Traci Chee – Ein Meer aus Tinte und Gold (Buch)


Tracy Chee - Ein Meer aus Tinte und Gold (Cover © Carlsen)Story:
Von Kindesbeinen an ist Sefia mit ihrer Tante Nin auf der Flucht, bis diese von den Menschen entführt wird, die ihren Vater zu Tode gefoltert haben. Sie sind hinter einem seltsamen Gegenstand – einem Buch – her, das einzige, was das junge Mädchen von ihren Eltern geblieben ist und für das ihre Feinde über Leichen gehen. Für Sefia wird schnell klar, dass sie die seltsamen Symbole auf dem Papier lernen muss, doch in Kelenna, einer Welt ohne Bücher und geschriebene Wörter, ist das ein schwieriges Unterfangen. Als sie es sich selbst beibringt, erkennt sie die Magie, die das Buch umgibt – und dass sie ihr besondere Fähigkeiten verleiht. Zudem findet sie in dem jungen, stummen Archer, dem sie das Leben rettet, einen treuen Gefährten, der sie auf ihrer Suche nach Nin beschützt und unterstützt …

Eigene Meinung:
Das wundervoll aufgemachte Jugendbuch „Ein Meer von Tinte und Gold“ ist das Debüt von Traci Chee und bildet den Auftakt der Reihe „Das Buch von Kelenna“, denn die Geschichte von Sefia und Archer ist mit diesem Buch noch nicht abgeschlossen. Band 2 ist in den Staaten für 2017 angekündigt, in Deutschland wird man wahrscheinlich ein wenig auf die Fortsetzung warten müssen.

Die Geschichte ist in der mittelalterlich wirkenden Fantasy-Welt Kelenna angesiedelt, einem Inselreich, dessen einzelne Parteien untereinander im Krieg sind und teilweise gegen die Nachbarn aufrüsten. Viel mehr nimmt der Leser aus der Hintergrundwelt leider nicht mit, denn Traci Chee schafft es nicht, die Welt, die sie sich ausgedacht hat, wirklich plastisch und authentisch zu beschreiben. Alles bleibt furchtbar blass und unausgegoren – seien es die Städte, die Menschen oder die Hintergründe. Man kann es sich einfach nicht vorstellen, was dafür sorgt, dass man fast keinen Zugang zur Handlung und zu den Charakteren findet. So wunderschön die Aufmachung ist mit all den besonderen Gimmicks auf den Seiten, eine Karte der Welt sucht man vergeblich, dabei hätte diese dem Leser einiges erleichtern können. So kann man die Reise der Figuren nicht nachvollziehen oder mitdenken und bleibt der gesamten Geschichte fern.
Ein weiteres Problem ist die verworrene Erzählstruktur – die Geschichte wird abwechselnd aus Sefias Sicht, aus der eines Jungen, der in einer geheimen Bibliothek das Handwerk des Bibliothekars erlernt und schließlich aus der Perspektive Kapitän Chees erzählt, der mit seiner Mannschaft Heldentaten auf See vollbringt, die teilweise in Sefias Buch niedergeschrieben sind. Erst ganz am Ende werden die Zusammenhänge klar, doch bis man so weit ist, hat man schon die Lust am Buch verloren und kämpft sich durch Abschnitte, die so gar nicht zusammenpassen, da sie nicht aufeinander aufbauen. Auch die Bösewichte, die man im Laufe der Geschichte kennenlernt, sorgen eher für Verwirrung, da sie recht unlogisch agieren (es wirkt fast so, als hätte die Autorin krampfhaft an ihrem Plot festhalten wollen, ganz gleich ob es Sinn ergibt oder nicht). So wirken die Actionszenen und Erklärungen gestelzt, nicht stimmig und konfus.

Auch die Charaktere können nur bedingt punkten. Sefia bleibt unheimlich farblos und es fällt schwer sich mit ihr zu identifizieren. Mitunter kann sie auch zu viel – sie bringt sich das Lesen bei, lernt nebenbei Magie kennen und sogar beherrschen, kann kämpfen, jagen, stehlen und einbrechen. Mit der Zeit nervt es, dass sie so viele Fähigkeiten hat. Archer wiederum ist eine interessante Figur, gerade weil er nicht reden kann und sich im Kampf sehr gut bewährt. Er ist ein stiller, aber treuer Gefährte, der Sefia bald sehr wichtig wird. Auch Kapitän Chees und seine Crew sind spannend und können überzeugen – die Abenteuer des bunten Haufens machen Spaß und sind unterhaltsam, wenngleich sie nur bedingt etwas mit der Haupthandlung zu tun haben.
Die übrigen Figuren bleiben schablonenartig – die typischen Handlanger der Bösewichte, die klassischen Gegner und eine Bevölkerung, die kaum ins Gewicht fällt und weder lebendig noch nachvollziehbar ist.

Stilistisch bietet der Roman nichts Neues – Traci Chee hat einen einfachen, teilweise poetischen Schreibstil, der in sich teilweise nicht zusammenpasst: Einerseits sehr poetische und fantasievolle Beschreibungen des Buches und der Magie, dann wieder nur kurze, zusammenfassende Einblicke in die Welt und die Kultur. Die Autorin scheint sich auf die Umschreibungen des Buches und der magischen Komponenten zu versteifen und verliert dabei ihre Welt und die Nebenfiguren vollkommen aus den Augen. Dadurch wirkt der Roman stilistisch unausgegoren und lässt sich mitunter schwer lesen.

Fazit:
„Ein Meer aus Tinte und Gold“ wartet mit einer tollen Aufmachung auf, kann inhaltlich und stilistisch jedoch nicht überzeugen. Traci Chee setzt die Schwerpunkte falsch, erzählt zu verworren und vergisst, wie wichtig für den Leser eines Fantasyromans die Beschreibung der Fantasy-Welt ist, in der sie ihre Geschichte ansiedelt. Schade – man hätte aus der Idee mehr machen können, wenn die Handlung kontinuierlicher erzählt worden wäre und die Figuren logischer gehandelt hätten. So ist „Ein Meer aus Tinte und Gold“ nur bedingt zu empfehlen.

Cover © Carlsen

  • Autor: Traci Chee
  • Titel: Ein Meer aus Tinte und Gold
  • Originaltitel: The Reader
  • Übersetzer: Sylke Hachmeister
  • Verlag: Carlsen
  • Erschienen: 10/2016
  • Einband: Hardcover mit Schutzumschlag
  • Seiten: 480
  • ISBN: 978-3-551-58352-9
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

Wertung: 7/15 dpt

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4 Kommentare
  1. Also, ich hab das Buch gerade gestern fertig gelesen und ich muss sagen, je weiter ich fortgeschritten bin, umso spannender und mitreißender wurde es. Normalerweise fallen mir Charaktere mit zu vielen Fähigkeiten immer stark negativ auf, aber in diesem Fall fand ich es tatsächlich sehr realistisch auf Grund der Tatsache, da Sefia seit ihrem 9! Lebensjahr jeden Tag geübt und ihre Fähigkeiten verfeinert hat. Wobei sie eben auch nicht immer bei allem perfekt ist und immerhin nicht emotional abgedroschen.
    Ich finde Archer auch toll! <3

    Ansonsten, zunächst war ich auch verwirrt über den Aufbau der Welt, aber spätestens nach der Hälfte hat man so ziemlich den Überblick, wo ungefähr etwas liegt und wäre mehr darauf eingegangen worden (es war ja nur der erste Band), dann wäre es für mich persönlich schnell langweilig geworden. Ebenso wie die Nebencharaktere. Die Menschen aus der Welt, es gibt so viele, wären diese auch erwähnt worden, wäre der Überblick über die Charaktere verloren gegangen und niemand hätte eine Ahnung gehabt, wer eigentlich gerade am handeln ist oder wozu diese Person überhaupt erwähnt wurde.
    Ich schreibe selbst ab und zu mit meinen Freundinnen oder alleine und wir alle haben früh gelernt: Benenne nur Personen, die relevant für die Handlung sind.

    Ich möchte deine Kritik natürlich nicht komplett dementieren, das sind jetzt Aspekte, die meine persönliche Meinung widerspiegeln und ich finde deine Argumente durchaus nachvollziehbar, aber wie alles ist auch dies Geschmackssache.

    Eine Frage hätte ich allerdings:
    Wie findest du die unterbewusste Message, die in dem Buch behandelt wird?
    (Hauptsächlich ja von Käpt'n Lees(!) agesprochen)

  2. Ich bin auch der Meinung dass die verschiedenen Sichtweisen eher zur Spannungssteigerung beigetragen haben, zumal die einzelnen Abschnitte sehrwohl miteinanderer unterbewusst agieren. Man ahnt also quasi schon wie die Handlung zusammenhängt wird aber von der Autorin immer wieder in andere Sichtweisen mit einbezogen weshalb das finale umso mitreissender wird … für mich als kein Kritikpunkt und ein absolut leseswerten, lebendig geschriebens Buch … Auch konnte ich mich sehr gut in das Setting einfinden und die Fantasie der Autorin nachvollziehen , lässt man auf den Hintergrund ein wird man realativ schnell einbezogen und versteht einzelne Sachzusammenhänge

  3. Ich fand das Buch ehrlich gesagt extrem gut, und gerade die wechselnden Sichtweisen und verworrenen Handlungsstränge haben es für mich nur noch spannender gemacht. Einzig und allein die Kritik an Sefias Charakter kann ich verstehen, obwohl hier vielleicht auch noch ihre ab und zu durchscheinende emotionale Verlätzlichkeit zu erwähnen währe.

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