«Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste, und der Revolvermann folgte ihm.»
Dieser Satz! Einer DER ersten Buch-Sätze, die auf ewig unvergessen bleiben. Und eine der wenigen Gemeinsamkeiten zwischen der epischen Fantasy-Western-Saga von Stephen King und der gerade angelaufenen Filmversion.
Eigentlich müsste man zur Verfilmung von „Der Dunkle Turm“ zwei Rezensionen schreiben. Einmal unter Berücksichtigung der Buchvorlage und einmal als eigenständiger Film. Erstere würde leider vernichtend ausfallen, denn bis auf den genannten Satz und eine Handvoll Referenzen ist von Kings Meisterwerk nicht viel übriggeblieben. Obwohl der Autor – wie üblich – auch selbst seine Finger mit im Spiel hatte, hat die Adaption das Thema meilenweit verfehlt.
Eine Rezension, die die Bücher außer Acht ließe, käme zumindest zu dem Schluss, dass es sich hier um einen akzeptablen, soliden Film handelt, der nicht schlecht, aber auch nicht überragend ist.
Der Mittelweg ist hingegen etwas schwieriger auf den Punkt zu bringen. Umreißen wir zunächst den Inhalt:
Der Teenager Jake (Tom Taylor) wird von düsteren Visionen gequält. Menschen mit falscher Haut, ein bedrohlich aussehender Mann in Schwarz (Matthew McConaughey), ein Turm, der die Welt zusammenhält und vom Mann in Schwarz und seinem Gefolge zerstört werden soll. Er sieht Kinder, die gefangen gehalten werden, weil deren Gedanken das einzige sind, das dem Turm schaden kann. Natürlich glaubt niemand Jake, er soll sogar in eine Klinik eingewiesen werden. Also flieht er und macht sich auf die Suche nach dem Turm. Dabei entdeckt er ein Portal, das ihn in eine andere Welt katapultiert.
Dort trifft er auf Roland (Idris Elba), den er ebenfalls bereits aus seinen Visionen kennt. Roland ist der letzte Revolvermann einer sterbenden Welt und hat nur ein Ziel: den Mann in Schwarz töten. Gemeinsam ziehen die beiden ungleichen Charaktere los, um den düsteren Magier zu finden und ihm Einhalt zu gebieten. Der Mann in Schwarz findet heraus, dass Jakes Verstand allein reicht, um den Turm zu Fall zu bringen. Und so begibt er sich seinerseits auf die Suche nach dem Jungen.
Fest steht: Die Zusammenfassung der Buchreihe würde ganz anders aussehen. Die eigentliche Handlung ist im Film bis auf winzige Körnchen zusammengestaucht, wodurch sie recht banal wird. Die extreme Tiefe und Ausgefeiltheit der Saga sucht man vergeblich. Was dem geneigten Leser während des Films ganz besonders auffällt, ist, dass hier offenbar nicht der Revolvermann und seine eindrucksvolle Geschichte sowie seine lange Reise zum Turm im Fokus des Geschehens stehen, sondern vielmehr Jake und sein Shining, also seine übernatürliche Gabe. Ein weiterer gravierender Unterschied: In den Büchern ist Roland ein verlebter weißer Typ mit stahlblauen Augen. Im Film ist es Idris Elba – schwarz, gutaussehend und so weit entfernt von stahlblauen Augen, wie man nur sein kann. Ohne Zweifel ein grandioser Schauspieler, aber für Fans der Reihe eben nicht der Revolvermann. Ein Revolvermann – ja, und ein wirklich guter dazu, aber nicht DER Revolvermann.
Wichtige Charaktere, die die Handlung in den Büchern maßgeblich vorantreiben, fehlen komplett. Dies ist sicherlich nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass es nahezu unmöglich ist, acht (!) Bände in nur einen einzigen Film zu quetschen. Da stellt sich die Frage, warum man sich – gerade in der heutigen Zeit – nicht für eine Serie entschieden hat. Moment, hat man ja doch! Wie kürzlich zu lesen war, ist sie wohl gerade in der frühen Produktionsphase. Aber warum unbedingt dieser Film sein musste, bleibt unklar. Die Hoffnung liegt also nun auf der Serie.
Wie auch immer: Die Schauspieler machen ihre Sache insgesamt gut. McConaughey in seiner Rolle als durch und durch böser Bösewicht ist geradezu erschreckend überzeugend und sorgt mit jedem Auftritt für eine gewisse Beklemmung. Idris Elba ist wortkarg, cool und getrieben von Rachegelüsten, dabei wirkt er ziemlich verbittert und hoffnungslos. Wie schon geschrieben ist er nicht Roland – das wäre eher ein zwanzig Jahre jüngerer Clint Eastwood gewesen – aber er ist zweifellos ein hervorragender Revolvermann. Tom Taylor macht als Jake meistens ein erstauntes Gesicht, spielt seine Rolle ansonsten aber solide.
An Action fehlt es dem Streifen nicht. Monsterangriffe, fliegende Kugeln, düstere Zaubertricks, Erdbeben, Morde – Roland und Jake haben alle Hände voll zu tun. Am schönsten ist dabei anzusehen, wie der Revolvermann seine Waffe lädt. Das ist definitiv eines der Highlights des Films.
Vielleicht noch ein paar Worte zur Szenerie: Die Handlung bewegt sich zwischen dem heutigen New York – laut, bunt, voll – und der sterbenden Welt Rolands – düster, leer, karg, trostlos. Die verschiedenen Umgebungen sind überzeugend und bildgewaltig inszeniert und vermitteln ganz unterschiedliche Eindrücke. Roland wirkt in New York wie ein Fremdkörper und ihn in der „fundamentalen Welt“ herumstreifen zu sehen, verstärkt diese Gegensätzlichkeit zusätzlich. Hier gibt es also einen klaren Pluspunkt.
Fazit: „Der Dunkle Turm“ wirkt, als hätten die Macher die Bücher einmal kurz quergelesen, sich ein paar wenige Aspekte herausgepickt und diese dann in einen etwas beliebig wirkenden Actionfilm gesteckt. Herausgekommen ist unterhaltsames, durchschnittliches Popcornkino, das nicht allzu lange im Gedächtnis bleiben wird. Fans der Bücher werden nur dann etwas Freude daran haben können, wenn sie für die Dauer des Films versuchen zu vergessen, dass sie den Zyklus gelesen haben. Wer sich ganz unbedarft in den Kinosessel setzt, wird am Ende nicht enttäuscht, aber auch nicht euphorisch sein. Die meisten wird man wohl sagen hören: „Der Film war okay“.
Cover und Szenebilder © Sony Pictures Deutschland
- Titel: Der Dunkle Turm
- Originaltitel: The Dark Tower
- Produktionsland und -jahr: USA, 2016
- Genre:
Fantasy
Action - Erschienen: 10.08.2017
- Label: Sony Pictures Deutschland
- Darsteller:
Idris Elba
Matthew McConaughey
Tom Taylor
Claudia Kim
Fran Kranz
Abbey Lee
Jackie Earle Haley - Regie: Nicolaj Arcel
- Drehbuch:
Akiva Goldsman
Jeff Pinkner
Anders Thomas Jensen
Nicolaj Arcel - Kamera: Rasmus Videbæk
- Schnitt: Allan Edward Bell
- Musik: Tom „Junkie XL“ Holkenborg
- FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Filmseite
Wertung: 8/15 Revolvermänner
Habe den Film nun endliche auch gesehen und sehe es sogar noch schwärzer als in dem hier beschriebenen Beitrag, da der Film selbst unter der Prämisse, ihn ohne die Buchvorlage ständig im Hinterkopf haben zu müssen, nicht funktionieren will. Alles viel zu kurz, um die Geschichte richtig zu vertiefen. Den Büchern wird es nicht gerecht und wenn man eine eigenständige Geschichte erzählen will, die auf den Büchern quasi basiert, dann braucht es noch mindestens eine halbe Stunde mehr, um gewisse Szenen besser auskosten zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass der Film mit seiner Altersfreigabe wie ein Kindergeburtstag daher kommt. Die Bücher sind da um einiges expliziter und das vermisse ich im Film ordentlich.
Die sollten das Desaster noch einmal analysieren und dann vielleicht nochmal einen Neustart wagen.
Gruß vom Mitnerd Marc