Die Crew macht sich Sorgen, denn einer von ihnen ist neuerdings nur noch auf Krawall aus. Die Geschäfte laufen längst nicht so gut wie erwartet, und nun steht auch noch ständig die Polizei vor der Haustür. Alphonse Gangitano, der “schwarze Prinz aus der Lygon Street”, ist nicht nur ein großer Opernfan, sondern auch ein veritabler Psychopath, den der Größenwahn gepackt hat. Alphonse hat sich vom Kleinganoven zu einer unangreifbaren Gangstergröße hochgearbeitet, seine Geschäfte erledigt er mit der Carlton-Crew, und eigentlich hält die Familie immer zusammen. Doch seit Alphonse seine Aggressivität nicht mehr im Griff hat, seit er sinnlos Menschen exekutiert und dann auch noch einen Nachtclub komplett zerlegt, wird die Luft für ihn dünn. “Underbelly – Krieg der Unterwelt” erzählt von wahren Ereignissen, die sich von 1995 bis 2004 in Melbourne, Australien, ereigneten. Dem sogenannten Gangland-Krieg fielen in weniger als einem Jahrzehnt mehr als dreißig Menschen zum Opfer. Die australische Serie “Underbelly” basiert auf dem von den The-Age-Journalisten John Silvester und Andrew Rule verfassten True-Crime-Buch “Leadbelly: The Inside Story of an Underworld War”. Mit sechs AFI Awards und drei Logie Awards ausgezeichnet sowie mit begeisterten Kritiken überhäuft, gilt “Underbelly” – inzwischen liegen 6 Staffeln vor – in Australien als eine der erfolgreichsten Serien der letzten Jahre.
Rasant – brutal – und völlig außer Kontrolle
“Underbelly” wurde in den Kritiken oft als die australische Antwort auf “Die Sopranos” bezeichnet, doch wer hier subtil beobachtete und in epischer Breite geschilderte Einblicke in die Welt der Mafia erwartet, wird enttäuscht sein. Die erste Staffel erzählt in 13 Episoden à knapp 45 Minuten in einer rasanten Inszenierung und mit einem treibenden Soundtrack unterlegt, von Macht, Sex, Drogen und brutal in Szene gesetzter Gewalt. “Underbelly” beginnt enorm schnell, fast hektisch, kann allerdings das hohe Tempo nicht bis zum Schluss durchhalten. Doch letztlich gelingt es der Serie, die wenig Wert auf Psychologisierung und klassische Dramatik legt, bis zum Staffelende einen sehr routinierten, zugleich ganz eigenen Drive aufrechtzuerhalten. Die Polizei – erzählt und aus dem Off kommentiert, wird die Story von Detective Jacqui James (Caroline Craig) – steht in fast jeder Episode als machtloser Beobachter quasi neben dem Geschehen. Die Erzählperspektive ist dennoch ein clever gewählter Schachzug, verleiht es der Mafia-Serie doch zumindest formell den Anschein, dass die Story vornehmlich die Bemühungen um Recht und Ordnung der Justizbehörden aufzeige. Regie und Kamera konzentrieren sich indes vielmehr auf stylish scharfe Szenen, die hart und schnell aneinandergereiht von schönen Ehefrauen, heißen Huren, skrupellosen Gangstern und verdammt hässlichen Morden erzählen. In diese hastige Inszenierung fügen sich grandios eine Menge Close-Ups und Slow-Motion-Szenen, die einen eigenen Humor kreieren, der entfernt an Guy Ritchies Gangster-Filme erinnern mag.
Der Aufstieg des Carl Williams
Carl Williams war zunächst ein unbedeutender Chauffeur des Moran-Clans und wurde wohl wegen seines steten debilen Grinsens und seiner offenbar nicht allzu großen Intelligenz schnell unterschätzt. Doch Williams hatte Pläne, eine scharfe Frau ins Auge gefasst und wollte selbst an der großen Kohle teilhaben. Sein Plan war simpel: Zunächst lernte er, wie man Amphetamine kocht, dann, wie man sie am geschicktesten vertickt. Als er dann auch noch ungestraft mit Mord durchkam, begann er, sein eigenes Imperium zu erschaffen. Carl Williams’ geistesschwache Bauernschläue wird absolut umwerfend von Gyton Grantley in Szene gesetzt. Überhaupt ist es auffallend, dass die meisten Darsteller der Serie den realen Figuren fast ‘wie aus dem Gesicht geschnitten’ sind. Und obwohl der Cast vor allem wohl auf die größtmöglichste Ähnlichkeit zur Realität hin zusammengestellt wurde, sind selbst die Nebenrollen hervorragend besetzt. Vor allem Vince Colosimo soll erwähnt werden, der die tickende Zeitbombe Alphonse Gangitano famos als gnadenlos verwirrter, wütender Stier performt. Und auch Kat Stewart, die Williams’ stets loyale Ehefrau Roberta gibt, ist in ihrer Rolle des krakeelenden Gangsterflittchens ein absolutes Highlight der Serie. Der echte Williams, der in der Melbourner Unterwelt als der “Smiling Assassin” bekannt war, wurde 2010 im Übrigen von einem Zellengenossen erschlagen.
Zelebrierter Glamour
Die mehrfach preisgekrönte Serie zelebriert den Gangster-Glamour in all seinen Ausschweifungen derart, dass man ihr sicherlich viel zu viele Gewalt- und Sexszenen vorwerfen kann. Die Überforderung und Inkompetenz der Polizei sowie der Justiz werden lediglich angerissen, die Ermittler verbleiben ohne wirklichen Charakter, flüchtig, letztlich austauschbar und ohne Belang. Ernsthaft Sympathie kann man in “Underbelly” weder für die Ordnungshüter noch die Gangster entwickeln. Und so kann die australische Serie auch nicht mit den “Sopranos” oder mit “Romanzo Criminale” verglichen werden. “Underbelly” drückt ordentlich auf die Tube, ist voller Klischees und zugleich ein rasanter Trip in den Irrsinn der Unterwelt. “Underbelly” bietet – wenn auch an reale Ereignisse angelehnt – feinstes, flirrendes Gangsterspektakel. Und auf die zweite Staffel “A Tale of Two Cities”, ein Prequel, kann man sich nur freuen.
Als Bonusmaterial bietet die DVD-Box ein schönes Booklet mit einem ausführlichen Episodenguide, eine Bildergalerie sowie den Trailer.
Cover und Filmstills © KSM
- Titel: Underbelly – Krieg der Unterwelt
- Originaltitel: Underbelly
- Staffel: 1
- Episoden: 13
- Produktionsland und -jahr: AUS, 2008
- Genre:
Krimi, Drama, Mafia
- Erschienen: 15.02.2016
- Label: NewKSM
- Vertrieb: KSM
- Spielzeit:
554 Minuten auf 4 DVDs - Darsteller:
Gyton Grantley
Caroline Craig
Marcus Shultz
Paul Tassone
Daniel Roberts
Dieter Brummer
- Regie: Tony Tilse
- Extras:
Booklet mit Episodenguide
Bildergalerie
Trailer
- Technische Details (DVD)
Bild: 16:9 – 1.77:1
Sprachen/Ton: D (2.0 DD), GB (5.1 DD)
Untertitel: Deutsch
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Wertung: 13/15 Knarren