An einem Weihnachtsabend in den 20er Jahren hält ein Zug auf offener Strecke an. Der Schnee fällt in solchen Massen, es ist kein Durchkommen mehr möglich, und der nächste Bahnhof in Hemmersby ist noch ein ganzes Stück entfernt. Mehrere Passagiere in einem Abteil verlassen den Zug um sich zu Fuß nach dorthin durchzuschlagen. Doch der Schneesturm wütet zu heftig weiter. Schließlich finden sie ein Haus, in dem sie Unterschlupf finden können. Doch irgendetwas stimmt nicht. In den Zimmern brennen die Kamine, der Wasserkessel kocht, und für den Tee ist auch schon eingedeckt. Doch es ist kein Mensch im Haus – und dann geschieht auch noch ein Mord.
Der Kriminalroman von Farjeon wurde bereits 1937 in England veröffentlicht. Erst dieses Jahr wurde er zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt und publiziert. Dennoch wirkt dieser Roman zeitlos. Erst auf den letzten Seiten wird deutlich, in welcher Epoche der Roman wirklich spielt. Dies gehört eindeutig zu den Stärken dieses Buches, denn Farjeon beschreibt nicht eine bestimmte Situation, sondern zeichnet feingliedrige Charakterstudien, die für damals und heute zutreffen.
Der in Deutschland eher unbekannte Autor J. Jefferson Farjeon lebte von 1833 bis 1955 in England und veröffentlichte eine Vielzahl an Romanen, Kurzgeschichten und Theaterstücken. Sein bekanntestes Stück „Number 17“ wurde von Alfred Hitchcock unter dem gleichen Namen verfilmt. Eine seiner Zeitgenossinnen, Dorothy L. Sayers, beschrieb ihn als „unübertroffen in der gruseligen Darstellung mysteriöser Abenteuer“. Die Erwartungen an diesen Roman sind hoch.
Die Stimmung ist auf jeden Fall gruselig. Eine Gruppe von Leuten, bis auf ein Geschwisterpaar sind sie sich alle fremd. Gemeinsam finden sie Schutz in dem großen Haus, doch können sie es auch nicht mehr verlassen, selbst wenn sie wollten, denn draußen schneit es unaufhörlich. So wirkt das gemütlich knisternde Kaminfeuer schnell bedrohlich. Als die Reisegruppe sich eben einzufinden beginnt, stößt ein Mr. Smith zu ihnen. Dieser hat eindeutig etwas zu verbergen. Gleichzeitig erfährt die Gruppe von einem Mord. Allen ist klar der Mörder ist nicht weit. Doch wo ist er? Gemeinsam lösen sie das Rätsel um die Bewohner des verlassenen Hauses und klären die Morde auf (ja, es bleibt nicht bei einem!).
Auf jeder Seite ist der Leser eingeladen, mitzurätseln und mitzufiebern. Die Perspektiven wechseln zwischen den Figuren, sodass die Geschichte nicht einseitig wird. Trotzdem weiß der Leser nie mehr als die Figuren in Bezug auf die Morde und das Haus. Trotz aller Spannung kommt der Humor in diesem Buch nicht zu kurz. Farjeon bringt seine Leser häufig zum Schmunzeln durch bissige Kommentare und nur allzu menschliche Handlungen.
Die Figuren sind detailliert charakterisiert und stehen exemplarisch für verschiedene Typen von Menschen. Es gibt jene, welche in ungewöhnlichen Situationen über sich hinauswachsen und jene die in ungewöhnlichen Situationen ihr Selbstbewusstsein verlieren und einknicken. Die Hauptfiguren bilden ein Geschwisterpaar, welches auf der Reise zu Verwandten war. Außerdem treffen sie noch auf einen ältlichen Nörgler, eine Revuetänzerin, einen Buchhalter und Mr. Maltby von der Königlichen Parapsychologischen Gesellschaft, der mit allen sinnlichen und übersinnlichen Fähigkeiten die Rätsel aufklären möchte.
Dieser Kriminalroman im Stil anderer britischer Kriminalromane aus den 40er Jahren erzählt eine kurzweilige aber spannende und humorvolle Weihnachtsgeschichte. Der wunderschöne Schnee, das einladende Landhaus und die nette Gesellschaft verwandeln sich schnell in einen bedrohlichen Schauplatz und die Lösung des Rätsels zu finden macht eine Menge Spaß.
(Cover © Klett Cotta)
- Autor: J. Jefferson Farjeon
- Titel: Geheimnis in Weiss
- Originaltitel: Mystery in White
- Übersetzer: Eike Schönfeld
- Verlag: Klett-Cotta
- Erschienen: 2016
- Einband: gebunden, bedruckter Leinenband
- Seiten: 282 Seiten
- ISBN: 978-3-608-96102-7
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Erwerbsmöglichkeiten (auch als e-book erhältlich)
Leseprobe
Wertung: 13/15 Weihnachtsgänsen