Auch bei dieser nunmehr dritten Staffel der gewohnt kontrovers aufgenommenen modernen Sherlock Holmes-Adaption bekleckert sich das deutsche Free-TV nicht mit Ruhm. Es wird verschoben und zerhackstückt, sodass der Fernsehzuschauer einmal mehr kopfschüttelnd zusehen muss, wie respektlos Sender zuweilen mit Serien umgehen – und sich die verantwortlichen Senderoberen dann wundern, weswegen die Zuschauer es mit Wegschalten quittieren. Diese warten zunehmend lieber darauf, bis ihre Lieblingsserien auf Netflix, amazon und Konsorten streambar sind – oder bis sie auf DVD erscheinen. Gerade bei Serien, die nicht gerade Procedurals sind und mehrere staffelübergreifende Handlungsstränge beinhalten, ist Fragmentierung und Unstetigkeit Gift.
Staffel drei beginnt damit, dass Sherlock Holmes (Jonny Lee Miller) London wieder den Rücken zuwendet und wieder nach New York City zurückkehrt – doch dies tut er nicht allein, denn die Britin Kitty Winter (Ophelia Lovibond) möchte von Holmes einiges lernen, und so nimmt er sie mit in die schlaflose Stadt. In New York möchte er nun wieder beraterisch für das NYPD tätig sein, doch Watson (Lucy Liu) muss dem erst einmal zustimmen. Kurze Zeit später sind die beiden wieder als Duo unterwegs, doch Watson trennt sich räumlich von Sherlock, um ihr angefangenes eigenes Leben ohne den deduzierenden Exzentriker weiterzuführen. Derweil zieht Kitty in Sherlocks Zuhause ein, die hinsichtlich Watson reichlich Eifersucht hegt – wenngleich das seltsame Verhältnis zwischen Watson und Sherlock noch nie romantischer Natur war. Doch die Eifersucht macht sich auch im “beruflichen” Sinn bemerkbar. Es ist zu erwarten, dass hier einige Spannungen entstehen, die der Professionalität durchaus im Weg stehen.
Es gibt vierundzwanzig Episoden lang wieder die verschiedensten Fälle zu lösen – so ereignet sich ein Doppelmord, der mit fünf orangefarbenen Perlen zusammenhängt, ein Mathematikgenie aus Holmes’ Umfeld trifft unerwartet auf eine Leiche, eine seltene Landkarte wird gestohlen, und bei einem Mord ist Sherlock von Muskatnussduft äußerst irritiert. Außerdem bittet eine Krankenschwester um Hilfe bei der Suche nach ihrer vermissten Kollegin, ein Mörder legt seinen Opfern einen Umschlag voller Geld auf den Körper, eine Gefängnisinsassin will Rache an Watson üben – das NYPD, Holmes, Watson und Kitty kommen also kaum zur Ruhe – es gibt vieles aufzuklären, und hierbei sind es nicht nur das Genie Sherlocks und der Scharfsinn Watsons, die zum Ziel führen, sondern eben auch Kittys überraschendes Talent.
Holmes quält sich mal schlecht, mal recht durch seinen Drogenentzug, doch gerade weil er auf einen alten Weggefährten trifft, der ihm reichlich Probleme bereitet, ist seine Stabilität in großer Gefahr. Watson hingegen genießt die Freiheit in ihrer eigenen Bleibe und findet recht bald jemanden, der auch ihr Herz zu erobern weiß. Währenddessen geht Captain Thomas Gregson etwas zu weit, als er erfährt, dass seine Tochter eine unschöne Beziehung zu einem Kollegen hegt.
Detective Marcus Bells Verhältnis zu Sherlock Holmes ist nach wie vor schwierig, und es fällt Bell äußerst schwer, an sich selbst zu arbeiten, um die Professionalität ihrer Zusammenarbeit nicht zu gefährden. Mit Kitty wurde zudem ein interessanter Charakter eingeführt, denn die impulsive, toughe und doch sehr verwundbare junge Frau, bei der die scherlocksche Schule sehr zügig fruchtet, ist nicht einfach nur als zusätzlicher Sidekick dabei, sondern hat ihre ganz eigene Geschichte und sieht sich bald mit ihrer Vergangenheit konfrontiert.
Das mag sich alles sehr klischeehaft lesen – Fälle und persönliche Erzählstränge, da könnte man ohne weiteres gähnen. Doch die Macher der Serie verpacken diese Storys nicht etwa lieblos zu Krimi-Popcornkost. Es wird für ein hohes Maß an Komplexität gesorgt, die Dialogdichte ist beeindruckend, es wird mit vielen unterschiedlichen atmosphärischen Färbungen gespielt, und es entsteht ein recht schizophrenes Zeitgefühl, denn wenngleich unglaublich viel in den Episoden geschieht, strahlt der Großteil selbiger eine ganz eigene Ruhe aus, und das ist eine Eigenschaft, die bereits in den ersten beiden Staffeln ein großes Qualitätsmerkmal war. Diese Mixtur in ihrer Gesamtheit ist letztendlich eine der Zutaten, die die Serie noch lange nicht langweilig werden lässt.
Ophelia Lovibond überrascht mit einem enormen schauspielerischen Talent und droht Miller und Liu manchmal beinahe die Show zu stehlen, aber es ist der Crew gelungen, ihr nicht mehr, aber auch nicht weniger Screentime zu geben als es die Geschichte erfordert. Doch den Stammcast und auch die zahlreichen Nebendarsteller sowie die Special Guests kann man zu keiner Zeit kritisieren, denn selbst die nicht so häufig präsenten Figuren wie Bell und Gregson (Aidan Quinn und Jon Michael Hill) glänzen mit ihrer schauspielerischen Leistung.
Etwas gravierend Negatives bei “Elementary” zu finden gleicht demnach der Suche nach dem Haar in der Suppe, nach der Nadel im Heuhaufen oder nach der verlorenen Kontaktlinse ohne Brille – das Niveau bleibt gleich hoch, und hier und dort hat man sogar noch eine Schippe draufgelegt, was Dramaturgie, Twists, Turns und Skurrilität betrifft. Auch die emotionale Ebene wird in viele Richtungen bedient, die Sprünge sind manchmal herrlich krude, und so finden sich in manchen Folgen gleichermaßen finstere und düstere Szenen, witzige Dialoge, herzzerreißende Momente und Hochspannung wieder – mal ist eine Komponente reichhaltiger vorhanden als die andere, dann ist es wieder umgekehrt. Die Drehbuchschreiber haben demnach erfolgreich alles Erdenkliche getan, um “Elementary” sicher um die Schema-F-Eisberge zu navigieren.
Es war so, ist so und wird auch immer so bleiben: Wer diesem Neo-Sherlock und dem New York-Setting schon von Anfang an skeptisch gegenüberstand, wird sich nach wie vor schwer mit “Elementary” tun. Und wer sich mit Staffel 1 und 2 perfekt unterhalten fühlte, kann vorliegende Staffel guten Gewissens blind kaufen.
Wertung: 13/15 dpt
Cover & Szenenfotos © Paramount Pictures Home Entertainment
- Titel: Elementary
- Originaltitel: Elementary
- Staffel: 3
- Episoden: 24
- Produktionsland und -jahr: USA, 2015
- Genre:
Krimi, Drama, Serie
- Erschienen: 03.03.2016
- Label: Paramount
- Spielzeit:
ca. 976 Minuten auf 6 DVDs - Darsteller:
Jonny Lee Miller
Lucy Liu
Ophelia Lovibond
Aidan Quinn
Jon Michael Hill
Michael Weston
Gina Gershon
Stuart Townsend
Mark Margolis
uvm. - Idee:
Serie: Robert Doherty
Bücher: Arthur Conan Doyle - Extras:
– Watson-Stil
– Hello Kitty
– Komplizen
– Die Elemente der Schlussfolgerung
– Bell vor Ort
– Outtakes
- Technische Details (DVD)
Video: 1,78:1 Widescreen
Sprachen/Ton: Digital Surround 2.0 LT/RT (D, F), Digital Surround 5.1 (GB)
Untertitel: D, GB, F, NL
- FSK: 12
- Sonstige Informationen:
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