Der Vinyl-Terrorist: Outro – Veteranentag


vt2„Wenn man diese Kolumne zu dreiviertel geschafft hat… dann is’ man auch bald durch.“ Ralf-Siegmund Gleitenreiter

Geliebte Leserschaft meiner verachtungswerten Kolumnerei, lange war es still um den Vinylterroristen. Dies hatte nicht etwa den Mangel an kurios-schlimmen Schallplatten als Ursache, nein, beileibe nicht. Schlechte Musik gab es, gibt es, und hier eine gewagte These: Sie wird es immer geben! Daran werden ambitionierte Musiker genauso wenig ändern wie der IS, der die Musik am liebsten komplett abschaffen würde, und wenn – aus ihrer Sicht – nötig, auch mit schwerem Geschütz gegen „verwerfliche und perverse Feiern“ vorgehen (mit dieser Erklärung kann man sicher auf alles schießen, was eine große Terz enthält).

Ob unter diesen Umständen der Name dieser Kolumne noch vertretbar ist, ist natürlich auch eine Überlegung des guten Geschmacks (obwohl es an dieser Stelle noch nie um guten Geschmack ging und das lateinische Wort „terror“ nichts anderes als „Schrecken“ bedeutet. Und auch wenn durch diese Zeilen noch niemand zu Schaden gekommen ist, handelt es sich doch teilweise um Erschreckendes, was hier beschrieben wird, wenn man abendländische Maßstäbe anlegt. Aber man muss ja nicht immer gleich den Untergang des Abendlandes herbeischreiben…).

Es lässt sich jedoch nicht verleugnen, dass Ihr werter Kolumnist bereits – nach sieben Ausgaben – einen leichten Dachschaden hat. Sei es, dass auch zu als friedlich geplanten Anlässen, Rondo Veneziano als akustische Untermalung die Abendgesellschaft – der die Hors d’Œuvre im Hals stecken blieben – verstörte oder ein recht einsamer spontaner Square Dance-Abend die Nachbarschaft auf den Plan rief. Ich gestehe: Nachdem ich mich in die tiefsten Tiefen musikalischen Niveaus hinabbegeben habe, fing ich an, es dort zu genießen. John Philip Sousa wurde zum Soundtrack meines Hausputzes und ich begann Met zu trinken, während meine inzwischen heißgeliebte JanHagel-Platte lief. Aber mal ehrlich – so weit unten kann es sehr einsam sein. Hier treffen Sie keine heißen Chicks und Dancing Queens, anregende Unterhaltungen führte ich mit mir selbst, denn mit den Leuten, die diesen Musikgeschmack teilten, wollte ich nichts zu tun haben.

Aber was wollte ich eigentlich mit dieser Kolumne erreichen? Vermutlich steckt auch in mir bloß der Wunsch, ein Held zu sein. Indem ich meine Ohren als Kamikazepiloten auf dieses Selbstmordkommando schickte, hatte ich stets Ihr Wohl im Sinne, liebe Leser. Ich begab mich an diesen Abgrund und überschritt ihn, um zu wissen wo ich ein Warnschild aufstellen muss, um Ihnen diese Erfahrung zu ersparen.

Aufgrund meiner posttraumatischen Belastungsstörung muss ich mich nun selbst in den Ruhestand versetzen, mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit bedanken und mich entschuldigen, dass das von mir geworfene Handtuch sich in der Plattennadel so mancher Hörgewohnheit verfing. Ich hoffe, ich konnte Ihnen von Nutzen sein und Ihnen manchen Abend retten, indem ich Sie vor einem akustischen Desaster bewahrt habe, und verabschiede mich mit den Worten Andrea Bocellis: Time to say goodbye.

Denen, die bis hierhin gelesen habe, danke ich für ihre Aufmerksamkeit und möchte an dieser Stelle auf meine neue Kolumne hinweisen. Worum es dabei geht, ist selbst mir noch nicht klar, deshalb hier einige Ideen:

  • Dinge, die man sich nach einem Punkkonzert aus dem Bauchnabel pult

  • „Wird oft zusammen gekauft“ – Abendgestaltung mit Amazon

  • Kannst du mir kurz helfen? Ich glaub ich hab meine Festplatte fermentiert. – Alltägliche Probleme meines Nachbarn

Falls Sie sich beizeiten doch noch mal den Abend ruinieren wollen, hier die Top Five der von mir nicht besprochenen Platten, die es durchaus wert gewesen wären:

1) Die Dillenburger Spatzen – Da lacht der dicke Bär… (1975). Mit freundlicher Unterstützung der Bundesvereinigung Lebenshilfe von und für geistig Behinderte.

2) Jack White – Mit all deiner Liebe. Nein, nicht der von den White Stripes, sondern der als Horst Nußbaum 1944 geborene Fußballer, der die Musikkarriere vorzog und 1974 den Hit „Fußball ist unser Leben“ komponierte.

3) JOKER – Lieder mit Bruce Low. Ein (schein)heiliger Holländer erwischt den Heiland beim Karten mischen in der Kirche.

4) Heinrich Lübke …redet für Deutschland. Pardon verteidigt den Bundespräsidenten (1966). Ich zitiere vom Cover: „Jawohl: auf dieser Platte spricht und lacht Heinrich Lübke in eigener Person!“ Politik wäre nur schöner, wenn er es ins Dschungelcamp geschafft hätte.

5) Oklahoma – Die beliebtesten Songs aus dem Broadway-Musical, deutsch gesungen. Gutes Operettenszenario, in dem am Schluss der Hengst die Stute bekommt.

Mit diesen Produkthinweisen entlasse ich Sie, verehrte Leserschaft, aus Ihrer Aufmerksamkeit für meine Worte und verabschiede mich mit den Worten Marcel Baumerts, Zitateverfasser und Philanthrop:

„Der Abschied ist eine gute Gelegenheit, jemandem zu verzeihen.“

Ich verzeihe euch!


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