“Nice Guys” wird beworben als “Neo Noir-Komödie”, doch das ist Kokolores. Shane Blacks Film ist eine in die 70er verlegte Hommage an das unvergessene Duo Laurel und Hardy, in Gestalt einer Krimikomödie. Russell Crowe übernimmt, speckig wie selten, die Rolle Oliver Hardys und Ryan Gosling gibt Stan Laurel, als tumben Toren mit gelegentlichen Geistesblitzen. Gosling hat den dankbareren Part, sein Holland March darf aufdrehen wie ein wildgewordener Dosenkasper und dauernd irgendwo runterfallen, während Crowe als ‘Problemlöser’ Jackson Healy mürrische Miene zum abgedrehten Spiel machen muss.
Die Interaktion zwischen den beiden Schauspielern funktioniert reibungslos, doch werden sie darstellerisch von Angourie Rice fast in den Schatten gestellt, die Marchs dreizehnjährige Tochter Holly spielt. Während wir uns hierzulande mit so etwas wie den unbegabten Schweiger-Töchtern abgeben müssen, zaubert man in Hollywood talentierte und unnervige Kinderdarsteller anscheinend geradezu aus dem Hut. Wobei Rice Australierin ist. Holly ist die coole, nachdenkliche und zielbewusste Detektivin, die ihr schusseliger Vater in männlich so gerne wäre. Nicht umsonst ist ihr Vorname eine Variation des väterlichen Hollands.
Shane Black spielt wie gewohnt mit Genre-Standards, baut sie um, setzt sie umgeformt zusammen, allerdings ohne derart zu dekonstruieren, dass etwas Neues dabei herauskommt. So ist auch “Nice Guys” ein Genrebeitrag, der letztlich den Regeln folgt, mit denen er spielt und die er veralbert. Der Handlungsverlauf ist charakteristisch für ein typisches Buddy-Movie. Zwei unterschiedliche Typen werden eingeführt, machen nach einem ersten handgreiflichen Zusammentreffen gemeinsame Sache, um am Ende als eingeschworenes Duo aus einer verwickelten Ermittlung hervorzugehen. Die reicht natürlich bis in die, nicht nur von Glamour-Gazetten geliebten, “höchsten Kreise”. Im vorliegenden Fall heißt “verwickelt”: Chaos, Action, Slapstick, Unfälle, Mord, Totschlag, Abrackern popkultureller Spielwiesen und Klamauk. Dazu darf fröhlich viel geraucht, gesoffen, mit Marihuana hantiert und unschicklich geredet werden. Im Zuge von “Deep Throat”und “The Devil In Miss Jones” sind Underground-Arthouse-Pornos en vogue. Those were the times.
Angesiedelt 1977, vom Dekor und Setting hervorragend umgesetzt, mit Wonne Klischees sowohl bedienend wie überzeichnend, stürzt sich unser dynamisches Duo in eine Personensuche (“Wo ist Amelia?”) und stolpert nicht nur mitten in die Pornoindustrie, sondern auch über einen Abgas-Umwelt-Skandal. In einer Zeit, bevor Katalysatoren Pflicht waren. Hier findet man auch den einzigen möglichen Noir-Aspekt, da der Ermittlungsverlauf und sein Finale dezent an “Chinatown” angelehnt sind. Doch wo sich bei Polanskis Film düstere Erkenntnis und philosophische Spekulation die Hand gaben, wird bei den “Nice Guys” das Scheitern im Erfolg zur bitterfröhlichen Durchhalteparole. Was auf den seriellen Ursprung des Films verweist, waren die “Nice Guys” doch ursprünglich als Fernseh-Serie geplant.
Über die größte Strecke funktioniert der Film als launige Laurel & Hardy-Komödie, das heißt, es wird versucht das größtmögliche Chaos mittels einer Kette aus Zerstörungsszenarien anzurichten, während derer jede Partei erst einmal abwartet, damit die Kontrahenten ordentlich viel kaputt machen können. Um dann mit Wucht nachzulegen. Gemixt mit Situationen, in denen Holland March irgendwo raus- oder runterfällt, was Brummbär Healy mit verdrehten Augen kommentiert. Die Polizei trifft, wie sich das für eine derartige Desastershow gehört, prinzipiell zu spät ein. Es mischen sich gut choreographierte Körperkomik, Brachialhumor und absurder, beinahe sophistischer Witz so willkürlich zu einer knallbunten Wundertüte aus visuell und verbal überbordenden Attacken. Das kniffligste Rätsel des ganzen Falls: Wieso steht auf der Kopie von Amelias Ausweis als Geburtsjahr “1979”?
Ein wahrer Fundus ist “Nice Guys” auch für Freund*innen mehr oder weniger versteckter Referenzen an die Filmgeschichte. Angefangen bei Blake Edwards “The Party” (“Der Partyschreck”) bis zum Offensichtlichen wie dem Zusammentreffen des ehemaligen “L.A. Confidential”-Traumpaares Kim Basinger (wächsern) und Russell Crowe (fettig), oder der Gestaltung des geradezu mythischen Killer “John Boy”, gespielt von einem kaum wiederzuerkennenden Matt Bomer. Nur echt mit stattlichem Leberfleck auf der Wange. Während die “Waltons” im Fernsehen laufen, darf der Killer mit dem Fransenpony junge Mädchen durchs Fenster schmeißen. Eine andere Art des “Gute Nacht, John Boy!”.
Spannend ist das zwar kaum, doch äußerst unterhaltsam, besonders wenn man ein Faible für um Historizität bemühten Krawall hat. Shane Black hat mit “Nice Guys” einen voluminösen 70er-Jahre-Themenpark aufgebaut, inklusive einer Earth, Wind & Fire Wiederauferstehung, um seine gut aufgelegten Protagonisten darin herumtoben zu lassen, damit sie Chaos und Zerstörung anrichten. Als kritische Auseinandersetzung mit Machtmissbrauch, Korruption und Umweltskandalen taugt das wenig, als sarkastischer Kommentar zu diesen (und anderen) Themen hingegen schon. Gesetzt den Fall, man mag es laut und bunt.
Zum Film gibt es eine witzige Webserie, die Russell Crowe und Ryan Gosling während psychotherapeutischer Sitzungen zeigt, um ihre Konflikte miteinander aufzuarbeiten (von der Paarsitzung bis zum explodierenden Stresstest). Bei der weltberühmten Psychologin Dr. Bernadette Maryann Wolowitz, äh Melissa Rauch. Eine Kompilation der aufreibenden Sitzungen findet sich HIER.
Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden:
“Mary Jane ist auch hier!”
“Mary was?” [Holland March, Schmellmerker ohne Geruchssinn]Holly, während Healy vor der Tür wartet: “Warum bitten wir ihn nicht herein?”
Holland: “Keine Tiere im Haus!”Holland: “Außerdem war ich im Pool.”
Healy: “Du warst im Pool – warum?”
Holland: “Ich musste die Meerjungfrauen befragen.”Demonstrantin: “Wir können nicht mit Euch reden, wir sind tot!”
Holland: “Ja klar, ich verstehe, nach dem Motto, ich bin hip, ich bin clever. Hier geht es um was ernstes!”
Demonstrant: “Hier auch, wir werden alle getötet!”
Holland: “Nein, werdet Ihr nicht.”
Demonstrant: “Fick dich Alter, wir sind tot.”
Journalist: “Hey, die können nicht mit dir reden, die sind tot.”
Healy: “Worum geht es bei dem Protest – wissen Sie das?”
Demonstrant: “Die Luft!”
Journalist: “Die Luft.”
Healy: “Ihr protestiert gegen die Luft?”
Demonstrant: “Die Verschmutzung. Die Vögel können nicht atmen.”
Healy: “Dann seid Ihr alle wegen der Luftverschmutzung tot?”
Demonstrant: “Ja!”
Healy: “Und die Gasmasken …. haben Euch nicht gerettet?”“Und schon kommen die Bullen.”
Cover & Szenenbilder © Concorde Home Entertainment
- Titel: Nice Guys
- Originaltitel: Nice Guys
- Produktionsland und -jahr: USA, 2015
Genre: Krimi, Komödie, Thriller, Action
- Erschienen: 11.10.2016
- Label: Concorde Home
- Spielzeit:
ca. 112 Minuten auf DVD
ca. 116 Minuten auf Blu-Ray - Darsteller:
Russell Crowe
Ryan Gosling
Angourie Rice
Matt Bomer
Kim Basinger
Margaret Qualley
Regie: Shane Black
- Drehbuch:
Shane Black, Anthony Bagarozzi
- Kamera:
Philippe Rousselot
- Musik:
David Buckley
John Ottman
- Extras: Featurettes, Interviews, Trailer
- Technische Details (DVD)
Bild: (16:9), 2,40:1
Ton: Dt. DD 2.0/ DD 5.1/ DTS 5.1, Engl. DD 5.1
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (ausblendbar)
- Technische Details (Blu-Ray)
Bild: 2,35:1 (16:9) 1080p High Definition
Ton: Dt. DTS-HD Master Audio 5.1, Dt. DD 2.0, Engl. DTS-HD Master Audio 5.1
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (ausblendbar)
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Produktseite zu BluRay und DVD
Website des Films
Wertung: 10/15 dpt