Das Interessanteste an “Rage – Tage der Vergeltung” ist seine Vorgeschichte. Denn ursprünglich waren für den bereits 2012 geplanten Film Nicolas Cage in der Hauptrolle und William Friedkin als Regisseur vorgesehen. Doch das Projekt blieb zu lange in der Schwebe und so verflüchtigten sich Friedkin/Cage, um vom, zumindest im Part des Regisseurs, wesentlich unspektakuläreren Duo Chuck Russell und John Travolta ersetzt zu werden.
Russell ist ein solider Action-/Horrorfilm-Regisseur (“A Nightmare on Elm Street 3: Dream Warriors”, Eraser”), aber vierzehn Jahre Regiestuhl-Abstinenz (von einer Fernseharbeit abgesehen) und als letztes Aushängeschild den nicht so tollen “The Scorpion King” am Revers, lassen eine gewisse Skepsis aufkommen. Die sich leider als berechtigt herausstellt.
“Rage – Tage der Vergeltung” ist ein Selbstjustiz-Thriller, der sein Standardprogramm kraftlos abspult. Dramaturgisch löchrig und unbeholfen, versetzt mit immerhin akzeptabel inszenierten, gemütvollen Actionsequenzen, schleppt sich John Travolta als rachedurstiger Grummelbär mit einer angetackerten, struppigen, ewig gleich aussehenden Haarpracht durchs räudige Stadtleben, um die Mörder seiner Frau zu entlarven und ihrer Strafe zuzuführen. Also tot zu machen. Völlig unpassend ist der Prolog, der aus einem Zusammenschnitt gefakter News-Beiträge besteht, die sich um den Anstieg willkürlicher Gewalt auf Amerikas Straßen besteht. Das steht in keinerlei Zusammenhang zum fertigen Film, der sich um eine Straftat mit konkretem Motiv dreht. Steckt in diesem Vorsüpiel vielleicht noch ein Hauch von dem drin, was William Friedkin vorschwebte? The Answer, my friend, is blowing in the wind…
Ihm zur Seite steht Christopher Meloni, als Friseur (der beste Joke des Films, im Angesicht von Travoltas Mottenfiffi) mit waffenstarrendem Hinterzimmer. Kennt man ja von daheim. Der knochentrockene, lakonische Meloni ist der große Pluspunkt des Films. Wie so oft ist der gute Mann unterbeschäftigt und –fordert.
Die Geschichte des Films ist schnell auserzählt. John Travolta spielt den Ingenieur Stanley Hill, dessen Frau vor seinen Augen vom Angehörigen einer fiesen Straßengang erstochen wird. Angesichts der untätigen und unfähigen, wie sich später herausstellen wird, auch korrumpierten, Polizei erwacht im erst verletzten, dann genesenen Hill ein Todeswunsch. Eher Wünsche. Trifft sich gut, dass er ein kampferprobter Ex-Militär ist. So eine Vergangenheit braucht man in einem Rachethriller. Durchschnittstypen sind aus.
Er lässt sich, nach göttlicher Bibelstunde, “I am Wrath” (Originaltitel des Films) auf den Rücken tätowieren und beginnt seine tödliche Vendetta. Die ihn bis in halbhohe Regierungskreise führt. Denn natürlich war die Ermordung seiner Gattin kein profaner Raubmord.
Es trifft sich gut, dass Ingenieur Hill nicht nur eine Vergangenheit als Mitglied eines Spezialkommandos, sondern auch einen alten Armeekumpel namens Dennis besitzt. Der wird, nach ganz kurzem Zögern, zum gut ausgestatteten Mitstreiter. Die beiden älteren Herren stellen sich beim Suchen und Zerstören etwas tapsig an, sodass bald Stanley Hills Tochter samt Familie ins Fadenkreuz der gegnerischen Gangster gerät.
Glücklicherweise haben die es noch weniger drauf und ebnen dem zornigen Paar den Weg zum obersten Strippenzieher ohne große Umstände. Okay, ein bisschen fließendes Blut und Gewalt sind ganz hilfreich dabei.
Der Plot entwickelt sich in eingestanzten Bahnen, wenig aufregend und nur selten spannend. Dramatik wird lediglich durch Bedrohungslagen erzeugt, die unsere Protagonisten selbst provoziert haben. Und obwohl sich Stanley Miller geradezu nachlässig um das Wohl seiner Tochter, ihres Mannes und seines Enkels kümmert – trotz lautstarker Drohungen der angegriffenen Gang – geht alles glimpflich ab. Außer für die Nanny. Nanny ist ein harter Job. Man endet leicht als Kollateralschaden. Vielleicht ist es auch ein Au pair Mädchen. Ebenfalls nicht einfach.
Gemessen an Tempo und Verwüstungslevel, die der wesentlich agilere und schlagkräftigere Liam Neeson in “Taken” aka “96 SHours”, oder Travolta selbst im fies-zynischen Krawallfilm “From Paris To Love”, vorgelegt haben, wirkt “Rage – Tage der Vergeltung” müde und altbacken. Ungefährer Stand “Ein Mann sieht rot – Teil 5”. Der ist von 1993 und Charles Bronson war damals schon 72.
Kurzum, man kann sich den Film an einem verregneten Nachmittag/Abend, im Prüfungsstress oder zur Prokrastination durchaus anschauen. “Rage – Tage der Vergeltung” unterhält erträglich mit wenig spektakulärer, aber halbwegs solide inszenierter Altherren-Akrobatik und einem Kunstteil von Frisur, das eigentlich eine eigene Position in der Besetzungsliste verdient hätte.
Mit glattpolierter Platte kämpfte es sich besser, damals in Paris.
Viel zu sagen gibt es nicht:
“Is er tot?”
“Atmen tut er nicht mehr.”
–
“Achtung Wachdienst, auf der Intensivstation, Abteilung 3, gab es einen Regelverstoß!”
Cover und Fotos © Ascot Elite
- Titel: Rage – Tage der Vergeltung
- Originaltitel: I am Wrath
- Produktionsland und -jahr: USA, 2016
- Genre: Action, Rachethriller
Erschienen: 07.10.2016 - Label: Ascot Elite Home Entertainment
- Spielzeit:
87 Minuten auf 1 DVD
91 Minuten auf 1 Blu-Ray - Darsteller:
John Travolta
Christopher Meloni
Amanda Schull
Rebecca De Mornay
Sam Trammell
Regie: Chuck Russell
- Drehbuch:
Yves Gauthier (Story)
Paul Sloan
- Kamera: Andrzej Sekula
- Musik: Haim Mazar
- Extras:
Deutscher Trailer, Originaltrailer
Trailershow mit Trailern zu 3 weiteren Titeln - Technische Details (DVD)
Video: 2.40:1 / 16:9
Sprachen/Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 2,40:1 (1080p)
Sprachen/Ton: Deutsch (DTS-HD 5.1), Englisch (DTS-HD 5.1)
Untertitel: Deutsch
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Filminfos und Erwerbsmöglichkeiten @ Ascot EliteWertung: 7/15 Killertoupets