Im Bällebad des Selbstmitleids oder: Blogger in der Opferrolle (Kolumne)


Mein Blog != [S*@T] - Illustration © Chris PoppIn den letzten Tagen ist die Diskussion um einen fürwahr ausgelatschten Schuh, nämlich das Thema “Blogger vs. Feuilleton”, auf ermüdende Weise einmal mehr aufgeflammt. Die “Zeit”-Journalistin Ana Maria Michel erdreistet sich in ihrem – von vielen als sehr abfällig wahrgenommenen – Artikel “Literaturblogs – Dieses Buch wird Ihr Leben verändern!” nämlich, zahlreiche Schwachstellen der Blogger*innen (das *innen denken wir uns im weiteren Text dazu) aufzuzeigen. Übersehen wurde bei all den provokativen Statements, die Michel von sich gibt, dass sie mit diesen Zeilen all die seriösen Vertreter der Literaturbloggenden, die eben nicht all die negativen Eigenschaften aufweisen, umso mehr ehrt.

Dennoch war der Aufschrei erneut groß – sowohl in den Kommentaren als auch in Reaktionen in Form von Blogartikeln wie beispielsweise dem der “Die Literatouristin”-Betreiberin Bianca Schneider, der mit Emotionalität und Polemik nicht gerade geizt, wurde sich nahezu unisono über die Unverschämtheit empört, mit der die “Zeit”-Schreiberin die gesamte Buchbloggerszene angeblich durch den Dreck zieht. Es hagelte reflexartig Rechtfertigungen, laute “Ich bin aber nicht so!”-Rufe – kurzzeitig war das literaturaffine Netz ein gigantischer Vogelkäfig, in den sich eine Katze geschlichen hat, welche das muntere Gezwitscher im Nu in hektisches Durcheinandergeflatter und panisches Durcheinanderpfeifen verwandelt hat. Auch der “Börsenblatt”-Artikel “Verlagsbeziehungen – Leidet der Handel unter den Blogger Relations der Verlage?” setzt sich hier und dort sehr kritisch mit der Spezies Buchblogger auseinander, die auch hier Grund sah, sich verärgert dazu zu äußern

Zahlreiche Vertreter der Literaturbloggerei vergessen bei all der Kritik, die ihrer Meinung nach die komplette Szene falsch dastehen lässt, zu hinterfragen, worin viele der Behauptungen und Pauschalisierungen fußen, die von Blogkritikern geäußert werden. Sie fühlen sich direkt angegriffen und verlieren in ihrer Schockstarre die Fähigkeit der Selbstwahrnehmung.

Christina Mettge von “Pudelmützes Bücherwelten” fragt auf ihrem Blog: “Warum verprügeln der Feuilleton und Buchhändler Blogger verbal und hacken auf ihnen herum?” und geht auf Antwortsuche, ebenso übt sie sich in Gegenoffensive und stellt sich schützend vor einen großen Teil der Bloggerszene – doch Anlass zur harschen Kritik von Seiten der Alteingesessenen, sprich dem Buchhandel und dem Feuilleton, gibt ein nicht zu unterschätzender Teil der Bloggerszene leider selbst. Denn wenn man sich so durch den (zuweilen im Wortsinn) bunten Wald der Literaturblogs klickt, stellt man schnell fest, dass auf ein wirklich gutes und seriöses Blog unzählige solche kommen, die die guten und seriösen Blogs mit in den Abgrund ziehen und in Verruf bringen. Die nahezu seuchenhafte Ichbezogenheit (“ich finde …”, “mir hat … gefallen”, “… war mir als Protagonist unsympathisch”) ist dabei nur eine von vielen Nervfaktoren, ebenso der Gebrauch millionenfach durchgenudelter Floskeln. Sicherlich ist es in Ordnung, wenn man hier und dort mal bewährte geflügelte Worte einsetzt, seine Leseerfahrung in eine Rezension einfließen lässt, und ein gewisses Maß an Subjektivität findet sich auch in den professionellsten Rezensionen wieder – auch in den Feuilletons. Denn letztendlich ist jedes wertende Adjektiv ein Indiz für Subjektivität.

Doch ist eine Rezension, gerade dann, wenn der/die Verfasser/in sie selbst so nennt, noch eine Rezension, wenn es sich lediglich um eine Nacherzählung (Michel, “Zeit”) oder einen Erfahrungsbericht des Bloggers (manchmal auch beides zusammen) handelt, die meist gerade mal ein bis zwei Sätze hinsichtlich Beurteilung beinhaltet und mit einer kaum begründeten Feststellung in Form von “… hat mir (nicht) gefallen.” schließt?

Ein erhöhter Ich-Faktor kann durchaus trotzdem funktionieren, wenn man einige rhetorische Kniffe beherrscht und seine Leser mit dennoch gehaltvollen Zeilen in den Bann zu ziehen weiß. Doch was ist, wenn es nicht nur hinsichtlich Rhetorik hapert? Was ist, wenn das bloggende Individuum Zeilen auf das virtuelle Papier bringt, die jeden Deutschlehrer spontan zu Rotstift-Panikkäufen animieren?

Ganz klar, Schusselfehler passieren jedem, selbst Zeitungen mit höchsten Auflagenzahlen und Onlinemagazine mit hunderttausenden Aufrufen pro Tag sind nicht davor gefeit. Irgendwo findet das Fehlerteufelchen immer mal eine Stelle, in die es mit seinem Orthographie- oder Grammatikdreizack genüsslich hineinpieksen kann, hämisch lachend, in der Hoffnung, dass es niemand bemerkt.

Doch was ist, wenn jene Blogger nicht dazu in der Lage sind oder sich nicht darum bemühen, die gängigen Gesetze der Grammatik und der Rechtschreibung einzuhalten? Was ist, wenn sie bereits an der “das/dass”- oder der “als/wie”-Regel scheitern? Was ist, wenn sie meinen, Fremdwörter benutzen zu müssen und sie prompt völlig falsch niederschreiben oder gar unpassend anwenden? Was ist, wenn die Kommasetzung  nach Zufallsprinzip vorgenommen wurde? Was ist, wenn der Satzbau derart verdreht und verquer ist, als sei der Satz die Treppe hinuntergestolpert?

Lässt man das Ganze unkommentiert? Oder äußert man Kritik am Stil und macht sich damit spontan Feinde? Als Leser befindet man sich hier in einer Zwickmühle, denn häufig folgt als Reaktion auf die Kritik die Äußerung, dass die bloggende Person das ja nur für sich mache. Doch wieso geht man damit dann in die Öffentlichkeit? Ist es zu viel verlangt, den eigenen Artikel noch ein- bis zwei Mal dem Korrekturlesen zu unterziehen, wenn man schon der Meinung ist, ihn für die Allgemeinheit ins Netz zu stellen? Für die Herrichtung der perfekten Deko für das Buchfoto scheint man doch auch ausreichend Zeit zu haben.

Doch auch optisch wagen manche Blogbetreiber ein mutiges Unterfangen – da wird hier geschnörkelt und dort mit Farben und siebzehn verschiedenen Schriftarten gespielt, es werden zahlreiche Grafiken eingebunden – und damit die Leser auch sehen, wer dem Blog so auf welchem Netzwerk folgt und wie viele Klicks das Blog bereits erreicht hat, wird alles in die Seitenleiste geklatscht, sodass die eigentlichen Artikel, die oftmals bereits geringe Lesbarkeit aufweisen, noch blasser aussehen und im Strudel der Belanglosigkeit verschwinden.

Leider sind es in der Regel die Betreiber genau solcher Blogs, die sich am lautesten wehren und rechtfertigen, wenn ausgerechnet sie, die der Blogszene mit ihren virtuellen Exponaten einen Bärendienst erweisen, in Kritik geraten.

Doch nicht das Wehren, Zurückgiften, Aufregen oder Jammern ist die richtige Antwort. Die richtige Antwort ist eine Mischung aus folgenden Dingen: a) selbst gute Artikel abliefern, b) Respekt vor dem (potenziellen) Leser haben und c) Selbstreflexion üben. Jeder Blogger ist seines eigenen Rufes Schmied – und somit auch ein Stück weit des Rufes seiner Szene.

Nicht ganz unpassend auch dieser Post des Verfassers dieser Zeilen auf facebook.

 

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8 Kommentare
  1. Ich habe zwar das dunkle Outfit dieses Blogs nicht vor Augen, aber in der vorliegenden Version gefällt es mir ganz gut.
    Dein Beitrag übrigens auch. Es gibt durchaus relativ viele mediokre bis schlechte Literaturblogs – insofern sind gewisse Skepsis und Vorbehalte seitens der (so wollen wir annehmen) überwiegend seriösen Zunft des Feuilletons etc. nachvollziehbar. Pauschalisierungen sind natürlich immer unangemessen. Allerdings kenne ich den Artikel jener Frau Michel nicht und kann also nichts dazu sagen, inwiefern die dort geäußerte Kritik zutreffend ist oder inwiefern möglicherweise nicht…
    Beste Grüße,
    A. Goldberg

  2. Gebe dir in fast allen Punkten recht, was die Optik von Literaturblogs angeht. Was aber auch noch schlecht für die Lesbarkeit eines Blogs ist, das ist weiße Schrift auf schwarzem Grund. Einfach nur gruselig!

    1. Lieber Crischo,

      klassischer Fall von “Touché!” 🙂 Ich bin selbst auch schon seit einiger Zeit unglücklich mit der dunklen Farbgebung unserer Seite. Im Grunde wollte ich eine Art Gegenstatement inmitten all der klilnisch-weißen Blogs setzen. Auch wollte ich das irgendwann mal in hell ausprobieren – aber dieses Vorhaben stand immer hinter anderen Vorhaben zurück. Mal schauen, vielleicht wird heute mal ein klein wenig experimentiert. 🙂

      1. Gebe Crischo in ALLEN Punkten Recht ;-), vielleicht gibt Dir das ja auch noch nen Schub. Spätestens ab Mitte 40 und der beginnenden Altersweitsichtigkeit geht das Modell weiß auf schwarz gar nicht mehr, die Schrift verschwimmt vor den Augen. Ich kann mir vorstellen, dass das jüngeren Leute, die von Haus aus Augenprobleme haben, auch schon so geht. Es ist einfach wahnsinnig anstrengend, weshalb ich solche Seiten weitestgehend meide, was in Eurem Fall echt schade ist. Bei mir geht es auch recht dunkel zu, aber den Lesebereich hab ich klassisch schwarz auf weiß gelassen. Übrigens ist das Kommentarschreiben noch heftiger: dunkelgrau auf schwarz, ich hoffe, ich hab jetzt nicht allzu viele Tippfehler. Würde mich freuen, wenn ihr da was macht, der Rest kann doch dunkel bleiben, ich mag das völlig steril weiße auch nicht und denke, ich kann die Intention für euer black beauty hier gut nachvollziehen. LG, Devona

        1. Ich sitze gerade tatsächlich hier und bastele bereits ein Logo für einen hellen Hintergrund. 🙂 Dann geht es an die Arbeit mit den Farbanpassungen.

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