Ray Banks – Saturday’s Child (Buch)

Ray banks-Saturdays-ChildRay Banks lesenswertes Debüt “Dead Money” litt ein wenig darunter, dass sich die Kenntnisse des Autors im Casino-Metier passagenweise zu weit in den Vordergrund schoben und die Erzählung überlagerten. Auch in “Saturday‘s Child“ spielt Glücksspiel eine Rolle, doch ist das Thema wesentlich homogener in die Handlung integriert, wenn es nicht komplett in den Hintergrund rückt.

Formal ist “Saturday’s Child“ ein außergewöhnliches Buch, besitzt es doch zwei Ich-Erzähler. Zum einen den Privatermittler ohne Lizenz Cal Innes, zum anderen Mo, den Sohn des Manchester Unterweltbosses Morris Tiernan. Zwangsläufig kreuzen sich die Wege der beiden, denn Innes ist im Auftrag von Tiernan sr. Unterwegs, was dem Junior überhaupt nicht gefällt, denn in gewisse Aspekte des Falls, der Suche nach seiner Halbschwester und eines Angestellten mit zehntausend gestohlenen Pfund im Gepäck, ist der großmäulige Adlatus derart verwickelt, dass ihm ein Ermittlungserfolg Innes‘ gefährlich werden könnte. Obwohl er selbst der Verbindungsmann zwischen Cal und seinem Vater ist.

Problem an der ganzen Sache: Mo ist nicht der Hellsten einer. Einerseits genießt er es, unter dem Schutz seines Vaters zu stehen, andererseits träumt er von einer gewalttätigen Machtübernahme. Irgendwo zwischen Isnogud, der Wesir werden möchte anstelle des Wesirs, und einem Drama Shakespeares,  baut er auf seine schlagkräftigen Kumpane Baz und Rossie, zumindest theoretisch.

Droht ein realer Konflikt, wie mit Cal Innes “Partner“ und Lehrmeister, dem schwulen Boxer und Barbesitzer Paulo, findet sich Mo Tiernan jedoch jammernd und angeschlagen mit dem Rücken zur Wand wieder.  Rache beschwörend , ohne über Maulheldenstatus hinauszukommen.

Trotzdem gelingt es ihm, Cal das Leben zur Hölle zu machen. Denn Innes, ebenfalls nicht die hellste Laterne im Lichterladen, ahnt bis zum Ende nicht, wer sein ärgster Feind, seine Nemesis ist. Eigentlich ist er gar nicht so dumm,  eher naiv, vertrauensselig und voller Angst wieder im Knast zu landen. Keine gute Grundlage für einen hartgesottenen Schnüffler.

Eine Eigenschaft besitzt Innes allerdings, die ihn zum Detektivsein befähigt: Er ist hartnäckig, egal wie viele Rückschläge ihn ereilen. Zudem ist er ein wahres Stehaufmännchen und beizeiten kann er auch austeilen, es muss ja nicht unbedingt fair zugehen. Um das große Ganze zu durchdringen ist Cal nicht analytisch genug und zu ängstlich. Aber kleine Fahndungserfolge sind machbar. Und obwohl er den unangenehmen Detective Sergeant Donkin, kurz “Donkey“ genannt, an den Hacken kleben hat, kann sich Cal Innes vermutlich vor einem erneuten Knastaufenthalt drücken. Doch nicht, weil er alle Verdächtigen in einem Raum versammelt und den Täter überführt (eine Form des Kriminalromans, die Ray Banks nicht ausstehen kann), sondern weil er sich bereit zeigt, einen “Deal mit dem Teufel“ einzugehen.

Totgesagte leben länger. Mit “Saturday’s Child“ gelingt es Ray Banks einen Privatermittler zu etablieren, der abseits der ausgetretenen Spuren Philip Marlowes agiert. Callum Innes ist kaum mehr als ein Kleinganove, der eher zufällig merkt, dass er eine Begabung im Auffinden von Sachen und Menschen hat, die sich herumspricht. Also kommen ein paar Klienten zu ihm, die genügend Kohle reinbringen, um sich über Wasser zu halten. Unterstützung dabei bekommt er von seinem Boxtrainer und väterlichem Freund Paulo. Der zwar an die üblichen Sidekicks (Spensers Hawk, Burkes Max oder Kenzie/Gennaros Bubba) erinnert, aber trotzdem ganz eigen Stellung bezieht. Denn er steht Cal zur Seite als Trainer, Betreuer und Gesprächspartner, doch nicht als unterstützende Feuerkraft. Körperlich aktiv wird er nur, wenn man ihm selbst zu nahe kommt.

Das erdet die Figur, die als Cals  moralisches Korrektiv dient, dessen Antrieb keineswegs Ruhm, Ehrgeiz (nur ein bisschen) oder Sehnsucht nach Gerechtigkeit ist, sondern eine Mixtur aus Angst (vor dem Gangsterboss Morris Tiernan), Faszination und Neugier. Und wir wissen ja alle, was der Katze den Tod bringt.
Auf der anderen Seite des Erzählspektrums steht der junge Mo, ein Unsympath vor dem Herrn. Mutige Entscheidung Banks‘ ihm den zweiten Erzählpart zuzugestehen.  Und es gelingt ihm außerordentlich gut, dass Interesse an diesem drogenkonsumierenden, ständig lamentierenden und geifernden Feigling aufrechtzuerhalten. Man verspürt Mitleid mit seinen Handlangern Baz und Rossie, die geduldig alle Eskapaden und Aufträge ihres kleinen Möchtegern-Königs ertragen (geht glatt als bissige Hommage an King Julien, Maurice und Mort durch). Dass Mo gleichzeitig Mittelsmann zwischen Cal und seinem Vater und Saboteur des erteilten Auftrags ist, sorgt für einen hohen Humorfaktor.

“Saturday’s Child“ ist durchzogen von tiefschwarzer, brutaler Komik, die die Abwesenheit jedweder Sozialromantik eher betont als abmildert. Manchester wird als wenig attraktive Stadt gezeichnet, voller Armut, Drogen, dreckiger Spelunken, schäbiger Glücksspielläden und fest in Gangsterhand, in der es nur wenige Enklaven wie Paulos Boxhalle gibt. Newcastle, wohin es Cal, Mo und die gesamte Entourage im zweiten Teil des Romans verschlägt, ist demgegenüber die reinste Kleinbürger-Ödnis.  Hier wie dort herrschen Unredlichkeit, Lug und Trug. Unschuld gibt es nirgendwo, Vergeltungsmaßnahmen haben nichts Befreiendes, sind Ausdruck von Wut, Frustration und der Enttäuschung, dass man den eigentlich intendierten Subjekten nichts anhaben kann. Kein Wunder, dass Cal Innes, der sich vor einem weiteren Gefängnisaufenthalt fürchtet, an einem wunden Punkt sich eine Zelle geradezu herbeiwünscht. Obwohl er als friedvolles Intermezzo sogar eine ganz pragmatische, höchst charmante Romanze  erleben darf.

Es wird weitergehen mit dem Ermittler ohne Lizenz, Cal Innes. Ray Banks hat die Reihe auf ein Quartett anwachsen lassen.   Es gibt noch etliche Geschichten, die erzählt und Kämpfe, die ausgetragen werden müssen. Zwischen Manchester und Newcastle, zwischen Klo und Gosse. Mittels einer Sprache, die so klar und räudig ist wie nötig, und mehr als einmal ins Halluzinogene abdriftet.

Der Soundtrack könnte von The Fall (Manchester) und einer Mixtur aus den Angelic Upstarts, Punishment of Luxury  und ein klein wenig Lighthouse Family stammen.  Von wegen, nur die Animals kommen aus Newcastle. Die hochgeschätzten Prefab Sprout sind allerdings etwas zu clean für den kleinen, dreckigen Kosmos des formidablen Herrn Banks.

Cover © polar Verlag

Wertung: 13/15 dpt

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