Im Making Of sagt Takashi Miike, dass er mit “Yakuza Apocalypse” an seine Anfangstage als Direct-To-Video-Filmer anknüpfen wollte, sozusagen Sleaze-as-Sleaze-can, ein unbeschwerter Genre-Film, der Genregrenzen mit Lust, Laune und nach Belieben einreißt. Wobei “unbeschwert” keineswegs bedeutet, dass es nicht düster, blutig, abgedreht und mit Biss zugehen darf. Bei “Yakuza Apocalypse” vor allem mit Biss.
Der Film beginnt damit, dass Yakuza-Boss Genyo Kamiura eine gegnerische Gang aufmischt. Auf ihn wird mit Schwertern eingehackt, mit einer Automatik geschossen, Kamiura bleibt standhaft und metzelt seine Gegner in roten Fontänen darnieder. Eigentlich müsste er selbst dem Tode nahe oder schon darüber hinaus sein, doch der Biss in den Hals einer jungen Frau päppelt ihn rasch wieder auf. Boss Kamiura ist nämlich nicht nur Yakuza, sondern auch ein Vampir. Aber keiner der Europäischen Sorte, auch kein hüpfender Blutsauger aus Hongkong, nein, er ist tagaktiv und seine übernatürlichen Fähigkeiten machen ihn zum beinahe unüberwindbaren Kämpfer.
Das gefällt dem ominösen “Syndikat” nicht, welches sich den autarken Gangsterboss und seine Bande gerne einverleiben möchte. Da hält Genyo Kamiura rein gar nichts von. Deshalb schickt man ihm den abgefeimten Fighter Kyoken in Begleitung eines französelnden Van Helsing-Verschnittes im Priestergewand auf den Hals. Den Beiden ist Kamiura nicht gewachsen und segnet alsbald mit abgeschraubtem Kopf das Zeitliche. Doch so ein Vampirschädel ist zäh, und es gelingt ihm, den tödlich verletzten Kageyama, seinen Yakuza-Ziehsohn mit der empfindlichen Haut, zu beißen und ihm a) das Leben zu retten und b) dadurch zu seinem Nachfolger zu machen.
Derweil der Rest seiner Gang in Verhandlungen mit einem menschlichen Schnabeltier steht. Ein Kappa-Kobold (der Tradition entsprechend mit kleinem Schildkrötenpanzer auf dem Rücken. Als neckischer Wassergeist wie der historische Kappa-Kobold gerne apostrophiert wird, geht die Miike-Version nicht durch), dessen größtes Problem sein kreisrunder Haarausfall ist. Bislang zumindest. Denn am fernen Horizont kündigt sich die Ankunft eines teuflischen Terroristen an, ein Kampfkoloss ohne Gnade. Könnte Kageyama sein, der in seiner vampirellen Verwirrung das halbe Viertel angezapft und zu Yakuza-Vampiren transformiert hat. Der Rat mit 250 Milliliter roten Lebenssafts pro Tag auszukommen, erfolgt ein wenig zu spät, zweifelhaft bleibt per se ob der blutgierige Akira Kageyama ihn angenommen hätte. Ebenso wenig bedient er sich der geläuterten Gangster, die strickend, Schmerzen aushaltend und sich das Rauchen abgewöhnend unter dem Hauptquartier gefangen gehalten werden. Als Nahrungsreservoir. Sie müssen anscheinend ihr Yakuza-Wesen überwinden, damit der Bossvampir satt wird. Denn das Blut eines Yakuza besitzt keinerlei Nährstoffe. Miike, radikal politisch im heftig Exploitativen! Die arbeitende Masse wird im Untergrund verwurstet, während das Verbrechen die Gesellschaft ausbluten lässt.
Bevor es zu tiefgründig wird, taucht der zweite Kandidat in der Rolle des tödlichen Top-Terroristen auf: Evil Frog. Der nicht nur so heißt, sondern auch einer ist, stilecht im plüschigen Froschanzug, dessen Glubschaugen unheimliche Hypnose-Fähigkeiten besitzen. Vielleicht ist er auch ein Frosch-Hybrid im Kostüm, dessen godzillagroßer Vater im Hintergrund erwacht, und wartet bis er an der Kampfesreihe ist. Soll er sich bloß vorsehen, denn manchmal wachsen Vampiren Flügel.
Phasenweise hat es tatsächlich den Anschein, als sei Takashi Miike wieder in seinen anfänglichen Chaostagen gelandet. “Yakuza Apocalypse” ist ein wilder, eigenwilliger Stilmix, der zwar eine erzählerische Struktur besitzt, die aber allen Beteiligten herzlich egal ist. Es gibt ordentlich Action, wobei die blutigsten Momente, mit Shootouts und Schwertgemetzel, gleich zu Beginn abgehakt werden. Im weiteren Verlauf gibt es meist nur ordentlich auf die Fresse. Ohne Drähte weitgehend, stattdessen bodennah und heftig, nur der böse Kermit aus der Krachmacherstraße darf sich dann und wann explosiv in die Lüfte erheben.
Meist steckt Kageyama ordentlich Schläge ein, bevor ihn ein Zittern durchläuft, und er seine Kontrahenten mit wuchtigen Hieben flachlegt.
Auch wenn mit Yayan Ruhian in der Rolle des tödlichen Kampfkünstlers Kyoken ein “The Raid”-Veteran an Bord ist, der sein Können ansatzweise zur Schau stellen darf und kann, ist “Yakuza Apocalypse” meilenweit vom Action-Overdrive des Vorzeige-Duetts entfernt. Und auch an Miikes eigenen Werken gemessen, ist der Film recht handzahm und eine Freigabe (ungeschnitten) ab 16 ist völlig in Ordnung. Es wird Zwölfjährige geben, die müde abwinken.
Es gibt alberne Gags, die gut funktionieren (die Fake-Bombe), solche der eher peinlichen Art, die aufgrund ihrer Exaltiert trotzdem, oder gerade, das Mündchen aufklappen lassen (der “Kappa-Kobold”), eine Liebesgeschichte, die nur erzählt wird, weil ein bisschen Romantik einfach zu Vampiren gehört, surrealistische Komik (die Kommandantin mit eitrigem Ohrenausfluss, die davon träumt, kleine Yakuza-Babypflanzen aus der Erde zu ziehen) und viele, sehr viele filmische Verweise. Natürlich mit der Dampframme präsentiert. So trägt der priesterliche Vampirkiller nicht nur einen kleinen Sarg auf dem Rücken, sondern auch Sporen an seinen Stiefeln, obwohl nirgends ein Pferd zu sehen ist. Ganz stark hingegen der erste Auftritt des Evil Frogs, der zu einer Ennio Morricone-Hommage die Straße entlang auf eine Gruppe Rabauken zusteuert. Spiel mir das Lied von der rechten und linken Hand des Froschteufels. Die ganz grobe Kelle.
Plakativ wie ganz, ganz untergründig präsentierte Gesellschaftskritik gibt’s obendrein. Tiefsinn und Stringenz sind bestenfalls launiges Beiwerk, ins bunte Chaos schleicht sich, neben poetischen Bildern, zwangsläufig Redundanz und Langeweile ein, die Bossfights in den Finalkämpfen – besonders das mehrfache Aufeinandertreffen von Kageyuma und Kyoken – ergeht sich in sattsam bekannten Wiederholungen. Kageyama steckt ein, bis er genug hat und energisch zurückschlägt.
Die kleine Godzilla-Reminiszenz vorm Abspann ist ein passendes Ende. Der ewige Kampf geht in die nächste Runde.
Takashi Miike eben. Überbordend, brutal, verquer humorig, erzählerische Beschränkungen dekonstruierend, actionreich, kaum spannend und gelegentlich fast lustvoll ins Leere laufend, trotzdem hochunterhaltsam und mit einzelnen, grandiosen Sequenzen aufwartend. Gegenüber seinen rüden Anfängen ein geradezu altersmilder Film – soweit das bei Takashi Miike möglich ist.
Yakuzas, Vampire, Frösche, Filosofie:
“Es gab eine Zeit, da galt man erst als richtiger Mann, wenn man ein Yakuza war.”
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“Doch auch eine unbezähmbare Stadt wie unsere war nicht immun gegen die Plage der Rezession. Schwere Zeiten kommen gnadenlos.”
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“Ja, wenn ich nicht dumm wäre, dann wäre ich auch nicht Yakuza!”
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“Bedeutet das, dass ihr Hirn schmilzt?”
Cover & Szenenfotos “Opera” © Koch Media
- Titel: Yakuza Apocalypse
- Originaltitel: Gokudou daisensou (Yakuza Apocalypse)
- Produktionsland und -jahr: Japan, 2015
- Genre: Action, Komödie, Gangsterfilm, Horror
- Erschienen: 25.02.2016
- Label: Koch Media
- Spielzeit:
120 Minuten auf DVD
125 Minuten auf Blu-Ray - Darsteller: Hayato Ichihara
Yayan Ruhian
Rirî Furankî
Yoshiyuki Morishita
Denden
Riko Narumi - Regie: Takashi Miike
- Kamera: Yoshitaka Yamaguchi
- Musik: Kôji Endô
- Extras:
Making Of
Trailer
- Technische Details (DVD)
Video: 1.85:1 (16:9)
Sprachen/Ton: Deutsch, Japanisch, DTS, Dolby Digital 5.1
Untertitel: Deutsch
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1.85:1 (16:9)
Sprachen/Ton: Deutsch, Japanisch, Englisch, DTS HD-Master Audio 5.1
Untertitel: D - FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Produktlink
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Wertung: 10/15 explodierende Blutsauger-Frösche