Carmen Korn – Zeiten des Aufbruchs (Buch)


Carmen Korn - Zeiten des Aufruhrs (Cover ©rowohlt)Die vier Hamburger Freundinnen Henny, Ida, Lina und Käthe sind nach Ende des zweiten Weltkriegs zerrissen. Käthe ist verschollen, obwohl Henny glaubt, dass sie sie in der Silvesternacht in der U-Bahn gesehen hat. Selbst so alt wie das Jahrhundert, müssen sich die vier neu sortieren und ihre Leben an den Aufschwung der 50er und 60er Jahre anpassen. Während Lina gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Louise eine Buchhandlung aufbaut, heiratet Henny endlich ihre große Liebe Theo Unger. Sorgen bereitet ihr vor allem das Verschwinden von Käthe, und dass ihr zweiter Ehemann Ernst Lühr sie denunziert haben könnte. Außerdem hat sie Angst, dass die Beziehung ihres schwulen Sohnes Klaus öffentlich wird und er sich selbst damit der Gefahr aussetzt. Ida hingegen arbeitet nach dem Krieg in einer Modelagentur und erlebt den Glanz einer anderen Welt. Käthe kämpft zunächst ums Überleben, weiß nicht, wem sie vertrauen kann und ob ihr Ehemann und große Liebe Rudi noch lebt.

Auch im zweiten Teil der Hamburger Jahrhunderttrilogie entwickelt Carmen Korn mit ihrem eigenen Stil und ihrrer Erzählweise eine Tür in eine andere Welt. Das Buch ist ähnlich wie das erste aufgebaut und behandelt neben Alltagsproblemen auch größere Tragödien der vier Freundinnen und ihrer Familien. Dabei werden häufig wieder nur Ausschnitte ihrer Leben geliefert wie etwa ein Osterfrühstück oder ein Spaziergang an der Alster, ohne dass irgendetwas passiert. Hinzu kommen häufig sehr hölzerne Dialoge. Dadurch wirkt das Buch an vielen Stellen langatmig.

Besonders interessant sind die Stellen, an denen Korn die Zeitgeschichte mit einfließen lässt. Es ist informativ und spannend zugleich, zu erfahren, welche Reaktionen ein neuer Kanzler, die D-Mark oder die Mondlandung bei den Personen auslöst. Ein anderes Beispiel ist der Umgang mit Medien. Sowohl Hennys Sohn Klaus, sein Freund Alex als auch ihr Schwiegersohn Thiess arbeiten beim Rundfunk und erleben zuerst den Jazz, dann den Rock’n’Roll und später die ersten Lieder der Beatles. Gleichzeitig verbringt ihre Mutter Else immer mehr Zeit vor dem Fernseher und sieht in ihrer Einsamkeit die Fernsehfamilien als eine Erweiterung ihrer eigenen an. Idas Tochter Florentine erobert hingegen als Supermodel die Laufstege dieser Welt.

Leider werden viele andere Konflikte schnell und oberflächlich gelöst. Es wird häufig über spannende Dialoge hinweg geschrieben, statt diese auszuführen. Ein Beispiel dafür ist das Wiedersehen von Henny und Käthe. Eigentlich gäbe es eine Menge Gesprächsbedarf, über ihre Gedanken und Gefühle. Korn schreibt jedoch lediglich, dass sie viel redeten. Leider besteht an einigen Stellen der Wunsch nach einem lebendigen Dialog.
Die vier Freundinnen selber wirken zeitlos und unnahbar. Besonders Henny strahlt eine Perfektion aus. Immer wieder wird erwähnt, wie jung sie alle trotz ihres höheren Alters aussehen, wie wundervoll ihre Ehemänner sind und wie viel Glück sie im Leben dank der vielen Liebe zueinander doch hatte. Echte Konflikte und Spannungen entstehen selten. Es ist abzuwarten, wie die Autorin das Alter von 80-100 Jahren in ihrem nächsten Roman ausbaut.

Es gibt aber auch einige interessante Figuren. Klaus, Hennys Sohn, führt eine Beziehung mit Alex. Da Homosexualität strafbar ist, müssen sie diese aber geheim halten. Dies wird besonders kompliziert, als Alex als Musiker bekannt wird und bei verschiedenen Veranstaltungen mit weiblicher Begleitung erwartet wird. Ernst Lühr, der Klaus’ Vater und Käthes Verräter, hadert mit seinem Leben nach Ende des zweiten Weltkriegs. Er sucht die Nähe seines Sohnes, während er auf der anderen Seite seinen Lebensstil missbilligt. Er versteht nicht, wie ein Volksschullehrer und Nazi-Sympathisant plötzlich als Verlierer dasteht, während es allen anderen um ihn herum scheinbar besser geht. So ist die einzige Nähe zu seinem Sohn seine wöchentliche Radioshow.

Der zweite Teil der Hamburger Jahrhunderttrilogie ist spannender und interessanter als der erste Teil. Dennoch bleibt der Stil der Autorin ähnlich, wodurch häufig Banalitäten und steife Dialoge das Buch bestimmen. Trotzdem ist es lesenswert, da es einen interessanten Einblick in die jüngere Geschichte gibt.

Cover © rowohlt

  • Autor: Carmen Korn
  • Titel: Zeiten des Aufbruchs
  • Band der Reihe: Band 2 von 3 der Hamburger Jahrhunderttrilogie
  • Verlag: Kindler
  • Erschienen: 06/2017 (rohwolt)
  • Einband: gebunden mit Schutzumschlag
  • Seiten: 608 Seiten
  • ISBN: 346-3-40683-7
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite mit Leseprobe und Interview der Autorin
    Erwerbsmöglichkeiten; auch als E-Book, Hörbuch
    1. Band: Töchter einer neuen Zeit: Erwerbsmöglichkeit und Rezension

Wertung: 10/15 Fischbrötchen

 


1 Kommentar
  1. Ich lese viel und auch sehr gerne. Dieses Buch ist langweilig, ohne Spannung! Ich lege es immer wieder beiseite, hole es wieder hervor, aber es tut sich nichts in dem Buch! Es ist nur ein Geplänkel. Ich bereue schon, dass ich den 2. Teil gleich mitgekauft habe! Wirklich schade!

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