenziale werden verschenkt, ohne dass sie durch bessere ersetzt werden. „The Returned“ nimmt sich weiterhin Zeit, durch die Rahmenbedingungen ist aber immer häufiger eine Kreisbewegung zu erkennen. Themen, die schon längst behandelt wurden, kommen wieder auf, manche Erzählstränge kommen über den gesamten Verlauf der Staffel nicht vom Fleck.
Staffel zwei ist keine Katastrophe und weiß einen trotz allem bis zu einem gewissen Punkt in seinen Bann zu ziehen, dennoch macht sie sich dem Vorwurf schuldig, den sie eigentlich selbst anzubringen versucht. Statt loszulassen, stricken die Folgen immer mehr Bedeutung um das Liebgewonnene und verklärt es zusehends, macht es zu etwas, was es nicht war. Statt vorwärts zu kommen, bekommt die Nostalgie eine prominente Position zugesprochen, die Zurückgekehrten werden sogar selbstverantwortlich tätig. Das Loslassen wird nun teilweise umgedeutet in ein Vergessen, das die Toten zu sinnlos Umherwandernde werden lässt. Das Hauptthema dabei ist Schuld und die dazugehörige Aufarbeitung, doch letztendlich sorgt dieses eher für einen (im wahrsten Sinne des Wortes) Overkill. Die überschaubare Zahl an Toten wird durch zwei Großereignisse so stark erhöht, dass das postapokalyptische Setting schlicht überfüllt ist. „The Returned“ wandelt sich von einem melancholischen Krimi zu einem brutal-düsteren Thriller mit deutlich mehr Blut und Schwarz-Weiß in der Charakterzeichnung.
Dabei bleiben Logik und Konsequenz oftmals auf der Strecke. Wozu die Toten fähig sind, wird nach den Bedarfen der jeweiligen Situation entschieden, nur um die eingeführte Regel später wieder zu vergessen. Neben eigentlich fruchtbaren Erzählsträngen, die keine wertvolle Weiterführung erfahren, verlaufen andere kurz nach Wiederaufnahme komplett im Sand. Schön ist jedoch die Idee, dass sich Lebende und Tote durch ihr Festhalten einen Raum schaffen, der für beide von tödlicher Gefahr sein kann, eine toxisch wirkende Schleife, die sich zunächst schön anfühlt, die aber nirgendwo hinführt. Aber so ist das mit der Liebe: Was man sich in ihrem Namen nicht alles gegenseitig antut.
FAZIT: Die Gesamtedition von „The Returned“ umfasst beide bislang erschienenen Staffeln der französischen Erfolgsserie, die sich in ihrer Qualität sehr stark unterscheiden. Konnte die erste fast durchweg eine berührende, überzeugende Zombie-/Geister-Geschichte mit Melancholie und Behutsamkeit erzählen (immer noch eine klare Kaufempfehlung!), weist die letzte Folge schon in eine Richtung, die Staffel zwei in eine verhängnisvolle Richtung navigiert. Bei der Auflösung gewisser Plot-Elemente lädt sich die Serie unnötigerweise neuen Ballast auf, lässt Potenziale ungenutzt und stolpert über einige große Logiklöcher. Ob sich der preisliche Vorteil der Edition also auch inhaltlich auszahlt, darf bezweifelt werden.
P.S.: Das Bonusmaterial ist überschaubar (wenn Studiocanal es nicht hat, wird es wohl schlichtweg nicht mehr geben) und umfasst neben kurzen Featurettes die Pilotfolge der Serie „Crossing Lines“. Diese hat mit „The Returned“ rein gar nichts zu tun, soll als Marketingmaßnahme dazu motivieren, weiterzuschauen.
Cover und Bilder © Studiocanal
- Titel: The Returned – Staffel 1-2 (Gesamtedition)
- Originaltitel: Les Revenants
- Produktionsland und -jahr: FRA 2012-2015
- Genre:
Drama
Thriller
- Erschienen: 11.01.2018
- Label: Studiocanal
- Spielzeit:
860 Minuten auf 6 DVDs
860 Minuten auf 4 Blu-Rays - Darsteller:
Anne Cosigny
Clotilde Hesme
Céline Sallette
Frédéric Pierrot
- Kamera: Patrick Blossier
- Musik: Mogwai
- Extras:
Featurettes, „Crossing Lines: Ein neues Team- Teil 1“ (Pilotfolge), B-Roll, Trailer - Technische Details (DVD)
Video: 1,78:1
Sprachen/Ton: D, F
Untertitel: D
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1,78:1 (1080/50i Full HD)
Sprachen/Ton: D, F
Untertitel: D
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
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