Tobias Geigenmüller – Das ziemlich lebendige Leben des vermeintlich toten Elvis (Buch)


Tobias Geigenmueller - Elvis (Cover © rowohlt)«Nie im Leben hätte Elvis gedacht, dass es sich so gut anfühlen würde, tot zu sein.»

Der König ist tot, lang lebe der König! Am 16. August dieses Jahres jährt sich Elvis Presleys Todestag zum 40. Mal. Oder auch nicht, wenn es nach dem Berliner Autor Tobias Geigenmüller geht. In seinem Buch „Das ziemlich lebendige Leben des vermeintlich toten Elvis“ erzählt er, warum der King seinen Tod selbst vorgetäuscht hat und wie sein Leben danach verlaufen ist.

In Tupelo, Mississippi, sitzt ein Mann vor dem Fernseher. Ein ziemlich dicker Mann, dessen große Leidenschaft Erdnussbutter-Bananen-Sandwiches sind. Ein Mann, dem die Welt zu Füßen lag. Bis zu diesem denkwürdigen 16. August 1977. An diesem Tag verfolgt der Mann gespannt die Berichte über seinen eigenen Tod und lacht sich dabei ins Fäustchen.

Elvis hat genug vom Berühmtsein, ein normales Leben will er wieder führen. Nicht mehr überall erkannt werden, sondern einfach wie du und ich durch die Straßen ziehen. Und einen ganz normalen Job ausüben. Welcher Zeitpunkt könnte dafür besser geeignet sein als jetzt sofort? Schließlich rechnet direkt nach seinem Tod ganz sicher niemand damit, Elvis lebend zu sehen. Und wer sollte ihn schon verraten? Schließlich weiß außer ihm selbst nur ein sehr kleiner, ziemlich gut bezahlter Kreis – inklusive Priscilla und Lisa-Marie – von seinen Plänen.

Vor seiner beispiellosen Karriere war der King LKW-Fahrer. Warum also nicht noch einmal im Führerhaus Platz nehmen? Dass sein alter neuer Job acht Stunden pro Tag, fünf Tage die Woche Arbeit bedeutet, erschreckt Elvis zwar zunächst, hält ihn aber nicht davon ab, es dennoch zu versuchen. Allerdings muss er schnell feststellen, dass er sein Nachtod-Leben nicht im Lastwagen auf Amerikas Straßen verbringen möchte. Also schwenkt er kurzerhand um und macht das, was er am besten kann: Elvis sein. Als Doppelgänger feiert er schnell große Erfolge – dummerweise führen die ihn aber wieder dorthin zurück, wo er ja ursprünglich wegwollte. Von einem Tag auf den anderen schmeißt er die vielversprechende Double-Karriere hin und türmt in die DDR. Sein nächstes Ziel: die Mauer zu Fall bringen! Wenn da nur nicht dieser nervige David Hasselhoff wäre, der unbedingt jedem, der es nicht hören will, sein „Looking for Freedom“ ins Ohr jaulen muss. Trotz der Präsenz des Knight Riders verbringt Elvis eine schöne Zeit in Deutschland, bevor es ihn schließlich zurück in seine amerikanische Heimat zieht. Hier kommt ihm die Idee zu einer genialen Marktlücke: Sicherlich wird es noch mehr Stars und Sternchen wie ihn geben, die ihren Ruhm satthaben. Da wäre eine Selbstmordagentur zur Inszenierung des eigenen Todes doch eine hervorragende Idee!

Bücher zu schreiben, die berühmte Persönlichkeiten in einen fiktiven Plot setzen, ist auf zweierlei Arten möglich: Entweder ist die Geschichte so überzeugend erzählt, dass der Leser kaum noch unterscheiden kann, was real und was erfunden ist – so zum Beispiel bei Michael Köhlmeiers „Zwei Herren am Strand“ um die Freundschaft zwischen Winston Churchill und Charlie Chaplin – oder aber die Handlung gestaltet sich vollkommen absurd und fernab jeglicher Realität. Dies ist bei „Das ziemlich lebendige Leben des vermeintlich toten Elvis“ der Fall. Auf sehr amüsante Weise spinnt Geigenmüller all die Verschwörungstheorien um des Königs angebliches Fortbestehen weiter. Anfangs noch zumindest ansatzweise vorstellbar, driftet die Handlung immer mehr ins Skurrile ab und zeichnet dabei ein ganz neues Bild von „the Pelvis“ (ein Spitzname, der ihm aufgrund seines eigenwilligen Hüftschwungs verliehen wurde). Streckenweise geht die Fantasie des Autors vielleicht ein wenig zu sehr mit ihm durch. Andererseits macht genau diese grenzenlose Übertreibung das Buch aus.

Besonders sympathisch kommt der Sänger dabei nicht weg. Cholerisch, schießwütig, untreu, selbstverliebt, weltfremd – Geigenmüller zeigt hier nicht den Strahlemann, der Elvis für viele Fans war. Er zeigt ihn als Menschen, den der Erfolg ein Stück weit verdorben hat. Und doch stellt er ihn nicht durch und durch unliebsam vor, sondern verleiht ihm beispielsweise im Umgang mit Priscilla oder mit seinen deutschen Freunden auch Wärme und einen gewissen Charme. Der Leser lernt viele Facetten des einstigen Rock’n’Roll-Königs kennen – und zwar nicht nur solche, die dem Ideenreichtum des Autors entsprungen sind, sondern auch solche, die der Realität entsprechen. Denn Geigenmüller reichert sein fröhliches Herumfabulieren mit allerlei wissenswerten Fakten rund um das echte Leben Presleys an.

Neben all den Absurditäten und eingestreuten Wahrheitskörnchen ist das Buch darüber hinaus eine Reise durch die Musikgeschichte. Von den Beatles über Van Halen und Bon Jovi bis hin zu Michael Jackson und Notorious B.I.G. erleben wir gemeinsam mit Elvis die Entwicklung der Musiklandschaft von den 1970er Jahren bis heute. Den Geschmack des Sängers trifft nichts davon – im Gegenteil, er kann diese ganzen neuen Strömungen beim besten Willen nicht verstehen. Erst recht als seine geliebte Tochter mit diesem eigentümlichen King of Pop anbandelt, platzt ihm die Hutschnur.

Die 2000er werden in wenigen Sätzen abgehandelt und lediglich kurz zusammengefasst. Hier entsteht ein wenig der Eindruck, als hätte der Autor vorher bereits sein kreatives Pulver verschossen und wollte das Buch nun schnell zu einem Ende bringen. Nach den vorherigen überaus fantasiereichen Ideen geschieht dies ein wenig ernüchternd und abrupt. Dafür bildet der letzte Absatz dann aber wiederum einen sehr schönen Abschluss der Geschichte und zaubert mit weisen Worten ein letztes, kleines Lächeln ins Gesicht des Lesers.

Fazit: „Das ziemlich lebendige Leben des vermeintlich toten Elvis“ ist ein Buch, für das der Begriff „kurzweilig“ erfunden wurde. Es ist eine witzige, ungewöhnliche Geschichte für zwischendurch, die zwar nicht unbedingt ewig im Gedächtnis bleibt, aber dem Leser in jedem Fall ein paar schöne Schmunzelstunden beschert. Da der King als Person nicht besonders gut wegkommt, könnte manch eingefleischter Fan hier und da die Nase rümpfen. Nimmt man das Ganze aber mit Humor, begleitet man Elvis auf eine ziemlich verrückte Reise durch die Zeit nach seinem Tod.

Cover © rowohlt

Wertung: 9/15 Nachtod-Erfahrungen


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