Viele bekannte Musiker haben in den letzten Jahren ihre Memoiren herausgebracht. Billy Idol, Mick Fleetwood oder Tom Jones: Das sind nur drei berühmte Künstler, deren Lebenserinnerungen man in den letzten Jahren kaufen konnte. Allerdings waren diese Biografien nur in den seltensten Fällen rundherum zufriedenstellend. Vielmehr war es so, dass sie, wenn es um die Ereignisse der heutigen Zeit ging, oberflächlich wurden. Oder dass sie pikante Details, wie zum Beispiel, dass sie ihre Ehefrauen betrugen, einfach nicht erwähnten.
Jetzt hat auch Bruce Springsteen seine Memoiren zu Papier gebracht. Er hat das Ergebnis nach seinem bekannten Song „Born to Run“ benannt, und vorab wurde schon ein Detail enthüllt: Dass er wohl zumindest zu einem Zeitpunkt seines Lebens depressiv gewesen sein muss.
Wenn man seine Erinnerungen liest, verwundert das nicht. Er kommt aus einer vorbelasteten Familie. So litt auch sein Vater unter einer Form dieser Krankheit, was die Kindheit des Künstlers nicht eben angenehm macht. Gleichzeitig war diese Phase seines Lebens ebenfalls durch eine familiäre Geldknappheit geprägt, was sich zum Beispiel daran bemerkbar machte, dass er und seine Eltern ein gewisses Risiko eingingen, um ihm seine erste Gitarre zu besorgen.
Doch trotz der Umstände war seine Kindheit eine glückliche. Bis seine Eltern wegzogen und er als 18-jähriger auf eigenen Beinen stehen musste. Das ist vielleicht der interessanteste Part der Lebenserinnerungen von Bruce Springsteen.
Es ist die Phase, in der er noch nicht der Künstler war, der er heute ist. In der er von der Hand in den Mund leben musste und manchmal nicht ausreichend Geld hatte, um die Miete zu bezahlen. Doch es war ebenso eine Episode in seinem Leben, die ihn geprägt hat. Eine, in der er viele Freundschaften knüpfte, von welchen einige bis in die heutige Zeit anhielten.
Es ist interessant zu lesen, wie sein Leben damals war. Es ist vor allem der Kontrast zu anderen Künstlern, die in jener Zeit groß wurden. Und die eben auch sehr viele Erfahrungen mit Drogen und Alkohol gemacht haben. Was bei Bruce Springsteen eben nicht der Fall war. Stattdessen hatte er bald andere Probleme.
Denn als der Erfolg sich bei ihm einstellte, merkt man als Leser, wie eine Art dunkle Wolke sich über dem Künstler zusammenbraute. Er spricht von Rastlosigkeit, von emotionalen Turbulenzen und extremen Unsicherheiten, falls er nicht gerade auf Tour ist oder Musik macht. Und wenn man seine Familiengeschichte bedenkt, ist einem eher als Springsteen selbst klar, dass sich da eine kräftige Depression ankündigt. Eine, die wohl auch mit dazu beitrug, dass seine erste Ehe scheiterte.
Es ist vor allem die offen und ehrliche Art, mit der Bruce Springsteen beschreibt, wie diese Erkrankung sich auf ihn auswirkte. Und wie er wiederholt Phasen hat, die sein Leben nahezu unmöglich machen. Was ihm dann aufhilft, ist seine Familie, vor allem seine Ehefrau Patti Scialfa, und eben Hilfe durch professionelle Ärzte, die ihn aufgerichtet hat und wieder aufrichtet.
Man merkt dieser Autobiographie an, wie schwer es ihm fällt, über seine Gefühle zu reden beziehungsweise zu schreiben. Doch er unterschlägt nichts, sondern legt diese seelischen Wunden bloß, die ihn beschäftigen. Für ihn ist das Niederschreiben vermutlich eine Art Therapie.
Richtig blüht er allerdings auf, wenn er über die Musik schreiben kann. Er beschreibt die Mühen und Qualen, die er manchmal durchlaufen hat. Wieso die ersten beiden Alben seiner Musikerkarriere nicht wirklich die sind, die seinen eigenen Stil repräsentieren. Und das Vergnügen, mit seinen Kameraden auf der Bühne zu stehen, auch wenn er wirklich ihr Boss ist, wie er klarmacht.
Wer die üblichen Biografien von Künstlern liest, der weiß, dass es bei diesen sehr viel Bildmaterial gibt. Nicht so in „Born to Run“. Bruce Springsteen baut gegen Ende ein paar Seiten mit Fotos ein. Diese sind aber gut ausgewählt, und verraten weder zu viel noch zu wenig über diesen Ausnahmekünstler.
„Born to Run“ ist lebensnah und lebensecht. Das Buch ist eine Autobiographie, die einem unter die Haut geht. Und die Respekt für den Menschen Bruce Springsteen hervorruft, weil er es eben wiederholt geschafft hat, seine Krankheit zu kontrollieren (anstatt sie ihn). Auch wenn das, wie er selber klar macht, nicht so einfach ist, wie man es als Nichtbetroffener meinen könnte.
Unbedingt kaufen!
Wertung: 15/15 dpt
- Autor: Bruce Springsteen
- Titel: Born to Run: Die Autobiografie
- Originaltitel: Born tu Run
- Übersetzer: Teja Schwaner, Alexander Wagner, Urban Hofstetter, Daniel Müller
- Verlag: Heyne
- Erschienen: 09/2016
- Einband: Gebunden
- Seiten: 672
- ISBN: 978-3-453-20131-6
- Sonstige Informationen:
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