Eine alternative Zeitlinie und dazu noch die Prämisse, dass die Nazis den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Fertig ist der Grundton, den die Serie „The Man in the High Castle“ vorgibt. Ein alter Hut und auch simpler Trick zur Spannungserzeugung würde mancher sagen, aber das wird der Serie nicht gerecht, denn sie spielt ihre Stärken gekonnt aus und kaschiert nach und nach die Schwächen, die besonders zu Beginn zutage treten. Entgegen den Erwartungen ist diese Serie ruhig erzählt mit wenigen Actionmomenten und vielen Dialogen versehen. Eine volle Empfehlung für diejenigen, die historische Stoffe und alternative Geschichtsschreibung mögen.
Die Serie steigt zeitlich in die 60er Jahre ein. Deutschland hat zusammen mit Japan den Zweiten Weltkrieg gewonnen. Wie der Zuschauer im späteren Verlauf erfährt, durch einen Atombombenabwurf über Washington (wer die Augen offenfhält, bekommt es aber auch im Vorspann zu Gesicht). Durch diese alternative Geschichte sind Japan und Deutschland zu Weltmächten aufgestiegen und teilten Amerika unter sich auf, wobei die Rocky Mountains als Neutrale Zone den Puffer zwischen diesen beiden Staaten bilden. Gut 20 Jahre nach Ende der Kämpfe stehen die Zeichen für beide nationalsozialistisch geprägte Staaten auf Konfrontationskurs. In dieser Stimmung lernt der Zuschauer verschiedene Charaktere kennen, die auf beiden Seiten der neutralen Zone ihr Leben haben und bald aufeinander zusteuern. Auf der japanischen Seite ist es Juliana Crain und ihr Freund Frank Frin. Julianas Schwester wird vom japanischen Geheimdienst, der Kempetai, ermordet. Sie findet heraus, dass sie die Aufgabe hatte, einen Film in die Neutrale Zone zu bringen, um dem Widerstand gegen die nationalsozialistischen Mächte zu helfen. Dieser Film ist vom Mann im hohen Schloss und die Kempetai hat ein großes Interesse daran, diesen Mann zu fassen. Von der anderen Seite steuert Joe Blake von New York aus mit einem LKW in Richtung Rockies. Auch er transportiert einen Film, doch er hat einen ganz anderen Auftrag, der aber ebenfalls den Mann im hohen Schloss betrifft. Er und Juliana treffen sich somit zwangsläufig in der neutralen Zone und beider Leben wird dort auf den Kopf gestellt.
Unterdessen unternimmt in San Francisco Frank ein Attentat auf das Kaiserliche Paar, was er aber nicht vollendet. Ein Attentat findet aber dennoch statt, wodurch der Japanische Kaiser fast ums Leben kommt. Die Jagd nach dem Attentäter beginnt und Frank ist dabei für die Kempetai ein lohnenswertes Opfer, denn sie weiß, dass der Attentäter ein Nazi ist und mit dem Anschlag einen Konflikt zwischen Japan und Deutschland heraufbeschwören möchte, um einen dritten Weltkrieg vom Zaun zu brechen. Zur selben Zeit läuft in Deutschland eine Verschwörung, an deren Ende der Tod Hitlers stehen soll. In diese Sache verwickelt ist Obergruppenführer John Smith, der ebenfalls mit Joe Blake zu tun hat. All diese Handlungsfäden werden auf die ominöse Weise durch die Filme zusammengehalten.
Diese Serie muss man mögen. Allein die Ausgangssituation, dass zwei der nationalsozialistisch geprägte Staaten den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben, muss verdaut werden. Durch diese Grundprämisse gibt es Situationen, die unter die Haut gehen (Verbrennung alter oder unheilbar kranker Menschen auf der deutschen Seite, völlige Unterdrückung der westlichen Werte auf der japanischen Seite, Verfolgung des Judentums und, und, und …) und die sicher nicht jedem gefallen dürften. Es ist jedoch sehr authentisch umgesetzt und gibt der Serie einen Realismus, der den Zuschauer vor eine emotionale Zerreißprobe stellt. Auf der einen Seite lebt diese erste Staffel von der (An)- Spannung, was es denn mit dem Mann im hohen Schloss und mit den Filmen auf sich hat. Die andere Seite ist das gesamte Figurenensemble, welches nach und nach eingeführt wird und die alle ihren Rucksack zu tragen haben oder noch schultern müssen. Durch diese Figuren werden teilweise die Ideologien an den Zuschauer herangetragen und wie diese auf der deutschen sowie der japanischen Seite umgesetzt werden. Das unmenschliche und der Umgang damit wird gezeigt und wie sich diese Welt hätte entwickeln können, wenn dieser Zustand wirklich eingetreten wäre. Und doch gibt es in beiden Systemen Menschen, die sich diesen zwar untergeordnet haben und trotzdem alle auf ihre Weise Widerstand leisten. Entweder aus Überzeugung oder weil ihnen die Augen geöffnet wurden.
Der Anfang der Serie verläuft etwas schleppend und benötigt knapp zwei Folgen, um Schwung aufzunehmen. Darauf sollte das Bewusstsein geschärft werden, sonst ist die Enttäuschung womöglich zu groß, wenn diese Serie eventuell Interesse geweckt hat. Positiv fällt vor allem ins Auge, dass sich viele Dinge aus sich heraus entwickeln und wie die Charaktere mit diesen Situationen umgehen. Die Verschwörung gegen Hitler zum Beispiel wird zwar immer wieder angedeutet, lebt aber letztendlich erst im letzten Drittel der ersten Staffel auf und kam für den Rezensenten etwas überraschend daher. Auch wenn die Ausgangssituation als einfach erscheint und die Figuren als in die Gesellschaft integriert gezeigt werden, entwickelt sich doch recht schnell ein vielschichtiges Drama mit vielen Schauplätzen, Motivationen und Geschichten. Davon lebt diese Serie. Daneben gibt es noch das Setting, die Dialoge, die logische Fortführung der alternativen Geschichtsschreibung und die Schauspieler, die all das authentisch auf den Zuschauer übertragen. Diese Punkte wirken allesamt sehr realistisch. Gerade die zwei letzten Punkte sind eminent wichtig, denn davon hängt die komplette Serie ab. Was die Produzenten der Serie hier auspacken (Frank Spotnitz als Showrunner dürfte noch einigen von Akte X her bekannt sein), spricht allein schon Bände. So zum Beispiel das komplette Design der Städte San Francisco und New York, in denen die Serie die meiste Zeit spielt (sieht man mal von der Neutralen Zone ab). Oder die Ausstattung mittels der Fahrzeuge, Flugzeuge, die Kleidung. Alles sieht merkwürdig bekannt und doch so seltsam anders aus und schärft den Sinn für realistisch alternative Fortschreibung der Geschichte. Eine Serie, die unbedingt mehr Beachtung erfahren sollte.
Szenenfotos © Amazon Studios
- Titel: The Man in the High Castle (Staffel 1)
- Originaltitel: The Man in the High Castle (Season 1)
- Produktionsland und -jahr: USA, 2015
- Genre:
Science Fiction
Alternative Geschichte
Thriller
- Erschienen: 01/2015
- Label: Amazon Studios
- Spielzeit:
zwischen 50 min bis 60 min pro Folge,10 Folgen
- Darsteller:01
Alexa Davalos
Rupert Evans
Luke Kleintank
Rufus Sewell
Cary-Hiroyuki Tagawa
Joel de la Fuente
- Regie:
David Semel
Ken Olin
Michael Rymer
Bryan Spicer
Brad Anderson u.a. - Drehbuch:
Frank Spotnitz
Thomas Schnauz
Evan Wrigth
Rob Williams
Emma Frost u.a. - Musik:
Jeanette Olsson (Titelsong: Edelweiß)
Henry Jackman
Dominic Lewis - Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch
- Untertitel: Deutsch, Englisch
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Amazon Original
Wertung: 13/15 alternativen Geschichtsbüchern