Eigentlich mag Roland seine Mutter nicht und versucht sein Leben in möglichst großem Abstand zu ihr zu verbringen. Doch nach den Sommerferien ist das Bild der Grundschullehrerin Christiane Tarpenbeck auf jeder Titelseite. Sie hat angeblich eine somalische Schülerin beleidigt. Kurz darauf ist sie verschwunden. Dabei verreist sie nicht gerne und mag auch keine Änderungen in ihren Alltagsabläufen. Deshalb begibt sich Roland auf die Suche. Bei der Polizei kann ihm niemand helfen, sodass er eine Privatdetektivin engagiert.
Das Buch beginnt mit einer Beschreibung von Rolands Leben, die er selbst ziemlich chaotisch erzählt. Für den Leser ist dieser Einblick in ein fremdes Leben kein einfacher Einstieg in eine Geschichte. Doch nach und nach werden verschiedene Perspektiven wiedergegeben, die relativ genau ein kritisches Gesellschaftsbild darstellen. In Interviews der Privatdetektivin, die eigentlich Monologe der Freunde und Bekannte von Christiane sind, offenbaren sich rassistische Abgründe hinter gutbürgerlichen Fassaden. Dabei verlieren die Sprecher das eigentliche Ziel etwas über Christiane zu erzählen häufig aus den Augen, um über ihre eigenen Befindlichkeiten zu reden.
Da das Buch zwar von verschiedenen Personen, so doch immer aus der Ich-Perspektive, erzählt wird werden die verschiedenen Ansichten nicht durch einen moralischen Erzähler hinterfragt oder relativiert. Dies macht das Buch spannend und lässt einen über die Hintergründe nachdenken.
Neben dem latenten bis offenen Rassismus, den Jasmin Ramadan in diesem Buch hervorragend herausgearbeitet hat, geht es auch um das Erfüllen von Erwartungen. Christiane stand immer am Rand der Gesellschaft. Sie hat keinen Bezug zu sozialen Gepflogenheiten und Nettigkeitslügen oder menschlicher Nähe. Sie mag lieber klare Regeln, eine saubere Wohnung und eine erfüllende Aufgabe. Durch ihre direkte Art hat sie leider auch nur eine Freundin, mit der sie sich regelmäßig streitet, und zu sozialen Veranstaltungen wie Hochzeiten wird sie nur eingeladen, um als Lückenbüßer für andere soziale Außenseiter herzuhalten.
Das alles beschreibt Yasmin Ramadan so gut und genau, da sie auf hohe literarische Kunstgriffe und lyrische Sprache verzichtet, sondern alltägliche Erlebnisse berichtet. Dinge, die jeder erlebt und sich vielleicht fragt, ob das alles richtig so war. Und in der ein oder anderen Figur entdeckt der Leser vielleicht einen Bekannten oder sich selbst.
Es geht aber auch darum, aus den eigenen und gesellschaftlichen Zwängen auszubrechen und neue Dinge auszuprobieren. Vielleicht ist die Realität immer anders und vielleicht ist der Platz, wo jemand schon immer war, nicht der richtige, sondern ein ganz anderer.
Dieser Roman zeigt deutlich, dass Rassismus nicht bei Steine werfen und dem Anzünden von Asylbewerberheimen anfängt, sondern viele Gesichter hat. Es ist dabei kein mahnender Zeigefinger, sondern eine pure Beschreibung der Tatsachen (wenn auch fiktiver) und regt zum Nachdenken an. Welche Menschen werden eigentlich falsch verstanden, weil sie nicht unseren oder den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen?
Cover © Klett-Cotta
- Autor: Jasmin Ramadan
- Titel: Hotel Jasmin
- Verlag: Verlagsname
- Erschienen: 2016
- Einband: gebunden mit Schutzumschlag
- Seiten: 269 Seiten
- ISBN: 978-3-608-50142-1
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auch als Ebook erhältlich
Wertung: 13/15 dpt