Ethan Cross – Spectrum (Buch)


Ethan Cross - Spectrum (Cover © Bastei Lübbe)«Er fühlte sich mehr in einer Welt daheim, wo die Raubtiere Mähnen trugen und keine italienischen Maßanzüge.»

Schwarz, riesig, breit wie ein Schrank und unerbittlich: Krüger ist selbst ein Raubtier. Als Auftragsmörder treibt er zunächst in seiner Heimat Afrika sein Unwesen, bis ihn ein Auftrag in die Nähe von Las Vegas führt. Eine Welt, die ihm fremd ist, Menschen, die keine Ahnung haben, was es wirklich bedeutet, zu leiden.

Fremd in dieser Welt fühlt sich auch Dr. August Burke. Das Asperger-Syndrom macht ihn zu einem Genie, das Zusammenhänge erkennt, wo andere nicht einmal welche erahnen würden. Es macht ihn aber auch zu einem Sonderling, der Emotionen und menschliches Verhalten nicht wirklich zu deuten weiß. Für das FBI ist er als Berater Gold wert. Deshalb wird er bei einem ungewöhnlichen Banküberfall zu Hilfe gerufen. Die Täter verhalten sich seltsam und können sogar vollkommen unbemerkt das komplett umstellte Gebäude verlassen. Dank Burke entdeckt das Team um Special Agent Carter ein Geheimlabor samt verstecktem Zugang, in dem sich das eigentliche Ziel der Täter verbarg. Nun gilt es herauszufinden, was es damit auf sich hat. Die Gegner sind unberechenbar, größenwahnsinnig und extrem tödlich.

Cross-typisch beginnt die Handlung alles andere als zimperlich: Ein besonders brutales Massaker in Südafrika markiert den Start einer rasanten, grausamen und gnadenlosen Jagd. In verschiedenen Handlungssträngen entwickelt der Autor ganz unterschiedliche Szenarien, die langsam und schrittweise, dafür aber schlüssig und nicht ohne die eine oder andere Überraschung zusammenlaufen. Der Plot ist wie gewohnt extrem actiongeladen. Wer Cross liest, darf sich auf Explosionen, schnelle Autos, Schießereien und waghalsige Aktionen freuen – das ist auch bei „Spectrum“ nicht anders. Wie ein ziemlich rasanter, lauter und knallbunter Film läuft die Handlung vor dem inneren Auge ab.

Ebenfalls typisch für Ehtan Cross: Die gesamte Story und die Charaktere sind sehr amerikanisch. Dass hier alles ein bisschen „drüber“ ist, dass Gott immer wieder eine Rolle spielt, dass die Agenten – sei es nun vom FBI oder von der CIA – etwas superheldenmäßig unterwegs sind, dass auf Schritt und Tritt geschossen wird, darauf muss man sich einlassen. Wenn man das tut, belohnt einen der Autor mit einer Menge actiongeladener Spannung und einer guten Prise überaus treffend eingesetztem Humor.

Genau an diesen Zutaten erkennt man sofort, dass hier der Erfinder der Shepherd Organization am Werk war – und doch ist „Spectrum“ ganz anders. Beiden gemein ist aber zweifellos, dass Cross ein echtes Händchen für seine Charaktere hat. War es bei der Shepherd-Reihe Francis Ackerman Jr., der charismatische Serienmörder, der den Leser trotz seiner Taten komplett um den Finger wickelte, ist es bei „Spectrum“ Dr. August Burke, den man schnell ins Herz schließt. Burke ist wirklich speziell. Das Asperger-Syndrom, eine Form des Autismus, die sich insbesondere durch Schwächen im Bereich der sozialen Interaktion auszeichnet, bestimmt das Leben des jungen FBI-Beraters als Fluch und Segen zugleich. Dank der Krankheit ist er hyper-intelligent, hat eine beeindruckende Beobachtungsgabe und ist in der Lage, Schlussfolgerungen zu ziehen, die anderen verborgen bleiben. Allerdings hat er deshalb auch große Probleme andere Menschen zu verstehen, sie zu deuten und sich selbst der Situation angemessen zu verhalten. Er weiß, dass er seinen Mitmenschen schon mal – unbeabsichtigt – auf die Füße die tritt, kann aber einfach nichts daran ändern. Das macht ihn unglücklich und ist einer der Hauptgründe, warum er die Gesellschaft anderer weitgehend versucht zu meiden. Burke ist ein unglaublich interessanter, vielschichtiger Charakter, den man trotz und wegen seiner Eigenarten einfach mögen muss.

Aber auch die anderen Charaktere, wie zum Beispiel Agent Carter und sogar Krüger, sind durchweg facettenreich gezeichnet und mit ihnen ganz eigenen Zügen und Verhaltensweisen ausgestattet, die ihnen eine gewisse Tiefe verleihen. Es macht Spaß, ihnen und ihren Gedanken zu folgen, sie kennenzulernen und ihre Entwicklung mitzuerleben.

Trotz der schießwütigen, lauten Handlung, ist die Geschichte nicht oberflächig. Vielmehr behandelt Cross hier zwischen den Zeilen Themen wie Zusammenhalt, Freundschaft und die Akzeptanz von „Anderssein“, aber auch die innere Zerrissenheit von ebendiesen andersartigen Menschen. Ebenso geht es um Größenwahn, Rache und darum, dass Menschen oft nicht die sind, die sie zunächst zu sein scheinen. Hinter jedem steckt mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist – egal, ob es sich um den brutalen Mörder oder das sonderbare Genie handelt.

Fazit: Der Auftakt zu Ethan Cross‘ neuer Reihe steht der Shepherd-Serie in nichts nach. Wieder überzeugt der Autor vor allem mit seinen außergewöhnlichen, facettenreichen Charakteren, die sich in einer actionreichen Handlung durch Las Vegas bewegen. Lässt man sich auf die sehr amerikanische Art und den rasanten, nicht unbedingt allzu realistischen Plot ein, erlebt man einmal mehr ein kurzweiliges, spannendes, stellenweise humorvolles Lesevergnügen, das richtig Lust auf die nachfolgenden Teile macht.

Cover © Bastei Lübbe

Wertung: 13/15 FBI-Agenten


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