Julius Wiedemann – 100 Manga Artists (Sachbuch)

Julius Wiedemann - 100 Manga Artists (Cover © Taschen Verlag)Es ist erstaunlich, welchen Weg Mangas in den letzten 20 bis 25 Jahren gegangen sind. Ursprünglich wurden nur einige wenige herausgebracht und wenn, dann im damals üblichen Albumformat. Erst der Erfolg von “Dragon Ball” und “Sailor Moon” im Fernsehen brachte den Durchbruch und führte zu Publikationen im mittlerweile bekannten Taschenbuch-Format. Heutzutage sind diese Comics aus Japan längst Teil der Jugendkultur und nicht mehr wegzudenken.

Der Taschen-Verlag bringt jetzt in seinem „Bibliotheca Universalis“-Imprint den Band „100 Manga Artists“ heraus. Der verantwortliche Herausgeber ist Julius Wiedemann. Er studierte Grafikdesign und Marketing. Danach arbeitete er in Tokio als Kunstredakteur für digitale Medien und Designmagazine. Für den Verlag hat er zuvor unter anderem “Logo Design” und “Jazz Covers” betreut.

Das Werk “100 Manga Artists” will einen Querschnitt bieten. Einerseits soll es eine Reise durch die Zeit sein und dabei berühmte Künstler vorstellen. Andererseits werden ebenfalls Mangakas vorgestellt, die derzeit in Japan ihren großen Erfolg feiern und außerhalb ihrer Heimat vielleicht nicht so bekannt sind.

Dabei wird der Band dreisprachig präsentiert. Außer in Englisch und Deutsch wird der Inhalt auch in Französisch wiedergegeben. Das heißt, dass man für jeden Mangaka zunächst eine englischsprachige Einführung erhält und auf derselben Seite die wichtigsten Eckdaten wie Geburt oder Erscheinungsdatum seiner wichtigsten Werke aufgeführt werden. Eine Seite später wird der Inhalt noch einmal in den anderen Sprachen aufgeführt.

Dadurch hat das Werk etwas von einem Museumskatalog, in dem man nur die wichtigsten Informationen lesen kann und den Rest erst durchs Betrachten der Werke oder durch eigene, weitere Recherchen herausfinden muss. Besser wäre es vielleicht gewesen, “100 Manga Artists” einsprachig zu gestalten, da so mehr Infos untergebracht hätten werden können.

Wobei im Vordergrund des Bandes natürlich die Illustrationen der unterschiedlichen Künstler stehen. Und so kriegt jeder Mangaka vier bis fünf Seiten, auf denen man Anschauungsmaterial aus dem jeweiligen Oeuvre bewundern kann. Allerdings enthalten alle Seiten ausschließlich japanischen Text, was für eine Verständnishürde sorgt, falls man der Sprache nicht mächtig ist. Allerdings liegt die Erklärung für diese Entscheidung nahe. Denn in diesem Buch sind diverse Werke enthalten, die ihren Weg nicht nach Deutschland gefunden haben. Dementsprechend verwirrend wäre es gewesen, wenn einige Serien übersetzt worden wären und andere nicht. Ganz zu schweigen von den Lizenzrechten, die je nach Reihe bei unterschiedlichen Verlagen liegen.

Was sich allerdings nicht erklären lässt, ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Leserichtungen. Die normalen Texte sollen in westlicher Richtung gelesen werden, also von links nach rechts. Die Mangaseiten hingegen werden in ihrer ursprünglichen Leserichtung abgedruckt, also von rechts nach links. Und so liest man eine Kurzbiografie, blättert weiter und wird dann förmlich aus dem Lesefluss geworfen, weil man sich auf einmal umgewöhnen muss. Das wäre bei zwei Seiten ja kein Problem. Doch es gibt auch Leseproben, die drei Seiten lang sind, sodass man das Ende einer Sequenz vor dem Anfang liest.
Es ist diese Entscheidung, die einen am Kopf kratzen lässt. Denn wen hat der Band als Zielpublikum überhaupt ausgemacht? Offensichtlich nicht den normalen Mangaleser, denn der weiß automatisch, in welcher Richtung er lesen muss. Aber wenn Julius Wiedemann nur die neugierigen Leute ansprechen möchte, die mit Mangas bestenfalls am Rande zu tun haben, dann geht das vollkommen am intendierten Publikum vorbei.

Wobei man ebenfalls die Auswahl der Künstler bemängeln muss. Klar, die üblichen Verdächtigen sind dabei. Man hat aktuelle Megastars wie Eiichiro Oda, Osamu Tezuka, den Gründungsvater der Mangas, an dem kein Weg vorbei führt, gelistet, ebenso Mangakas, die erst vor „kurzem“ erfolgreich wurden, wie der „Attack on Titan“-Künstler Isayama Hajime. Doch auch hierzulande eher unbekannte Künstler wie Taniguichi Natsuko kommen vor, wobei jener sogar das auffällige Cover designen durfte. Und trotzdem fehlen wichtige Namen. Leute, die vor allem hier im Westen bekannt sind. So wird Naoko Takeuchi nicht erwähnt, die mit ihrem Werk „Sailor Moon“ hierzulande den Weg für die Mangas ebnete. Oder das Duo Kazuo Koike und Goseki Kojima, die mit ihrem „Lone Wolf and Cub“ vor allem in Amerika berühmt wurden.

Wer mehr über Mangas erfahren möchte, der ist mit diesem Band sicherlich gut aufgehoben. Solange man sich nicht an den eklatanten Fehlern stört, die einem den Gesamteindruck vermiesen.

Cover © TASCHEN Verlag

  • Autor: Julius Wiedemann
  • Titel: 100 Manga Artists
  • Originaltitel: 100 Manga Artists
  • Übersetzer: Ulrike Roeckelein
  • Verlag: TASCHEN Verlag
  • Erschienen: 01/2017
  • Einband: Gebunden
  • Seiten: 672
  • ISBN: 978-3836526470
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite 
    Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 7/15 dpt

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1 Kommentar
  1. Ich mag ja solche Bücher über Manga-ka und die Geschichte des Manga sehr. Das mit den verschiedenen Sprachen klingt aber wirklich suboptimal. So hat man letzten Endes nur ein Drittel des Umfangs, was man wirklich liest. Schade. Andererseits wieder schön, dass sehr aktuell gehypte Künstler dabei sind, denn unter denen wären mir sicherlich auch einige noch unbekannt.
    Ich kann Paul Gravetts Buch sehr empfehlen: http://miss-booleana.de/2016/01/29/review-paul-gravett-manga-sechzig-jahre-japanische-comics/ , aber ich glaube, dass es vergriffen ist.

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