Ist es wahr oder ein Traum? Diese Frage stellt sich ein Manga-Zeichner, der Protagonist von Jiro Taniguchis Graphiknovelle “Die Wächter des Louvre”, als er durch die Kunstsammlung des Louvre wandelt und dabei von Nike von Samothrake begleitet wird. Die Siegesgöttin, entsprungen aus der griechischen Mythologie, nimmt ihn mit auf eine Reise durch die Zeit, durchbricht die unsichtbaren Mauern der Wächter des Louvre und weiht den Zeichner in die Geheimnisse der Kunstwerke ein. Er sieht eine Hakenkreuzfahne vom Eiffelturm wehen, Panzer durch Paris fahren und wohnt der Evakuierung der Kunstschätze vor den deutschen Besatzern bei. Minuten davor befindet er sich auf einem weiten Feld, hört das Wasser eines kleines Flusslaufs plätschern. Dann steht er in einem riesigen Garten, durch den eine schwarze Katze stromert. Ein Picknick mit Vincent van Gogh …
Das dritte Mal in Paris und von einer schweren Grippe befallen, scheinen sich beim Protagonisten vorher Erlebtes und Halluzinationen zu einer phantastischen Reise zu vereinen, bei der offen bleibt, an welcher Stelle die Realität endet und die Fiktion beginnt.
Ist es wahr oder ein Traum? Diese Frage hat sich womöglich auch Jiro Tanigushi gestellt, als er vom Pariser Verlag “Futuropolis” und dem Museum Louvre angefragt worden ist, um sich dem geschichtsträchtigen Bau aus dem Blickwinkel eines Comiczeichners zu nähern. Mit “Die Wächter des Louvre” setzt Tanigushi eine wertvolle Tradition fort: Er folgt einem Aufruf, dem zuvor bereits Künstler wie Yslaire und Prudhomme gefolgt sind.
Tanigushis graphische Novelle bietet Einblicke in die Hintergründe der Kunstwerke des Louvre. Wer wurde von wem inspiriert? In welchem Wechselspiel stehen die japanische Malerei und die französische zueinander? Was verbindet Vincent van Gogh mit Magnolien? Und wer sind die “Namenlosen”, die Leib und Leben dafür eingesetzt haben, die Kunstwerke des Louvre zu retten? Tanigushi ehrt nicht nur die ausgestellten Meisterwerke sondern auch diejenigen, die dafür Sorge getragen haben, dass die Attraktion zu einer solch einzigartigen geworden ist.
“Die Wächter des Louvre” bezaubert in vielerlei Hinsicht: Es ist eine lehrreiche Graphiknovelle, die gleichermaßen für Jung und Alt ansprechend erscheint, eine Wertschätzung anderer Künstler und Menschen, aber auch ein mit hochwertigen Zeichnungen ausgestatteter Reiseführer, der den Betrachter fernab von “Mona Lisa” & Co. in die “hinteren” und weniger besuchten Säle des Louvre entführt. Gewissermaßen ein Rundgang im Louvre – vom heimischen Sofa aus.
Cover © CARLSEN Verlag
Wertung: 14/15 dpt
- Autor: Jiro Taniguchi
- Titel: Die Wächter des Louvre
- Originaltitel: Les Gardiens du Louvre
- Übersetzer: John Schmitt-Weigand
- Verlag: CARLSEN Verlag
- Erschienen: 09/2015
- Einband: Hardcover
- Seiten: 136
- ISBN: 978-3-551-76319-8
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