“Martial Arts mit Kultpotential!” verkündet die Werbung lautsprecherisch. Ist ihr gutes Recht, und die Werbenden haben mit Iko Uwais, der in beiden “The Raid”-Teilen die Hauptrolle spielte, sowie Julie Estelle und Very Tri Yulisman, die beide “The Raid 2” mit Stil, Hämmern und Baseball-Schläger bereicherten, echte Pfunde zum Wuchern. Trotzdem reicht es nicht ganz bis in die Oberliga.
In der Bonussektion brüsten sich Kimo Stamboel und Timo Tjahjanto aka The Mo Brothers, dass Tjahjanto das Drehbuch in zweieinhalb Wochen fertiggestellt habe. Da möchte man unken: “Was hat daran so lange gedauert?”, denn den größten Aufwand verursachte augenscheinlich die Kampf- und Stuntchoreographie.
Der “Headshot”-Plot passt auf den sprichwörtlichen Bierdeckel: Der Profikiller Abdi will aussteigen und bekommt eine Kugel in den Schädel. Er überlebt das, muss aber mit unterschiedlich gewichteten Erinnerungsverlusten (immer wenn es drauf ankommt, weiß Abdi, worum es geht und wie er sich zur Wehr setzen muss) klarkommen. Die hübsche Ärztin Ailin päppelt ihn auf, Liebe liegt in der Luft, eine Romanze entwickelt sich. Nach ein bisschen Techtelmechtel lässt der böse Lee, Abdis ehemaliger Arbeitgeber und selbst ernannter Vaterersatz, Frau Doktor entführen.
Abdi besinnt sich auf seine Killer- und Kampfesfähigkeiten und prügelt sich durch Massen von Handlangern und elaborierter porträtierten Zwischengegnern zum Endboss durch. Kein Wunder, dass man sich unweigerlich an die “Super Mario Brothers” (entführte Prinzessin) und “Streets Of Rage” (Stage-Klopping bis der Arzt kommt) erinnert fühlt. Ein bisschen Tiefe wird dadurch vorgegaukelt, dass der diabolische Lee seine mordenden Mündel wie eigenen Nachwuchs, oder eher Geschöpfe, aufzog. Streng nach dem Friss-oder-stirb-Prinzip. Dass seine Zöglinge ihn nicht gesamt mit Wonne über den Jordan schicken wollen, sondern nur Abdi sich auflehnt, soll seine manipulativen Kräfte verdeutlichen.
Die der Mann gleich in der Eröffnungssequenz des Films spielen lässt. Er inszeniert einen Gefängnisausbruch, bei dem sich die Insassen eines Zellenblocks und sämtliche Wächter gegenseitig eliminieren, während Lee fröhlich feixend davonspaziert. Hier zeigt sich bereits, dass Schießereien zu inszenieren, nicht Sache der Mo Brothers ist. Die CGI-Effekte sind mäßig und “The Naked Gun”-Komik ist nicht weit, wenn sich Kombattanten auf engstem Raum gegenüberstehen, ununterbrochen aufeinander feuern, doch nur peu a peu treffen, während bereits kleinste Mauervorsprünge wie mächtige Schutzwälle wirken.
Schwamm drüber, schließlich geht es in “Headshot”, entgegen des Titels, in erster Linie um Dresche. Dabei macht “Headshot” keine Gefangenen. Alles was herumsteht oder –liegt kann zur Waffe umfunktioniert werden und wird es auch. Knochen splittern und brechen, Blut fließt in Strömen, und erst, wenn nur noch Gehacktes übrig ist, wird aufgehört zu kämpfen. Dabei schmerzen Schläge, Griffe und Tritte vorm Bildschirm fast körperlich. Abdi wird geschlagen, getreten, angeschnitten und gewürgt, er schüttelt sich ein bisschen und weiter geht die blutdampfende Chose.
Die Kampfdramaturgie ist weit entfernt von der kinematographischen Finesse, die Gareth Edwards bei den “The Raid”-Teilen an den Tag legte. Hier gleicht sich zwar nicht die Wahl der Waffen, aber der Ablauf der aufeinanderfolgenden Handgemenge. Abdi wird lang und länger verdroschen, bis er den Spieß umdreht und seine Gegner einstampft, beziehungsweise in einem besonderen Fall auch totquatscht.
Die Welt ist ein finsterer, brutaler Ort und “Headshot” kleidet diese Erkenntnis in passend düstere Bilder. Übertreibt dabei aber maßlos. So ist die Entführung der Ärztin aus einem vollbesetzten Bus ein brutales Massaker, das nur sie und ein Mädchen überleben. Richtigen Sinn ergibt das überflüssige Gemetzel nicht. Allerdings brauchen sich die Mordbuben auch keine Gedanken um Konsequenzen zu machen. Die Polizei taugt während des gesamten Films bestenfalls zum Bauernopfer.
Was am Ende übrigbleibt, ist ein mäßig unterhaltsamer Beat-’em-up-Streifen, solide und völlig überraschungsarm inszeniert. Die Kämpfe sehen (auch im Making of) schmerzhaft aus, Dialoge sind übersichtlich bis nebensächlich, der Manierismus, den sinisteren Lee ständig Englisch brabbeln zu lassen, geht mächtig auf den Senkel. Uwais gibt leidvoll den Schmerzensmann, kampftechnisch war er in ‘The Raid” überzeugender, Gefühlsregungen nachvollziehbar werden zu lassen, ist seine Sache nicht. Da schneiden die bezaubernde Chelsea Islan als Jungärztin Ailin und vor allem Julie Estelle in der Rolle von Abdis Stiefschwester und früherem Love-Interest Rika, wesentlich besser ab. Estelle weiß außerdem wie man sich durchschlagend zur Wehr setzt. Sollte James Bond tatsächlich in absehbarer Zeit mit einer Frau besetzt werden, Estelle gehörte in die engere Auswahl. Und wenn nicht – gebt der Dame Hauptrollen. Sie kann die tragen.
Ansonsten spricht Filmkritiker Michael Jackson:
They’re out to get you, better leave while you can
Don’t want to be a boy, you want to be a man
You want to stay alive, better do what you can
So beat it, just beat it
Cover & Szenenfotos © Koch Media
- Titel: Headshot
- Originaltitel: Headshot
- Produktionsland und -jahr: Indonesien, 2016
- Genre: Action, Splatter,Martial Arts
- Erschienen: 08.06.2017
- Label: Koch Media
- Spielzeit:
114 Minuten auf DVD
118 Minuten auf Blu-Ray - Darsteller:
Iko Uwais
Julie Estelle
David Hendrawan
Chelsea Islan
Zack Lee
Sunny Pang
Very Tri Yulisman
- Regie:
Kimo Stamboel
Timo Tjahjanto (=The Mo Brothers)
- Drehbuch:
Timo Tjahjanto - Kamrera:
Yunus Pasolang - Musik:
Aria Prayogi
Fajar Yuskemal
- Extras:
Teaser, Trailer, Behind the Scenes - Technische Details (DVD)
Video: 2.35:1 (16:9)
Sprachen/Ton: Deutsch, Indonesisch, Dolby Digital 5.1
Untertitel: Deutsch
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 2.35:1 (16:9)
Sprachen/Ton: Deutsch, Indonesisch, DTS HD-Master Audio 5.1
Untertitel: D - FSK: 18 (SPIO/JK geprüft: keine schwere Jugendgefährdung)
- Sonstige Informationen:
Produktlink Blu-Ray
Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 9/15 Veilchen und kein Eis drauf