American Horror Story, Staffel 5 – Hotel (Serie, 3 Blu-rays, 4 DVDs)


Es bleibt dabei, die “American Horror Story” ist ein Phänomen: So faszinierend wie zwiespältig. Auch im “Hotel Cortez”, der fünften Manifestation der phantastischen Reihe, sind sämtliche positiven Attribute früherer Staffeln vorhanden, beim Setting und der Visualisierung sogar noch ausgefeilter, aber ebenso die negativen. Trotz aller Macken bleibt “Asylum” die kohärenteste Staffel, was Spannung und den szenischen Aufbau angeht. Wie wir ja wissen, nicht das belastbarste Standbein des “American Horror Story”-Universums.

Doch der Negativtrend, der mit der zweiten Hälfte von “Coven” einsetzte, und in der langweiligen “Freak Show” seinen Tiefpunkt fand, wurde gestoppt.
“Coven” verlor sich im Geflecht seiner wenig nachvollziehbaren und indifferenten personellen Gewichtungen sowie dem Umstand, dass jeder Tod nur eine Marginalie darstellte, die in den nächsten Minuten wieder relativiert werden konnte. Zu viele Halb-, Schein-, partiell- und gar nicht Tote lähmten den inneren Zusammenhalt und vor allem die Spannung. Die eine Saison später in der “Freak Show” komplett gekillt wurde. Außer mit wenigen Schau- und Hörwerten und den üblichen starken Schauspielerleistungen, konnte das inhaltliche Larifari um missgestaltete Artisten in der Zirkuskuppel, ratlos, zu selten punkten. Selbst der nicht nur für coulrophobische Zuschauer verlässliche Gruselmoment des Horrorclowns sorgte bestenfalls für mitleidiges wie ungläubiges Kopfschütteln. Ein lahmes Kuriositätenkabinett und der (vorläufige) Abschied von Jessica Lange, die alleine in der Lage war, während der vielen schwächelnden Momente, ihre Fans bei Laune zu halten.

Im Hotel Cortez rückt dafür der spektakuläre Neuzugang Lady Gaga in den Vordergrund. Und ja, sie erledigt die ihr gestellte Aufgabe verdammt gut. Von der flatterhaft in Rudolph Valentino verliebten “kleinen Maus”, zur so emotionalen wie gnadenlosen vampirischen Countess, nimmt man Stefani Joanne Angelina Germanotta die Rolle ab. Als Schauspielerin, nicht als Mega-Popstar, der aufgrund seines Status einen Auftritt im Fernsehen ergattern konnte. Schätzenswert auch für Menschen, die mit der Musik der Gaga-Kunstfigur nichts anfangen können.

Umgeben wird sie von verlässlichen Größen des American Horror Story-Universums wie Denis O’Hare als Transvestit, der von der großen Liebe träumt, Sarah Paulson als Selbstmörderin “Hypodermic Sally” mit Liebes- und Drogenauftrag, Evan Peters als James Patrick March, ein spiritueller Nachfahre des Marquis de Sade. Kathy Bates spielt die Mutter des Liebhabers der Countess, Donovan, die erst einsteckt, dann austeilt. Die exzellente Chloë Sevigny brilliert als Ärztin und verzweifelter Familienmensch, deren Vorliebe für Bluttransfusionen im Lauf der Serie wächst. Angela Bassett gibt erneut furios die Furie. Lediglich Lily Rabe, ansonsten ein verlässliches American Horror Story-Urgestein, versemmelt einen schlecht in Maske gesetzten Aileen Wuornos-Kurzauftritt.

Eine Doppelrolle als Model und Rudolph Valentino bekleidet Finn Whitrock, der während der “Freak Show” zum Ensemble stieß, wie auch Matt Bomer, als Donovan ein wankelmütiger Konkurrent um die Gunst der Countess, mit gruseliger Frisur aber beachtlichem Charisma.

Neben Jessica Lange fehlt leider auch Frances Conroy, dafür bekommen Wes Bentley als derangierter und gleichzeitig konsequenter Cop John Lowe und Mare Winningham als sarkastisch kommentierende, ewige Reinigungskraft Hazel Evers, wesentlich mehr Präsenz als bei ihren vorigen Einsätzen. Auch die Liste der Gaststars ist beeindruckend, so schauen David Naughton (“An American Werewolf in London”), Max Greenfield (Deputy Leo aus “Veronica Mars” und Schmidt aus “New Girl”) und Mädchen Amick (nicht die einzige Referenz an David Lynch und “Twin Peaks”) kurz im Hotel Cortez, beziehungsweise in seiner Nachbarschaft, vorbei.
Schauspielerisch ist also alles, bis auf wenige Ausnahmen, im Lot. Die gespielte Extravaganz ist gewollt und passt perfekt zum mondänen Ambiente des Cortez, das längst dem Verfall anheimgegeben ist. Wie schon erwähnt sind die Settings, Kostüme, die gesamte Ausstattung erlesen und stimmig. Selbst das reichlich fließende und spritzende Blut wirkt wie ein flüchtiges, unübersehbares Teil des Dekors.

Cinematographisch sind ebenfalls Eleganz und Geschmeidigkeit Trumpf, vor allem das Hotelgebäude, sein Innendekor, die labyrinthischen Gänge und versteckten Zwischenräume werden fulminant in Szene gesetzt. Verweise auf Stanley Kubrick, diesmal logischerweise “Shining” und nicht “Uhrwerk Orange” wie noch in “Asylum”, David Lynch, Quentin Tarantino, Dario Argento und etliche andere visuelle Grandeure sind zahlreich. Eine Entdeckungsreise lohnt sich.

Fabelhaft ist auch der Soundtrack, der neben atmosphärischen Eigenkompositionen zahlreiche dunkle Klassiker, bevorzugt der 80er, auf’s Tapet bringt. Joy Division, Bauhaus, The Sisters Of Mercy, Siouxsie & The Bansheees, The Jesus and Mary Chain, Depeche Mode, New Order, The Cure, Bryan Ferry und viele andere Musiker machen das Einchecken und audiophile Verweilen zum (alp)traumhaften Genuss. Bis hierher hat “American Horror Story – Hotel” nahezu alles mit Auszeichnung richtig gemacht.

Doch es gibt leider noch so Kleinigkeiten wie Dramaturgie, Erzählstoff, Personenkonstellationen, Konflikte und Spannungserzeugung. Auf jeder dieser Ebenen scheitert “Hotel” mehr oder minder. Noch mehr als seine Vorgänger ist die fünfte Staffel verliebt in Megalomanie und überbordende Bizarrheit. Faszinierende Figuren hat es en masse, doch in einem Wust aus Zeitsprüngen, willkürlichen Veränderungen und Brüchen geht das Interesse an Entwicklungen und am Schicksal der Einzelnen verloren. Die Realität des Hotels Cortez und von allem, was mit ihm verbunden ist, ist die Groteske. Schon von Beginn an überschlagen sich die Ereignisse, eine Vielzahl an Protagonisten wird eingeführt, manche verschwinden sofort wieder, andere tauchen gelegentlich erneut auf und werden endgültig fallen gelassen, der Rest ist gekommen, um zu bleiben. Rationalität und der Tod als finales Ereignis spielen bestenfalls bis zur Lobby eine Rolle.

Im Zentrum steht das Spiel um Schönheit, Glanz, deren Zerstörung und Neuschöpfung abseits jedweder moralischer Beschränkungen. Die Countess hat ein missgestaltetes Baby (Hallo “Eraserhead”) und sehnt sich nach Vollkommenheit. Deshalb entführt sie wohlgestaltete Kinder und vampirisiert sie, spendet ihr Blut, um aus gutaussehenden Männern und Frauen Spielgefährten zu machen, die sie ihre erste große Liebe Rudolph Valentino vergessen lassen. Der auf perfide und doch naheliegende Weise von ihrem Angetrauten James Patrick March beiseitegeschafft wurde, mit dem sie in inniger Hassliebe verbunden ist.

March möchte das Böse als philosophisches Kunstwerk sehen und gestalten, er foltert, missbraucht, tötet, manipuliert, gestaltet Events mit medial hofierten (toten) Serienmördern, sehnt sich seiner Angetrauten panisch hinterher und bleibt letztlich ein Kunsthandwerker. Der den Verführungskünsten seiner Frau nicht gewachsen ist. Dafür lebt er seine düstere Kreativität an anderen Stellen aus, mordet, feiert blutrote Feste und erschafft einen wahrhaft biblischen Killer als sein Vermächtnis.

David Fincher trifft Alan Parker im Fall des “10-Gebote-Mörders”. Detektiv John Lowe ermittelt verbissen, geradezu psychopathologisch, nachdem sein kleiner Sohn entführt wurde, und er seinen familiären und psychischen Halt verloren hat. Es dauert eine Weile, bis er an sieben Fingern abzählen kann, dass “Angel Heart” für ihn mehr als ein Buch- und Filmtitel ist. Der Detektiv möglicherweise als Verfolger seiner selbst, findet letztlich Erkenntnis und neuerliche Familienzuführung natürlich im Hotel Cortez.

Dies sind nur wenige der vorhandenen Handlungsstränge, manche werden lediglich angerissen (wie der alte Sinnspruch, dass der Pfad zur Hölle mit guten Absichten gepflastert ist), andere ausführlicher behandelt. Nicht zu vergessen diverse Rückblenden, die die Handlung aber eher bremsen als vorantreiben. Gerade die Episoden um John Lowe und seine Verwicklung in den “10-Gebote-Mörder”- ziehen die Spannungsschraube gehörig an, um sie urplötzlich durch eine langatmige Rückschau auf einen anderen Part des gigantischen Puzzles wegzuflexen.

So verfahren die Schöpfer der Serie dauernd, vernachlässigen zudem Motivationen und nachvollziehbare Handlungsweisen. Es gibt keine Fixpunkte, wenn man vom Bizarren absieht, d.h. mit jeder Figur ist jederzeit alles möglich, Täter, Opfer, Verführter oder Verführter, ganz egal, das ergibt sich wie ausgewürfelt. Von dieser Beliebigkeit wird man auf Distanz gehalten, man staunt und wundert sich, lacht über ein paar Gags, nimmt den gorigen Gehalt gut gelaunt oder entsetzt zur Kenntnis. Gewagter für eine amerikanische Serie sind die sexuell expliziten Dialoge, die aber nie adäquat in Szene gesetzt werden. Die Nachwirkungen des Hays-Codes. Allenfalls wird mit Oberflächenreizen in Lack und Leder gespielt. Diverse Madonna-Clips sind freizügiger.

Über die reichlich vorhandenen Schauwerte bleibt nach dem Anschauen wenig haften. Am ehesten noch der hervorragende Soundtrack. Keine Frage, “American Horror Story – Hotel” ist wieder ein Genuss für Augen und Ohren. Wie eine Ausstellung von Möbeln der Herrn Kubrick, Lynch, Argento, Fincher, Parker, Tarantino und ein paar mehr. In einem Spiegelkabinett, in dem zur flackernden Lichtorgel ein DJ einige der besten Musikstücke der Achtziger auflegt. Und ein emsiges Helferlein gelegentlich einen Eimer Blutsuppe ins Publikum kippt.

Kann man mit leben. Könnte aber um einiges besser sein. Vor allem nachhaltiger. Scheint sich aber zu lohnen, denn nach letzten Infos ist das Weitererzählen der kruden “American Horror Story” bereits gesichert bis Staffel Neun. Nächster Halt “Roanoke” (bei dem Francis Conroy im Gegensatz zu Jessica Lange wieder dabei ist). Der erste Eindruck: “Insidious”, “The Conjuring” und ähnlich gelagerte Filme der letzten Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Und natürlich die erste Staffel. Ein Wiedersehen mit einer Vielzahl der Bewohner des Hotels Cortez ist obligatorisch.

You can checkout any time you like but you can never leave…

Ein Satz, um alle anderen Sätze zu sparen:

“Ich bin tot, Darling, jedoch nicht blöd.”

Sämtliches zu diesem Artikel gehörendes Bildmaterial © Twentieth Century Fox Home Entertainment

  • Titel: American Horror Story – Hotel
  • Originaltitel: American Horror Story – Hotel
  • Produktionsland und -jahr: USA, 2015
  • Staffel: 5
  • Episoden: 13
  • Genre: Horror, Psycho-Thriller, Mystery
  • Erschienen: 13.10.2016
  • Label: Twentieth Century Fox Home Entertainment
  • Regie:
    Bradley Buecker
    Michael Goi     
    Ryan Murphy
  • Idee: Ryan Murphy, Brad Falchuk
  • Produktion: Henry J. Lange Jr., Greg García
  • Drehbuch: 
    Tim Minear
    James Wong
    Jennifer Salt
    Brad Falchuk
    Ryan Murphy 
  • Musik: James S. Levine
  • Spielzeit:
    617 Minuten auf 3 Blu-Rays
    618 Minuten auf 4 DVD
  • Darsteller:
    Lady Gaga
    Kathy Bates
    Denis O’Hare
    Sarah Paulson
    Evan Peters
    Wes Bentley
    Chloë Sevigny
    Matt Bomer
    Finn Whitrock
    Angela Bassett
    Lily Rabe
  • Extras:
    Eine Einladung zur Teufelsnacht
    Das Cortez
  • Technische Details:
    DVD-Daten:
    DVD 9, Region 2 PAL
    Bildformat:
    16:9, 1.78:1
    Audio:
    Englisch DD 5.1, Deutsch DD 5.1, Französisch DD 5.1
    Untertitel:
    Englisch, Deutsch, Französisch und andere

  • Technische Details (Blu-Ray)
    Video:
    16:9 (1.78:1)
    Sprachen/Ton
    :
    Deutsch DTS 5.1, Englisch DTS-HD-MA 5.1, Französisch DTS 5.1
    Untertitel:
    Deutsch, Englisch, Französisch und andere
  • FSK: 18
  • Sonstige Informationen:
    Produktbeschreibung auf fox.de
    (inklusive Trailer und Erwerbsmöglichkeit)

    Wertung: 9 von 15 blutigen Bettlaken


1 Kommentar
  1. Der Staffel stehe ich auch sehr kritisch gegenüber. Gegen Ende, als die Charaktere wichtiger wurden als Sex und Drogen, hat es mich wieder etwas mehr überzeugt, aber am Anfang habe ich mich gefragt wo der Golden Globe und das viele Lob herkommen? Das wirkte insbesondere in den ersten zwei, drei Folgen auf mich bei weitem zu gewollt und so als ob man ein effekt-geiles Publikum anziehen will. Die Seitenhiebe auf die Selfie-Generation fand ich aber ganz schön. 🙂

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