Frank Kodiak – Nummer 25 (Buch)


Frank Kodiak - Nummer 25 (Cover © Droemer Knaur)«Einer von fünfundzwanzig Menschen ist per definition ein Soziopath.»

Frank Kodiak, Autor des Buches „Nummer 25“, zählt wohl auch selbst dazu. Diese Behauptung ist weder vermessen noch bösartig, sondern sicherlich ganz im Sinne des Schriftstellers. Er macht keinen Hehl aus seiner Menschenfeindlichkeit und Faszination für die dunkle Seite seiner Persönlichkeit.

Auch sein Protagonist Andreas Zordan ist dieser eine von fünfundzwanzig. Zumindest behauptet er das und wird nicht müde, es immer wieder zu betonen. Der Bestsellerautor tötet die Opfer in seinen Thrillern auf alle nur erdenklichen, bestialischen Arten und Weisen. Der Grund: «Er wies alle Merkmale [eines Psychopathen] auf, und wenn er seine Leidenschaft fürs Töten nicht in seinen Romanen ausleben könnte, würde er es in der Realität tun.» Als er auf seinem sehr abgeschiedenen Grundstück eines Tages eine Leiche findet, die genauso wie eines der Opfer in seinem Buch „25 mögliche Mörder“ drapiert ist, ruft er daher auch nicht die Polizei, sondern vergräbt den Körper im angrenzenden Wald. Damit lässt er sich auf ein Katz-und-Maus-Spiel mit einem Killer ein, der die Thriller des Einsiedlers als Anleitung für seine Morde versteht.

Fest entschlossen, ein Interview mit dem verschrobenen Autor zu führen und so ihre Karriere anzuheizen, verschafft sich die junge Journalistin Greta Zugang zu Zordans Grundstück. Während der Schriftsteller ihr gegenüber anfangs noch aggressiv und unnahbar auftritt, erkennt er schließlich, dass die clevere Frau ihm helfen kann, „Nummer 25“, wie sich der Psychopath nennt, zu finden und dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. 

Der Mörder droht derweil, sein neues Opfer zu töten, sollte Zordan die Polizei einschalten. Dieser ist fest entschlossen, sich daran zu halten und überzeugt auch Greta, auf eigene Faust zu ermitteln. Während ihrer Recherchen stößt sie aber ungewollt den kurz vor der Rente stehenden Kommissar Lars Lewandowski auf den Fall, der keinesfalls mit einer ungelösten Mordreihe in den wohlverdienten Ruhestand gehen will…

Für Frank Kodiak ist „Nummer 25“ sein Debüt, für den Autor hinter dem Pseudonym bereits sein elfter Roman. Andreas Winkelmann schlüpft hier in die Rolle eines grummeligen Misanthropen. Während des Schreibprozesses spalten sich bei Schriftstellern immer neue Persönlichkeiten ab, erklärt Winkelmann – Berufskrankheit, wenn man so will. Eine davon ist Frank Kodiak, der „entstanden“ ist, nachdem Winkelmann sich immer wieder anhören musste, er habe eine kranke Fantasie und es müsse doch ein dunkles Ich in ihm stecken, bei all den grausigen Geschichten, die seiner Feder entspringen. Kurzerhand hat er also diesem dunklen Ich einen Namen gegeben und es direkt ein eigenes Buch schreiben lassen.

Dass die Hauptfigur in „Nummer 25“ wie er selbst Andreas heißt, ist dabei wohl kaum ein Zufall. Der Autor greift in seinem Thriller immer wieder Dinge auf, die ihm in seinem Beruf begegnen – und sicher manchmal sauer aufstoßen. Ob es eben die Stimmen sind, die seine Fantasie krank nennen, wohlmeinende und vernichtende Rezensionen oder der Wunsch der Öffentlichkeit, Privates über den Menschen hinter dem Buch zu erfahren. Vielleicht ist dieser Thriller ein Stück weit eine Art Abrechnung, eine Möglichkeit, den Fans und Kritikern einmal den Spiegel vorzuhalten – wenn man Winkelmann „kennt“ und seinen Humor erlebt hat, kann man sich allerdings gut vorstellen, wie er beim Schreiben der entsprechenden Passagen in sich hinein schmunzelt. Der Autor nutzt seine Teilpersönlichkeit, um den Lesern deutlich vor Augen zu führen, was es bedeutet, mit dem Schreiben von Thrillern sein Geld zu verdienen und welche Faszination vom Dunklen, Bösen ausgeht. Dabei kreiert er ein Buch im Buch, geschrieben von einem fiktiven Charakter, ausgedacht vom Pseudonym eines Autors. Zweifelsohne treffen hier gleich mehrere Ebenen aufeinander, die es Winkelmann/Kodiak ermöglichen, verschiedene Richtungen einzuschlagen und die Handlung seines Psychopathen-Duells zu überspitzen. Ganz ohne Klischees kommt er dabei nicht aus – aber da der Autor den Lesern mit diesem Buch bewusst genau das gibt, was sie im Allgemeinen von einem Thriller erwarten, passen diese Klischees sogar gut zur Geschichte und treffen zielsicher ins Schwarze.

Die Charaktere sind gut ausgearbeitet. Zordan als arroganter, selbstverliebter, menschenfeindlicher Unsympath ist der geborene Antagonist. Und doch lässt auch er eine weiche, menschliche Seite durchblicken. So richtig mag man ihm aber einfach nicht über den Weg trauen und fragt sich, was mit diesem Kerl nicht stimmt – und was in seiner Vergangenheit geschehen ist, auf die immer wieder angespielt wird. Lange Zeit ist man unschlüssig, ob er nun der Soziopath ist, für den er sich ausgibt, oder ob es letztendlich doch nur eine verkaufsfördernde Masche ist. Keine Masche ist hingegen seine Arroganz. Rezensionen hält er für überbewertet, sieht sie als Selbstdarstellung der Verfasser. Lobende Mails und Nachrichten löscht er ungesehen – schließlich weiß er selbst, dass er schreiben kann. Hassmails allerdings verschiebt er in einen extra dafür angelegten Ordner, um sich hin und wieder daran zu erfreuen.

Greta ist sein optimaler Gegenpart. Jung, hübsch (sie könnte Helene-Fischer-Double sein), sympathisch, ehrgeizig und empathisch verbeißt sie sich in den ungewöhnlichen Fall, der mit einer schlichten Interviewanfrage beginnt. Dabei erliegt sie dem dunklen Charme Zordans und verstrickt sich nicht mehr nur rein beruflich, sondern auch persönlich in die Aufklärung der Morde. Ihr unaufhörliches Bestreben, bloß nicht auf ihr Aussehen und Frausein reduziert zu werden, ist bisweilen etwas anstrengend. Hier ist sie streckenweise zu empfindlich und wird bei diesem Thema schnell zickig, was ihre Stärke und Entschlossenheit ein wenig untergräbt. Auf der anderen Seite macht sie dies aber auch menschlicher und verletzlicher.

Zordan und Greta sind wie zwei Seiten einer Medaille – auch, was ihr Äußeres betrifft: sie blond, er schwarzhaarig – und ergänzen sich als Hauptcharaktere wunderbar. Mit Greta kann man sich identifizieren und ihre Gedankengänge nachvollziehen, gleichzeitig möchte man sie ob ihrer teils ungesunden Verbissenheit manchmal schütteln. Sieht man Zordan mit ihren Augen, kann man sogar verstehen, warum sie sich zu ihm hingezogen fühlt. Er strahlt eine düstere Aura aus, die zugleich anziehend und abstoßend wirkt. Die Faszination des Bösen in all ihren Facetten.

Die Handlung ist eine Mischung aus Vorhersehbarkeit und Überraschungen. Diesbezüglich reicht Kodiak nicht ganz an Winkelmann heran, dessen Bücher die Leser noch blinder im Dunklen tappen lassen. Dennoch fehlt es „Nummer 25“ keinesfalls an Spannung und Pageturner-Potenzial. Insbesondere die Kapitel aus Sicht des Mörders stellen eine interessante Abwechslung dar, die uns Einblick in sein verstörendes Inneres gewährt. Generell ist der Wechsel der Sichtweisen – der Erzähler begleitet neben dem Mörder sowohl Greta als auch Zordan und Lars Lewandowski – gut gewählt, um die Gedanken und Beweggründe der einzelnen Personen zu verstehen. Auf diese Weise kann man sich sogar in Zordan hineinversetzen, auch wenn diesem das so ganz und gar nicht gefallen dürfte. Im letzten Kapitel wechselt die Erzählweise plötzlich und zieht den Leser noch einmal besonders tief ins Buch. Kodiak gelingt damit ein überaus runder, sinniger Abschluss seiner Geschichte, der noch eine Weile nachhallt.

Fazit: Für Fans von Andreas Winkelmann ist „Nummer 25“ ein Muss. Der Autor gibt die Tasten ganz in die Hände seines dunklen Ichs und spielt dabei mit seinen Lesern, führt sie sogar ein wenig vor. Die Idee, einen anderen Teil seiner Persönlichkeit einen Thriller schreiben zu lassen, setzt er überzeugend um und schafft es, seinem Alter Ego nicht nur einen eigenen Charakter, sondern auch eine eigene Erzählweise zu verleihen. Frank Kodiaks Debüt lässt den Leser über dessen eigene düstere Seite nachdenken und wirft die Frage auf, wie vielen Soziopathen wir in unserem Leben wohl tatsächlich schon begegnet sind.

Cover © Droemer Knaur

Wertung: 12/15 Psychopathen

 


3 Kommentare
  1. Nachdem ich alle Bücher von A. Winkelmann durchhatte, stieß ich auf ihn als Frank Kodiak und muss sagen-als Kodiak gefällt er mir fast noch besser. Er steigt immer tiefer in menschliche Abgründe, er wird immer spannender-sowohl als WInkelmann als auch als Kodiak, nur Kodiak legt noch ne Schippe drauf. Und oft rechnet man einfach null mit dem Ende. Ich kann sowohl Winkelmann als auch Kodiak nur empfehlen, einer der großen im Thriller-Genre

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