Das Telefon klingelt. “Hello IT – Have You Tried Turning It Off And On Again?” ist die Standardfrage, mit der Roy Trenneman, Maurice Moss und später auch Jen Barber sich melden. Am anderen Ende sitzt fast immer ein Mitarbeiter von Reynholm-Industries, der Probleme mit seinem Computer hat. Sehr oft reicht die kleine Frage aus, um die Fehlfunktion zu beseitigen. Die “IT Crowd” hat wieder ein technisches Wunder bewirkt, das dem Trio keiner danken wird.
Sie sitzen im Keller des Unternehmens, viel belächelte Nerds, die meist nur in die oberen Etagen gerufen werden, wenn an einem PC herumgefummelt werden muss. Wobei Jen keine Computerspezialistin ist. Im Gegenteil. Sie hat keine Ahnung von PCs und Netzwerken. Bis zum Ende der Serie ist sie der Meinung, IT stehe (in der deutschen Version) für “Internet-Teile” und lebt im Glauben, das Internet befände sich in einem kleinen Kasten, der im Kirchturm des Big Ben aufbewahrt wird und den die “Ältesten des Internets” in ihrer Obhut haben. Ein Gag, den sich Roy und Moss ausgedacht haben, um Jen bloßzustellen, als diese eine Rede als “Angestellte des Monats” halten muss. Doch die versammelte Zuhörerschaft bewundert Jens Fachkenntnisse und löst sich in Panik auf, als der kleine Kasten auf den Boden fällt und zerbricht. Das Internet ist zerstört, die Hölle bricht los… Moss und Roy haben ihre Pointe, doch niemand ist mehr da, um mit ihnen zu lachen. Doch, die Zuschauer, die dem chaotischen Treiben des Trios (plus ein paar dauerhafter und wechselnder Nebenfiguren) amüsiert und mitunter pikiert zuschauen. Fremdschämen ist Pflicht.
Anderthalb Jahre bevor Chuck Lorre mit “The Big Bang Theory” einen Jahre überdauernden Welterfolg landete, war die BBC mit der von Graham Linehan geschriebenen Serie “The It Crowd” am Start, die es auf vier Staffeln a zehn fünfundzwanzigminütige Folgen und eine dreiviertelstündige finale Episode als Ersatz für Staffel Fünf brachte. Dann endete es, sehr zum Bedauern der zahleichen Fans der Serie. Allerdings absichtlich, da Linehan die Geschichte der IT-Crowd für auserzählt hielt.
Der Verdacht liegt nahe, dass sich “The Big Bang Theory” kräftig von “The IT Crowd”, ähem, inspirieren ließ. Maurice Moss, der dunkelhäutige, fast autistische Kopfmensch, der noch bei seiner Mutter lebt, keine Lügen erzählen kann und seine Gesprächspartner im Wortsinn von Wortsinn beim Wort nimmt, ist eine Blaupause für Sheldon, mit einer Prise Howard (der Mutterkomplex. Moss‘ wird als Kind von seiner Erzeugerin verklagt, weil er ein Fenster zerbrochen hat. Bei der Gerichtsverhandlung in der Küche wird er schuldig gesprochen und zahlt während der Serie seine Strafe noch ab) und Raj (die Schüchternheit). Während der Ire Roy, der Bodenständigere der beiden, in Alltagssituationen einen Hauch besser klarkommt (trotzdem kein Fettnäpfchen auslässt. Auch er ist emotional eher autistisch als authentisch, worauf in einer Folge explizit Bezug genommen wird). Wie Leonard Hofstadter sehnt er sich nach Sex und einer Beziehung. Kurzzeitig wird ihm dies gelegentlich gewährt.
Eine Beziehung zu Jen strebt er aber nicht an. Die in ihrer Unbedarftheit, Ahnungslosigkeit von allem, was mit Computern zu tun hat, und Resolutheit das beinahe mütterliche Verbindungsglied der IT‘ler zur Welt der oberen Stockwerke darstellt. Sie ist hübsch und redselig. Deshalb wird sie gleich in der Folge als “Relationship Managerin” angestellt, da ihr IT-Fachwissen, wie wir ja bereits wissen, sehr, sehr begrenzt ist. Penny, ick hör dir trapsen.
In der Figurenzeichnung gibt es einige Ähnlichkeiten, auch ist die Serie mit Gadgets, Film-, Fernseh-, Spiel-und Comicverweisen vollgestopft wie das Kellerbüro der Protagonisten, das in Standbildern betrachtet, seine ganz eigene Geschichte erzählt. Doch damit verabschiedet sich die “IT Crowd” in eine Welt, die billiger, bunter, absurder, fieser, sexuell wesentlich aufgeräumter und expliziter als die der amerikanischen Kollegen ist.
Auf horizontales Erzählen wird weitgehend verzichtet. Lediglich Douglas Reynholms-Sexismus und die damit verbundenen Frauengeschichten stellen ab der zweiten Staffel einen wiederkehrenden Faktor dar. Meben geschliffenem Wortwitz spielt die “IT Crowd” mit den absurden Seiten der Komik, ist bissig, böse, grell, platt und macht auch vor kruden, unausgereiften Pointen und altehrwürdigen, mit jugendlichem Elan vorgetragenen Slapstickelementen nicht halt. Gags und szenische Entwicklungen werden auf die Spitze getrieben, in der Hoffnung, ein Feuerwerk dort oben zu entfachen. Manchmal stürzen sie aber auch ab. Doch selbst das kann schmerzhaftes Vergnügen bereiten.
Gewöhnungsbedürftig ist die billige Digital-Optik, very british halt, die aber nach kurzer Eingewöhnungszeit passend zum chaotischen Ambiente der Serie erscheint. Während viele Pointen, die sich auf die Arbeit der Computerabteilung bezieht, sehr realitätsnah daherkommen (Stand 2006), wird an anderen Stellen voll auf die Kacke gehauen (sogar bildlich, als Roys Stirn, nach einem Toilettenbesuch während eines Dates, mit braunen Schlieren verziert ist), Feinzeichnung ist Sache der Serie nicht. Ein Klassiker ist die “Peter File”-Episode. Jener Name, der sich laut und schnell ausgesprochen wie “pedophile” anhört. Der arme Peter muss bis zum Ende der Folge darunter leiden. Ohne Gnade. Ist sehr witzig.
Andernorts halten sich Komik und Qual die Waage. Die Schauspieler machen gute Miene zum ganz bösen Spiel und besonders Richard Ayoade als Maurice Moss liefert eine ganz starke Leistung ab. Nicht so prickelnd ist die deutsche Synchronisation, weswegen man sich die Serie unbedingt im Original (mit Untertiteln) ansehen sollte. Schon die sinnentleerte Übersetzung von Roys Standardspruch ist Bockmist: “Haben Sie den Computer schon ein- und ausgeschaltet?” Da der leidende User höchstwahrscheinlich vorm laufenden PC sitzt, eine abstruse Frage. Umgekehrt wird eine Reparatur daraus.Die deutschen Sprecher agieren zwar professionell, steigern die im Original schon aufgeregte Serie aber ins Hysterische, was gerade hintergründigen Witzen ihre volle Wirkung entzieht. Deshalb also lieber zum Original greifen. Eine Entscheidung, die sich beim äußerst umfangreichen Bonusmaterial gar nicht stellt. Das ist durchgängig nur auf Englisch vorhanden. Untertitel sind zuschaltbar.
Alle fünfundzwanzig Folgen kommen auf wenig mehr Laufzeit als eine gute Staffel “The Big Bang Theory”. Was dem englischen Kellerkind atemlosen Charme und Charakter verleiht. Langeweile kommt nicht auf, selbst wenn die Scherze mal plump sind oder krachend in die Hose gehen. Was aber in der Minderheit ist.
Wer Gefallen an grellem britischen Humor besitzt, sich ein wenig in der Populärkultur sowie Computergeschichte und-kunde auskennt, wird eine Menge Spaß an der “IT Crowd” haben. Und an Richmond, dem ehemaligen Motivations-Star von Reynholm-Industries, der nach dem Genuss einer Cradle Of Filth-CD zum bleich geschminkten Goth mutierte und nun sein Dasein in einem lichtlosen Hinterzimmer des IT-Kellers fristet. Sein meist lautloses und überraschendes Auftauchen ist ein Quell dunkel sprudelnder Freude. Over the top natürlich. Wie die gesamte Serie.
Cover und Szenenbilder © Studio Hamburg Enterprises
- Titel: The IT Crowd
- Staffeln: 1-5
- Episodenanzahl:
25 Episoden (5 DVDs) - Erschienen: 18.11.2016
- Produktionsland: England
- Produktionsjahre: 2006-2013
- Label: Studio Hamburg Enterprises
- Idee: Graham Linehan
- Spielzeit:
615 Min. + 120 Min. Bonus auf 5 DVDs
- Musik: Neil Hannon
- Darsteller:
Chris O’Dowd
Richard Ayoade
Katherine Parkinson
Chris Morris
Noel Fielding
Matt Berry - Extras:
Deleted Scenes (1.0, 3.0) / Behind The IT Crowd / Hello Friend / Hidden Extras (1.0, 4.0) / Outtakes (2.0, 3.0, 4.0) / Audiokommentare (1.0 – 5.0) / Recording the IT Crowd (2.0) / Interview mit Graham Linehan (3.0) / Original Titelsequenz Animation (3.0) / Cracking the IT Crowd (3.0) / Set Tour (3.0) / Making of (4.0) / Audiotrack “Kalypso”- Sweet Billy Pilgrim feat. Katherine Parkinson / Special: The Internet is Coming - Technische Details (DVD):
Video: 16:9
Audio: Deutsch (Dolby Digital 2.0), Englisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: Deutsch - FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Wertung: 11/15 Resets