«Wie jeder Überlebende seit dem Tag Z am eigenen Leib erfahren hat, ist es der Faktor Mensch, der die Zombie-Apokalypse zu einem wahren Albtraum macht.»
Ob als Film, Serie oder Buch – Zombiegeschichten faszinieren uns schon seit Jahrzehnten. Bei der riesigen Fülle an Material zu diesem Thema ist es eine Herausforderung, neue Ansätze zu finden und nicht immer wieder Altbekanntes von vorne durchzukauen. Der amerikanische Autor Jake Bible überwindet diese Hürde mit seinem Roman „Dead Team Alpha“, indem er nicht die wandelnden Toten in den Fokus stellt, sondern von viel größeren Gefahren erzählt, die nach der Apokalypse lauern. Ganz neu ist natürlich auch das nicht, aber Bibles Umgang mit dem Faktor Mensch fügt dem Thema doch einige innovative Aspekte hinzu.
Über 100 Jahre ist es bereits her, dass die Toten wieder auferstanden sind und die Menschen sich neu ordnen mussten. Um die Sicherheit zu gewährleisten, wurde eine Festung in den Ausläufern der Rocky Mountains gebaut. Hier werden Elite-Kampftruppen ausgebildet, um Überlebende zu retten und das Fortbestehen der Festung sicherzustellen. Die Besten unter ihnen gehören zum „Denver Team Alpha“. Da die Besten allerdings auch auf den gefährlichsten und tödlichsten Missionen unterwegs sind, wird die Truppe mittlerweile nur noch „Dead Team Alpha“ genannt.
Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate sucht das „DTA“ ständig neue Kämpfer. Eine von ihnen ist die junge Halbwaise Val, die sich im harten Auswahlverfahren qualifizieren kann und als Frischling direkt auf ihre erste Mission mit dem Team geschickt wird. Im Glauben, dass die Zombies neben so manch abtrünniger, aber bekannter Menschengruppe (Kannibalen, Ödlandabschaum) ihr größtes Problem sind, zieht die Einheit los, um Stützpunkte zu sichern und Ressourcen zu beschaffen. Doch unterwegs begegnen ihnen wahnsinnige Blinde mit herausgeschnittenen Augen, die jeden Zombie wie einen jungen Welpen wirken lassen. Wo kommen diese sogenannten „Code-Affen“ plötzlich her? Und wieso sind sie so verdammt stark und so extrem schnell? Das DTA steht einem Kampf auf Leben und Tod gegenüber, der alles Bisherige in den Schatten stellt.
In „Dead Team Alpha“ laufen die Zombies fast nebenher. Sicher, sie sind überall, sogar in unfassbarer Anzahl – riesige Wellen von lebenden Toten ziehen in Richtung Denver und keiner weiß, woher sie plötzlich kommen. Das wird leider auch nicht aufgeklärt. Da die Zombies hier nur verwesendes Beiwerk sind, ist das aber vielleicht auch gar nicht wichtig. Interessanter ist es, wie die Menschen sich gegenseitig ihre größten Feinde sind. «In Wahrheit starben mehr Leute durch gierige Menschenhände als durch hungrige Zombiezähne.» Denkt man einen Moment über diesen Satz nach, kommt man ziemlich schnell zu dem Schluss, dass er erschreckend viel Wahres enthält. Die „Zs“ sind berechenbar, die Menschen hingegen nicht. In einer real existierenden, postapokalyptischen Welt wäre das wohl kaum anders.
Gleichzeitig können die Menschen nur überleben, wenn sie als Einheit gegenüber den Gefahren auftreten. «Jeder Mensch zählt» erklingt immer wieder wie ein Mantra. Kein Wunder also, dass sich die Teams unermüdlich auf die Suche nach weiteren Überlebenden begeben, die Schutz brauchen, die aber gegebenenfalls auch an ihrer Seite kämpfen können. Gleichzeitig erklärt dieses Credo, warum es im Roman keinen wirklichen Hauptcharakter gibt. Val kommt dem zwar am nächsten, aber die Perspektiven wechseln zum Teil selbst im gleichen Kapitel mehrmals. Wir erleben die Geschehnisse nicht nur aus Sicht ausgewählter Protagonisten, sondern blicken jedem Teammitglied über die Schulter und erfahren obendrein auch noch, was in der Festung vor sich geht. «Jeder Mensch zählt» – deshalb darf der Leser auch jeden Beteiligten auf seinem persönlichen Weg begleiten. Dies führt in der Folge dazu, dass es den einzelnen Charakteren ein wenig an Tiefe fehlt. Dennoch kann man sich mit ihnen als Einheit identifizieren und sich vorstellen, Teil dieses Teams zu sein.
Besonders positiv hervorzuheben ist, dass Frauen hier nicht in die Opferrolle gedrängt werden. Sie sind nicht das schwache Geschlecht, das von heldenhaften Männern beschützt werden muss. Eher das Gegenteil ist der Fall: Die Frauen geben den Ton an, sie sind die stärksten, härtesten und mutigsten Kämpfer. Auch das Hauptkommando wird von einer Frau geführt. Dabei werden sie vorrangig kühl, analytisch und rational dargestellt. Gefühlsduseleien haben in dieser Welt nicht viel Platz – und wenn doch einmal Emotionen gezeigt werden, gehen diese sogar meist auf das Konto der Männer. Auch im Teamverbund wird keinerlei Unterschied zwischen Frauen und Männern gemacht, alle sind gleichwertig – und zwar vollkommen selbstverständlich, ohne Wenn und Aber.
Bibles Roman gleicht einem Bericht. Es wirkt, als würde der Erzähler die Szenerie von außen beobachten und beschreiben, was er in dem Moment sieht. Fast im Plauderton und mit einfachen, teils etwas saloppen Sätzen klärt er uns über die Situation auf, lässt dabei aber auch den nötigen Humor nicht vermissen. Seine Beschreibungen durchsetzt er dann und wann mit klugen Beobachtungen. So zum Beispiel, wenn Einblick in den Alltag der Menschen gegeben wird. Nach Jahrzehnten der Apokalypse wird die Zivilisation zurückgeworfen, da Ersatzteile und Fachkenntnisse ausgegangen sind. Die Gesellschaft muss «von den Erinnerungen der vorherigen Generationen leben» – und diese Erinnerungen verblassen immer mehr. Bible schafft es also, trotz seiner schlichten, lockeren Sprache, die für die Situation absolut angemessen und überzeugend ist, einige sehr starke Sätze einzubauen, die zum Nachdenken anregen.
Was selbstverständlich in einem Zombieroman nicht fehlen darf, ist eine gehörige Portion Splatter. Blut und Gehirn spritzen, Körperteile fliegen durch die Gegend, Eingeweide schlängeln sich aus aufgeschnittenen Körpern – eben genau das, was man von einer solchen Geschichte erwartet. Die sehr plastischen Beschreibungen machen das Grauen greifbar. Und doch steckt die größte Bedrohung viel mehr hinter dem, was nur angedeutet wird. Momente voller Dunkelheit, undefinierbare Geräusche, ein ungutes Gefühl – all das lädt die düstere Atmosphäre noch deutlich mehr auf als jeder zerplatzende Schädel.
Fazit: Jake Bible zeigt mit „Dead Team Alpha“ einen anderen Blick auf die zombieverseuchte postapokalyptische Welt, indem er dem Leser vor Augen hält, dass es nach dem Zusammenfall der Zivilisation noch ganz andere Gefahren als wandelnde Untote gibt. Dabei bedient er sich einer lockeren Sprache, die wunderbar zu seinen hartgesottenen Charakteren passt. Die eine oder andere Länge wird durch Humor – gerne auch schwarz – wettgemacht. Eingefleischten Zombiefans könnten die lebenden Toten in diesem Roman womöglich etwas kurz kommen, aber dennoch dürften auch sie das kurzweilige Buch mit Freude lesen. Vor allem, wenn sie bereits „Z-Burbia“ von Bible kennen, denn aus dieser Reihe bekannte Charaktere tauchen hier wieder auf.
Cover © Luzifer Verlag
- Autor: Jake Bible
- Titel: Dead Team Alpha
- Originaltitel: Dead Team Alpha
- Übersetzer: Tina Lohse
- Verlag: Luzifer Verlag
- Erschienen: 06/2017
- Einband: E-Book
- Seiten: 299
- ISBN: 978-3-95835-233-9
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Wertung: 11/15 lebenden Toten