Luis Buñuel Edition (Spielfilme, 7 DVDs/7 Blu-rays)

Wird in Listenform nach den größten Regisseuren aller Zeiten gefragt, fällt immer auch der Name Luis Buñuel. Erstaunlich ist das insofern, als dass der bedeutendste spanische Filmemacher bis zum Ende seiner Karriere seine persönlich geprägten Visionen kompromisslos umsetzte und ohne Rücksichtnahme auf Finanzierungsfragen sogar einige Kassenschlager und einen Oscar-Gewinner produzierte. Bis zum Ende der 2000er-Jahre war zudem ein Großteil seiner bekanntesten Werke noch nicht einmal auf DVD gepresst worden, was dem Mitbegründer des cineastischen Surrealismus‘ gegenüber Kollegen wie Ingmar Bergman und Federico Fellini einen Nachteil in Bezug auf die Rezeption und den Einfluss auf den Nachwuchs bescherte. Arthaus setzt nun noch einen drauf und schnürt ein Boxset, das die letzten sieben Filme von Buñuel in remasterter Form umfasst, wodurch einige zum ersten Mal auf Blu-ray erhältlich gemacht werden. Ein löbliches Vorhaben, denn beim (Wieder-)Entdecken fällt auf, wie erstaunlich (oder erschreckend) aktuell das Spätwerk Buñuels daherkommt.

Um Luis Buñuel zu verstehen, ist ein Blick auf sein bewegtes Leben nötig, das 1900 begann und das in seinen 83 Jahren erstaunliche Höhen und Tiefen bereithielt. Aus wohlhabenden Verhältnissen stammend fiel dem jungen Luis früh auf, wie sehr das ländliche Leben von der sozialen sowie der religiösen Klassenordnung beeinflusst und beschnitten wird. Er konnte seinen Vater überreden, ein Studium in Madrid aufzunehmen, wo er sich Anfang der 1920er-Jahre unter anderem mit Salvador Dalí und Federico Garcia Lorca anfreundete. Wenig später zog es ihn in das aufregende, intellektuell aufmüpfige Paris und kam so zum politischen Surrealismus, der in den darauffolgenden Jahren für Furore und Skandale sorgen sollte.

Zusammen mit Dalí arbeitete Buñuel an seiner ersten Filmidee, die 1929 fertiggestellt als „Ein andalusischer Hund“ in die Filmgeschichte eingehen sollte. Das knapp 16-minütige, avantgardistische Experiment verhalf dem Surrealismus zu einer neuen Flughöhe, die politische Unruhen und Zensur nach sich zog. Nach seinem zweiten, noch provokanteren Film „Das goldene Zeitalter“ nahm Buñuel das Angebot an, in Hollywood von den Meistern zu lernen. Es sollte eine schwierige Zeit für den Spanier werden, seine Werke wurden in der Heimat verboten und es herrschte Bürgerkrieg, der schließlich in der Franco-Diktatur mündete. Sein zwischenzeitliches Heil fand Buñuel in Mexiko, wo er 1949 seine Tätigkeit als Filmemacher wieder aufnahm. Mit einigen wenigen Kompromissen in Richtung Schmonzetten-Kino drehte der mittlerweile eingebürgerte Buñuel kontinuierlich hochwertige, von den Kritikern in Cannes geliebte Werke wie „Die Vergessenen“ oder „Nazarin“.

Bemerkenswert ist allerdings, dass der Regisseur nach seiner Rückkehr nach Spanien im Jahr 1960 zu einem Spätwerk ansetzte, das bis heute seinesgleichen sucht. Mit „Viridiana“ und „Der Würgeengel“ schuf Buñuel mit Anfang 60 mindestens eine Basis für eine Zahl an Meisterwerken, die manch einer im Laufe seiner ganzen Karriere nicht auf die Beine gestellt bekommt. Genau an dieser Stelle setzt die vorliegende Box an und beginnt 1964 mit „Tagebuch einer Kammerzofe“, der neben „Die Milchstraße“ und „Tristana“ exklusiv in Remastered-Form nur in dieser Box, was aufgrund seiner Machart durchaus nachzuvollziehen ist.

Buñuels letzter Schwarz-Weiß-Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Octave Mirbeau, der zuvor von Jean Renoir (1946) und danach von Benoît Jacquot (2015) in qualitativ mäßigen Versionen verfilmt wurde. Ohne dass Buñuel mit seiner Interpretation ein Meisterwerk gelungen wäre, ist es doch vielsagend, in welcher Form er sich dem Stoff näherte. Die aus Paris stammende Celestine (Jeanne Moreau) nimmt eine neue Stelle als Kammerzofe bei einer Familie auf dem Land an und wird in einen goldenen Käfig gezogen, der vor dunkler Bitterkeit kaum zu ertragen ist. Mit Anflügen von Slapstick- und schwarzem, zynischen Humor verarbeitet Buñuel schwierige, damals skandalöse Themen wie sexuelle Begierden und Praktiken, die bis in den pädophilen Sexualmord reichen. Durch die Verlagerung des Romangeschehens von Ende des 19. Jahrhunderts in das Jahr 1928 wurde in „Tagebuch einer Kammerzofe“ neben einem klassenkritischen Film auch einer, der die Rahmenbedingungen für den aufkommenden Faschismus in Europa skizzierte. Ein mutiger und guter Film, der im Vergleich zu den Klassikern im Buñuel’schen Œuvre aber nicht ganz so geschliffen und überzeugend daherkommt.

Die Rezeption wird den Regisseur in seiner typischen Manier wenig interessiert haben, solange die Finanzierung für den nächsten Film gesichert war. Sein danach entstandener Film „Simon in der Wüste“ endete nämlich in einer Katastrophe, am Ende musste sein letzter mexikanischer Output nach 43 Minuten Laufzeit, weil der Produzent pleiteging. Anders lief es mit Serge Silberman, der alle in dieser Box zu findenden Filme produzierte. Die andere Klammer der vorliegenden Edition bildet Jean-Claude Carrière, mit dem Buñuel kooperativ die Drehbücher entwickelte. Es war durchaus eine Überraschung, dass das Team schon mit ihrem zweiten Film einen Kassenschlager zustande brachte.

Die Verfilmung von Joseph Kessels Roman „Belle de Jour“ war 1966 gleichsam Skandal wie Sensation, strich Preise ein und ist bis heute der (wahrscheinlich zu einem nicht unerheblichen Teil aufgrund des Themas Sex) finanziell erfolgreichste Buñuel-Film. Die junge, bildhübsche und aus guten Verhältnissen stammende Séverine (Catherine Deneuve) scheint glücklich mit dem Arzt Pierre (Jean Sorel) verheiratet zu sein, doch immer wieder wird sie von Tagträumen mit pikantem Inhalt heimgesucht. Während sie sich ihrem Ehemann sexuell verweigert, flirtet sie anderenorts mit ihren Fantasien, bis sie schließlich beginnt, in einem Freudenhaus zu arbeiten. Tagträume und Realität verschmelzen schließlich bis zu dem Punkt, an dem selbst der Zuschauende nicht mehr zwischen ihnen zu unterscheiden weiß.

Was im Nachhinein im Sinne der sexuellen Befreiung als „den Frauen eine Stimme geben“ interpretiert wurde, könnte heute in der aufgeheizten Stimmung rund um die Missbrauchsskandale dieses Jahres überkritisch falsch verstanden werden. Séverine entwickelt sich durch ihre Vorlieben für harten, dreckigen Sex und böse Männer zu einer Femme Fatale, die in ihrem Doppelleben destruktiv auf ihr Umfeld wirkt. Eine, die nicht glücklich ist mit einem sie liebenden, braven Mann und lieber „Perverslinge“ verführt, wird auch heute noch verdammt. Worauf Buñuel jedoch abermals hinweisen möchte, ist der Einfluss der Gesellschaft auf die Figuren. Nur eine restriktive, auf starre Werte beharrende, repressiv wirkende soziale Konstruktion zwingt ihre Mitglieder in die Untiefen ihrer selbst, weil eine offene Befriedigung ihrer Neigungen in der Realität verneint wird. Auf die heutige Diskussion gemünzt, bringt das eine oft vernachlässigte Frage ins Spiel: Inwieweit haben wir nicht alle einen Anteil an einer Gesellschaft, die über Vorstellungen von Macht und sozialer Position zu solchen Taten motiviert? Ferner könnte man auch noch danach fragen, inwieweit in der aktuellen Debatte nicht gerade eher gesellschaftliche Vorstellungen über Geschlechterkonstruktionen vertieft als aufgebrochen werden.

Buñuel gab keine Antworten auf die von ihm gestellten Fragen, wehrte sich sogar ausdrücklich gegen jedweden Interpretationsversuch. Diesem Anspruch wird er auch in „Die Milchstraße“ gerecht, ein Film, in dem er seinem zwiespältigen Verhältnis zum Katholizismus nachgeht. Auf einer Pilgerreise nach Santiago de Compostela erleben zwei Obdachlose namens Jean und Pierre zahlreiche surreale Situationen, die zusammen eine Reise durch die verschiedenen, in Konflikt stehenden Positionen innerhalb der Kirchengeschichte bilden. Buñuel hat nie mit der katholischen Kirche gebrochen, interessierte sich allerdings sehr für das Thema der Ketzerei. „Die Milchstraße“ wirkt dann auch wie ein innerer Monolog, der mit einem intellektuell anmutenden, sehr eigenen Humor geführt wird. Wie anders sollte dieser beschrieben werden, wenn ein Papst von TerroristInnen erschossen und ein hoch anspruchsvolle Rededuell über Religion im wahrsten Sinne des Wortes ausgefochten wird?

Buñuel denkt laut über starre Strukturen, Paradoxien, leere Argumente und hohle Gläubigkeit nach und legt dabei die Herausforderungen und Grenzen des Glaubens frei. Der Gottesfürchtigkeit und dem Angstmonopol der Kirche stellt der Regisseur einen menschlichen Jesus entgegen, der nur durch seine Jünger und die Überlieferung zu seiner überhöhten Stellung kommen konnte. Das wahre, sozialisierende Ideal des Glaubens und der Nächstenliebe wird von Machtstrukturen überlagert, die auf die (Gut-)Gläubigkeit der Menschen aufbaut. Ganz offensichtlich ist das auch als Kommentar auf die 68er-Bewegung gedacht, die sich mit den bestehenden Machtverhältnissen nicht mehr begnügen wollten.

1970 finden Buñuel und Deneuve ein zweites Mal zusammen, wieder spielt die Französin eine junge, bildhübsche, kindische und auf eine gewisse Weise eingesperrte Frau. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Benito Pérez Galdós geht es um das Waisenkind Tristana, die von don Lope (Fernando Rey) adoptiert wurde. Im Alter von 19 Jahren beginnt Lope sie zu begehren, die beiden werden ein Paar, sind zugleich Vater und Tochter wie Mann und Frau. Tristana wird allerdings als junges, naives Ding dargestellt, das kaum in der Lage ist, die Avancen einzuschätzen, immerhin hält sie don Lope seit Jahren abgeschottet vom täglichen Leben.

Trotz seiner Aussage, dass er in seinen Filmen keine Psychoanalyse betreibe, kann Buñuel den Einfluss Freuds auf sein Werk nicht leugnen. Während es in der gezeigten Welt der 1920er- beziehungsweise 1930er-Jahre rumort, leben die beiden ProtagonistInnen ein abgeschiedenes, weil von Armut bedrohtes Leben, das ödipale sexuelle Begierden begünstigt. Irgendwann packt „Tristana“ dann aber doch der Freiheitsdrang, sie lernt Horacio (Franco Nero) kennen und beginnt mit ihm eine Affäre. Als sie dann doch wieder bei don Lope landet, wird sie schwer krank, ebenso ihr Ehemann. Ein bitteres Stück, in dem das Verlangen nach Liebe auf der Strecke bleibt.

Auch im 1972 erschienenen „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ beschäftigt sich Buñuel mit der Oberschicht und ihrer Konstruktion. Ähnlich wie in „Der Würgeengel“ und „Tagebuch einer Kammerzofe“ sieht der Regisseur in der Bourgeoisie tragische Momente der Wiederholung und des Stillstandes und bebildert sie oscarprämiert. Im Grunde fußt der Film auf der Idee, dass sich eine Runde aus drei Männern und drei Frauen immer wieder zum Essen verabredet, aus den unterschiedlichsten Gründen aber von ihrem Vorhaben abgehalten wird, ehe sie es zu Ende bringen kann.

Der Clou besteht im Zusammenspiel zweier Komponenten: Dem Traum und dem Surrealismus. Immer wieder wachen die ProtagonistInnen auf, ohne dass es eine Auflösung darüber gibt, wann etwas Traum und wann Realität ist. Das führt soweit, dass der eine träumt, dass der andere etwas geträumt hat und sich beim Zuschauenden das Gefühl einstellt, ob nicht auch das ein Traum sein könnte. Der Surrealismus bildet dafür den perfekten Rahmen, da dieser immer im Realismus fußt und die Unsicherheit über den potenziellen Traum fördert. In einem Restaurant auf eine aufgebahrte Leiche zu stoßen, mag unrealistisch, aber eben nicht unmöglich sein.

Die gezeigte Oberschicht ist gefangen in ihrem Alltag, der vom rituellen Exzess geprägt ist, der aber eben gewissen Handlungen bedarf, um selbst feststellen zu können, ob man noch am Leben ist. Eine Terroristin zu verführen, die einen ganz offensichtlich umbringen möchte, ist eine dieser selbstentlarvenden Handlungsweisen, die von den Figuren aber überhaupt nicht reflektiert werden. Sie halten daran fest, dass sie einer gewissen Schicht angehören und sich von anderen durch ihre (scheinbare) Kultiviertheit abheben, darüber hinaus haben sie jedoch den Sinn für das moralisch Richtige und ihre Zivilisiertheit verloren. „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ ist ein dementsprechend morbides, aber auch köstliches Schauspiel, das weniger bitter wirkt als viele andere Buñuel-Filme.

1974 ging Buñuel dann wieder provokanter und experimenteller zu Werke. „Das Gespenst der Freiheit“ ist mehr als satirischer Staffellauf durch Vignetten denn als stringenter Film zu beschreiben. Immer wieder steht eine Figur im Mittelpunkt, die in den nächsten surrealen Abschnitt führt und öffnet dadurch einen neuen Möglichkeitsraum. Buñuel webt „seine“ Themen ein, die von Gewalt in Form von Terrorismus und Massenmord über Sex wie Sadomasochismus- und Inzest-Praktiken bis zur Frage nach gesellschaftlichen Normen reichen. Zudem ermöglicht die Form den Einsatz von mehr SchauspielerInnen, wodurch er eine Reihe an langjährigen PartnerInnen wie Milena Vukotic (mal in einer größeren Rolle), Michel Piccoli, Pierre Maguelon und Julien Bertheau unterbringen konnte. Durch diesen zusammenfassenden, stichwortartigen Charakter wird „Das Gespenst der Freiheit“ vielleicht nicht zum besten, aber zum umfassendsten Werk in Buñuels Filmografie.

Wie der Titel treffend beschreibt, versucht der Regisseur das Paradox der Freiheit zu ergründen. Absolute Freiheit ist schlicht und ergreifend unmöglich, sobald eine Gemeinschaft vorliegt, so die ernüchternde Wahrheit. Buñuel zeigt die Grenzen des Freiheitsstrebens, aber auch die Willkür, mit der diese gezogen werden. Warum ist es beispielsweise so, dass man gemeinsam isst und alleine auf die Toilette geht und nicht umgekehrt? Zu „Das Gespenst der Freiheit“ gehört die Aneinanderreihung von surrealen Bildern, die trotz allem Gehirnschmalz von Buñuel und Carrière aus einer Freien Assoziation-Sitzung zu stammen scheinen. Ein unterhaltsamer Ritt durch das Unterbewusstsein, dass mit soziologischen Überlegungen angereichert wird, dass laut Buñuel aber eben nicht in seine letzten Winkel verstanden werden soll.

Der letzte Film des großen Regisseurs erschien 1977, sechs Jahr vor seinem Tod. „Dieses obskure Objekt der Begierde“ nimmt sich dem Roman „Das Weib und der Hampelmann“ an, der ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts von Pierre Louÿs verfasst und mehrmals verfilmt wurde. Auch hier wird die Handlung näher an die damalige Jetztzeit gesetzt, um den allgegenwärtigen Terrorismus einarbeiten zu können. Mathieu (Fernando Rey) gehört der Oberschicht an und verguckt sich in sein neues Hausmädchen Conchita, die gerade einmal 18 Jahre alt sein soll. Die Beziehung der beiden ist von ihrem Alters- und Klassenunterschied geprägt und ist ein ständiges Schwanken zwischen Annäherung und Abstoßung.

Mathieu legt Conchita die Welt zu Füßen, macht ihr unentwegt Geschenke, doch jedes Mal kurz vor der sexuellen Vereinigung wird er von seiner Liebschaft abgewiesen. Buñuel reißt wichtige Aspekte des Themas Liebe an, unter anderem die Fragen, ob sie nicht nur eine andere Form des Besitzens ist und ob sie blind machen kann (Conchita wird sowohl von Carole Bouquet als auch von Angela Molina verkörpert). Wie in „Belle de Jour“ muss vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten ebenfalls darüber diskutiert werden, inwiefern das brutale Katz-und-Maus-Spiel der beiden Liebenden nicht auch eine ernstzunehmende, sexuell aufgeladene Fantasie sein kann, die es zu untersuchen gilt. „Dieses obskure Objekt der Begierde“ ist dann auch würdiger Schlusspunkt unter eine erstaunliche Karriere, dessen mit der vorliegenden Box in neuem Glanz erleuchteten Spätwerk ein ganz eigenes Qualitätslevel definierte.

Die schiere Dichte wird durch das Zusammenbinden der letzten sieben Filme ebenso deutlich wie die Eigenarten des Buñuel’schen Stils. Neben einem Pool an StammschauspielerInnen vertraute er fast immer auf eine Länge von 97 Minuten Laufzeit. Alle sieben Werke kommen ohne Musik im Sinne eines Soundtracks aus, stattdessen bestimmen Geräusche und einzelne Musikstücke die Atmosphäre eines jeden Films. Immer spielt das Geschehen im Spanien, Frankreich oder Italien des 20. Jahrhunderts (ausgenommene manch eine Rückblende) und ist doch von Wert für die aktuelle Situation. Gerade heutzutage, wenn es um einen Rechtsruck, Trump und Fake News, aber auch Debatten über sexuelle Übergriffe geht, wissen Buñuels Werke die richtigen Fragen zu stellen.

Eine Renaissance des Surrealismus vor allem in seiner politisch-revolutionär ausgerichteten Form würde jedenfalls kaum überraschen. Auch das Genre des surrealistischen Films wiederzubeleben, könnte ein Projekt der Zukunft sein, schließlich sind die Werke von zum Beispiel Fellini, Godard und Antonioni, aber auch eines David Lynch unerreicht, in ihrem Einfluss jedoch immer noch allgegenwärtig. Die vorliegende Box macht es jedenfalls um einiges einfacher die Visionen Buñuels zu untersuchen. Über acht Stunden Bonusmaterial verteilt auf alle Discs geben einen Einblick in das bewegte Leben der Regie-Legende, bietet Interpretationsansätze zu den teils anspruchsvollen Inhalten und gibt gerade durch die zahlreichen Interviews mit Jean-Claude Carrière einen Einblick hinter die Kulissen und in das Seelenleben des Masterminds Buñuel. Ein Paket, das in jeden Liebhaberschrank gehört – mindestens.

FAZIT: Die „Luis Buñuel Edition“ von Arthaus umfasst die letzten sieben Filme des Ausnahmeregisseurs und macht sie teilweise zum ersten Mal auf Blu-ray erhältlich. Das Werk des Spaniers und Mitbegründers des Surrealismus ist provokativ, komplex und anspruchsvoll, oft aber auch unterhaltsam. Mit seinem Mix aus soziologischen, psychologischen und philosophischen Blickwinkeln wirft er einen zu seiner Zeit skandalösen, aber im Nachgang einleuchtendes Licht auf Gesellschaft. Buñuel hat einen unverkennbaren Stil, den er in Sachen Humor graduell reguliert, der aber von technischen, personellen und stilistischen Stammelementen durchzogen wird. Seine in höchstem Maße persönlich geprägten Filme sind kompromisslos und rätselhaft, gleichzeitig aber erfolgreich. Oder sind sie es gerade wegen ihrer Sturheit? Die Aktualität seiner Werke ist bemerkenswert und stellt die Frage, ob der Surrealismus nicht bald ein politisch motiviertes Comeback feiern könnte (beziehungsweise muss). Die vorliegende Box behält mit den Digital Remastered-Versionen und dem umfangreichen Bonus Material jedenfalls alle Zutaten bereit, um sich von Luis Buñuel beeinflussen zu lassen.

Sämtliches Bildmaterial © Arthaus

  • Titel: Luis Buñuel Edition
    Tagebuch einer Kammerzofe (1964) – Exklusiv nur in der Edition!
    Belle de Jour – Schöne des Tages (1967)
    Die Milchstraße (1969) – Exklusiv nur in der Edition!
    Tristana (1970) – Exklusiv nur in der Edition!
    Der diskrete Charme der Bourgeoisie (1972)
    Das Gespenst der Freiheit (1974)
    Dieses obskure Objekt der Begierde (1977)
  • Produktionsland und -jahr: SPA, ITA, FRA
  • Genre:
    Surrealismus
    Drama
    Comedy
  • Erschienen: 16.11.2017
  • Label: Arthaus
  • Spielzeit:
    609 Minuten auf 7 DVDs
    609
    Minuten auf 7 Blu-Rays
  • Darsteller:
    u.a.
    Catherine Denueve
    Jeanne Moreau
    Franco Nero
    Michel Piccoli
    Fernando Rey
    Monica Vitti
  • Regie: Luis Buñuel
  • Drehbuch: u.a. Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière, Julio Alejandro
  • Extras:
    Interviews mit Carlos Saura, Franco Nero und Jean-Claude Carrière; Featurettes: Die Willkür der Begierde, Doppelgänger, Porträt eines ungeduldigen Filmemachers, Ein Engel im Sumpf, Das Überschreiten der Träume, Buñuel – Atheist von Gottes Gnaden und Ein Spaziergang unter Schatten; Q&As mit Diego Buñuel und Jean-Claude Carrière; Kritische Analyse von Prof. W. Evans; Bildergalerie, Booklet, Trailer
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    2,35:1, 1,66:1
    Sprachen/Ton
    :
    D, F, S, GB
    Untertitel:
    D, F, GB
  • Technische Details (Blu-Ray)
    Video:
    2,35:1 (1080/24p Full HD), 1,66:1 (1080/24p Full HD)
    Sprachen/Ton
    :
    D, F, S, GB
    Untertitel:
    D, F, GB
  • FSK: 16
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

Wertung: keine

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