Bevor man einen Bericht über eine Messe schreibt, bei der endlich die naturgemäß eher stubenhockenden Buchliebhabenden laut, sichtbar und auch mehr oder weniger riechbar auftreten; man also viele Bilder, viele Szenen ausbreiten könnte – man aber keine Bilder hat, weil es kaum etwas Schrecklicheres gibt als mitten im Menschenstrom stehen zu bleiben und mit möglichst ruhigen Händen Fotos zu schießen, die dann doch eher das Durcheinander der Messe als die wirklich schönen Begegnungen abbilden. Dann schaut man sich nochmal um und vergleicht, ob die Erinnerungen und Feuilleton-Berichte übereinstimmen: Natürlich nicht, denn jeder macht sich die Leipziger Buchmesse zu seiner persönlichen Messe. Je nachdem, ob man die Highlights der Frühjahrsprogramme sucht, diskursive Grabenkämpfe geführt werden wollen, man sein neuestes Cosplay-Kostüm ausprobieren will – oder einfach nur die Menschen treffen möchte, die man sonst nur aus Email- und Briefwechseln kennt; bei uns booknerds ging es vor allem um Letzteres.
Entsprechend sind Flüchtlingsfrage und Compact, auch der Amazon-Stand oder der Preis der Leipziger Buchmesse, eher an uns vorübergegangen; dafür gab es eine bei einem mit unserer Kollegin Eva Bergschneider (auf deren Seite phantastisch-lesen.com ebenfalls ein toller Bericht zur Buchmesse steht) Ausflug in Halle 2 zur Leseinsel Fantasy eine umwerfende Überraschung, als Oliver Plaschka seine Lesung kurzerhand mit dem (an sich schon dystopischen) Wahlprogramm der AfD eingeleitet hatte, um daraufhin fesselnd zu beweisen, wie politisch, sozialkritisch und demokratisch Fantasy sein kann – und Diskriminierung auch in den entferntesten Galaxien Scheiße ist.
Für Menschen mit Pioniergeist ist hauptsächlich Halle 5 von Interesse, in der die Kleinverlage ihre Stände haben. Neben Entwicklungen beim Aufbau einer feministischen Reihe deutscher Kriminalromane bei Ariadne konnten wir dort in entspannter Atmosphäre auch Überlebenstechniken beim Vertrieb filmtheoretischen Publikationen im Alexander-Verlag hören, Rezepte für tödliche Drinks bei Conte mitschreiben oder Blicke in die Zukunft bei Liebeskind werfen (wo im Herbst ein neuer Donald Ray Pollock erwartet werden darf). Daneben konnten wir uns kurz mit Sebastian Guggolz unterhalten, der im gleichnamigen Verlag mit sympathischem Programm vergessene Texte übersetzen lässt und, liebevoll ediert, einem deutschen Publikum zugänglich macht.
Damit war die diesjährige Leipziger Buchmesse für uns wieder einmal ein eher intimes Treffen spannender Buchmenschen als eine Plattform für die Trends in der großen Literatur (wobei wir ebenfalls eine Show Denis Schecks besucht hatte, die aber vor allem abgekaut wirkte). Was bleibt noch? Ach ja, ein Bild haben wir doch: Der Alexander Verlag veröffentlicht auch Kriminalromane (Ross Thomas – immer noch und immer wieder aktuell!!!); und wer privatdetektivisch liest, sollte natürlich seinen Flachmann im karierten Sakko tragen – bestenfalls gleich vom Verlag selbst angefertigt:
Logo Leipziger Buchmesse 2016 © Leipziger Messe GmbH Projektteam Leipziger Buchmesse
Foto des Flachmanns © Jochen König
Weitere lesenswerte Berichte:
- lustauflesen.de (Jochen Kienbaum)
- pinkfisch.net (Sarah Royal)
- buchrevier.com (Tobias Nazemi)
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